Kreativ und materialverliebt
Fünf spannende Newcomerprojekte vom SaloneSatellite 2024
Auf dem von Marva Griffin ins Leben gerufenen SaloneSatellite in Mailand präsentieren alljährlich Gestaltende bis 35 Jahre ihre Produktideen. Was treibt die jungen Generationen von Designer*innen an? In diesem Jahr lag der Fokus auf den Themen Langlebigkeit, Nachhaltigkeit und Multifunktionalität. Wir stellen Ihnen die fünf interessantesten Newcomerprojekte vor.
Während etablierte Designer*innen in den Messehallen der Fiera Milano Rho ihre Entwürfe an den Ständen der internationalen Möbelmarken ausstellen, ist eine eigene Ausstellungsfläche für die Gestalter*innen von morgen reserviert. Auf dem SaloneSatellite präsentieren Studierende, Absolvent*innen und Kreative unter 35 Jahren ihre Ideen. Das Format wurde 1998 von Marva Griffin ins Leben gerufen. Sebastian Herkner, Daniel Rybakken und Oki Sato, Gründer des Studios nendo, gehören zur Gruppe der Ausstellenden, deren Karrieren durch die Nachwuchsveranstaltung befeuert wurden. Dieses Jahr feierte der SaloneSatellite sein 25-jähriges Jubiläum und offenbarte ein zentrales Thema, das sich in vielen Konzepten widerspiegelte: das Gestalten einer besseren, nachhaltigeren Zukunft.
Aus der Natur geschöpft
Wiederverwertbare, nicht-toxische und biologisch abbaubare Materialien sind bereits seit Jahren wichtige Bestandteile des Umdenkens bei der Herstellung von neuen Produkten. Kunststoff, das tonnenweise in den Weltmeeren und in Organismen landet, soll perspektivisch möglichst vermieden werden. So hat die multidisziplinär arbeitende ägyptische Designerin Rania Elkalla aus den Lebensmittelresten von Eier- und Nussschalen Material für die Herstellung von Möbeln, Leuchten, Oberflächen, Accessoires sowie Schmuck und Bekleidung entwickelt. Je nach Zusammensetzung erscheinen die Endprodukte wie Naturstein, Marmor, Glas oder Gummi. Sie können transluzent oder blickdicht, fest oder formbar, mit glatter oder rauer Oberfläche gestaltet werden.
Das 2021 in London gegründete Unternehmen Seastex richtet seinen Fokus auf ein anderes Abfallprodukt: Byssusfäden, auch Muschelbart genannt. Es besteht aus einem Sekret, das unterschiedliche Muschelarten absondern, um sich an Oberflächen festsetzen zu können. Das Material gilt als ungenießbar und wird beim Kochen meist entfernt und entsorgt. Seastex entwickelte daraus einen Stoff, den das Team um Gründer Sander Nevejans „Meerwolle” nennt. Daraus lassen sich Paneele produzieren, die im Hochbau und in der Innenarchitektur eingesetzt werden können. Die Platten weisen ein geringes Gewicht sowie eine hohe Feuerresistenz auf und dämpfen den Schall.
Präziser Druck
Auch das in Rotterdam ansässige IOUS Studio nimmt Bezug auf Meere und Wasser, aber eher in abstrakter Form. Gegründet wurde es von den argentinischen Architekt*innen Sol Sanchez Cimarelli und Agustin Ros. Im Rahmen des SaloneSatellite präsentierten die beiden die Ausstellung Fusion, die sich rund um die Themen 3-D-Druck, digitales Design und Planung drehte. Das Ergebnis sind flexibel gestaltbare Oberflächenverkleidungen, deren Textur an sanfte Wellenbewegungen von Gewässern erinnert. Die Platten lassen sich durch das 3-D-Verfahren höchst präzise planen und in verschiedenen Größen herstellen. Sie können in unterschiedlichen Interiorprojekten als Raumteiler, Wand- oder Deko-Elemente eingesetzt werden.
Leuchtender Abfall
Begriffe wie Zirkularität und soziale Verantwortung gehören heute ganz selbstverständlich zum Wortschatz und vor allem zum Repertoire von jungen Designer*innen. So auch bei dem italienisch-spanischen multidisziplinär arbeitenden Kollektiv aretai. In Mailand präsentierte es Objekte, die aus Borosilikatglas-Fläschchen bestehen – einem Abfallprodukt der Pharmaindustrie. Die Glaselemente werden aneinandergereiht, mit LED-Strängen durchzogen und in einem mit Säure behandelten Edelstahlrahmen eingespannt. Die Pendelleuchten muten wie Skulpturen an und können auch als Raumteiler eingesetzt werden, der dekorativ ist und zudem Licht abstrahlt. Die zahlreichen Gläschen, die sonst im Müll gelandet wären, werden so zum entscheidenden gestalterischen Element der Produkte.
Von der Architektur zum Design
Vorwiegend im Produktdesign verortet sind auch die Entwürfe von Octavio Asensio. Für seine schlichten, geometrischen Leuchten verwendet er Metallprofile, die nach der Verwendung in der Stahlindustrie oder im Hochbau übrig bleiben. Nach dem Zuschneiden der Profile fallen Reststücke an, denen der Designer neues Leben einhaucht. Eine neue Nutzung hat Asensio auch in der Gestaltung eines Bestelltischs gefunden, dessen Ablagefläche aus Holz auf den massiven Metallfüßen aufliegt.