Peter Saville: Visuelle Erzählungen
1 / 8

Erst Platten, dann Mode, jetzt Städte und Interiors: Seit seinen ersten Arbeiten für das Musiklabel „Factory Records“ in den späten 1970er Jahren ist Peter Saville eine Schlüsselfigur im Grafikdesign und in der Popkultur. So wie die Bands, für die er Plattencovers entwarf, ihre Gefühle und Gedanken in ihren Liedern verarbeiteten, so konzipierte er seine Bilder – für Musik und auch für Mode-, Design- und Kunstobjekte – als Form eines Selbstausdruckes und als visuelle Erzählungen seines momentanen Lebens. Heute zieht er sich immer mehr vom Grafikdesign zurück, widmet sich eigenen Projekten und arbeitet als Berater in zwei völlig unterschiedlichen Bereichen für zwei völlig unterschiedliche Kunden – für seine alte Heimatstadt Manchester sowie den dänischen Stoffhersteller Kvadrat.
Alles begann 1978. Peter Saville hatte gerade sein Grafikdesignstudium an der Polytechnischen Universität Manchester absolviert und traf auf Tony Wilson, der ihn bat, das Auftakt-Plakat für die Clubnacht „The Factory“ zu entwerfen. Saville, ein Bewunderer des Plattencovers „Autobahn“ der Düsseldorfer Band Kraftwerk, lehnte seinen Plakatentwurf an dieses Vorbild an und nahm ein von ihm selbst gefundenes Objekt als Hintergrund: ein industrielles Warnschild, das er von einer Tür im College mitgehen ließ. Ein Jahr später gründeten Wilson und Saville das Musiklabel Factory Records, das die Musik verschiedener Bands von The Factory – unter ihnen Joy Division und ihre Nachfolgeband New Order – produzierte. Saville wurde Art Director und hatte wie alle Gründungsmitglieder eine ungewöhnliche kreative Freiheit: Er konnte seine Arbeit als eine Form des Selbstausdruckes nutzen.
Blue Monday
So wurde er dank der guten Musik mit Plattencovern bekannt, die sich nicht um Kommerz scherten, sondern lieber mit neuen Techniken aus Fotografie, Produktion und Typografie experimentierten. Gipfel der kommerziellen Verweigerung – im grafischen wie auch musikalischen Sinne – war 1983 die Maxi-Single „Blue Monday“ von New Order. Peter Saville hatte eine Plattenhülle in Form einer ausgestanzten Papp-Floppy-Disc entworfen – als Referenz auf die Entstehung der Platte selbst. Dabei hatte er radikal auf den Bandnamen und den Albumtitel verzichtet und neben den für eine 8“-Diskette typischen ovalen Stanzungen lediglich einen Code aus farbigen Blöcken, der chiffriert „FAC 73 BLUE MONDAY AND THE BEACH NEW ORDER“ darstellt, gestaltet – was ihn in die Annalen des Verpackungsdesigns eingehen ließ.
Saville als Inspiration
Von genau diesem Konzept ließ sich nun David Adjaye inspirieren, der britische Architekt, den Peter Saville mit ins Boot holte, um einen neuen Londoner Showroom für den Stoffhersteller Kvadrat zu entwerfen. Dieser befindet sich auf zwei Etagen einer alten viktorianischen Fabrik im Osten der britischen Metropole. Das Büro liegt im Hochparterre; der Ausstellungsraum ist im Souterrain und vollkommen in gedecktem Grau gehalten; Kvadrats Stoffmuster werden in Schränken ausgestellt, die komplett in der Wand verschwinden. So bleibt im Showroom viel Platz für Kunst- und Designausstellungen als auch Filmvorführungen. Hauptmerkmal des Showrooms ist die Treppe, welche die gesamte Länge des Raumes entlang läuft. Ihre tiefen Stufen sind von Paneelen aus farbigem Glas umrandet und wirken wie eine dreidimensionale Umsetzung von Savilles Design für „Blue Monday“. Mehr als nur ein dekoratives Zitat wirkt sie einer zu industriellen Ästhetik entgegen und bricht das Licht – bei Sonnenschein – in sich ändernde Farbspritzer auf die grauen Wände und Böden.
Konvergenz-Kultur
„In dieser Idee hat David Adjaye einen gemeinsamen Nenner zwischen mir und Kvadrat gefunden. Denn mit dem Prinzip der Farbe hat er auf eine gewisse Weise Kvadrats Geist berührt und dabei eine Art Zitat von mir gemacht,“ erklärt Peter Saville, der inzwischen seit fünf Jahren für das dänische Unternehmen arbeitet. Besonders interessiert ihn die interne Kommunikation der Firma – so wie eigentlich alles in der Welt, genauer gesagt, was man in ihr verbinden und wie man sie auf diese Weise verändern kann. „Momentan spricht man dabei oft von Konvergenz-Kultur und das ist das Prinzip meiner Arbeit. Vor 30 Jahren war ich Roxy-Music-Fan, genau weil sie eben verschiedene Dinge verbunden haben – Mode, Musik und Kunst,“ wie er einmal sagte. „Viele Bereiche, zum Beispiel Journalismus, Architektur und Politik, agieren in sich beschränkt. Ich versuche zwischen diesen Bereichen Verbindungen herzustellen – so ist meine Arbeit schon immer gewesen.“
Manchester
So verwundert es auch nicht, dass Peter Saville einige Tage im Monat damit verbringt, im öffentlichen Sektor zu arbeiten. Es geht dabei nicht nur um Kommunikationsdesign oder gar den Entwurf eines Logos für die Stadt Manchester, sondern um „ein wenig Weltwissen“. Er weist darauf hin, wie die Dinge in anderen Bereichen gehandhabt werden – zum Beispiel in der Architektur, in der Logistik, im öffentlichen Raum oder auch im öffentlichen Nahverkehr.
„Wenn man sich ansieht, was ich vor 30 Jahren gemacht habe und was ich heute tue, das Branding meiner Heimatstadt Manchester und die Art Direction von Kvadrat, so ist es meinem Alter angemessen – ich bin 53,“ sagt Peter Saville pragmatisch. Vielleicht ist es gerade diese realistische Sicht auf sein Leben und seine Arbeit, dass seine heutigen Projekte ebenso viel Zeitgeist versprühen wie in den Anfangsjahren.
FOTOGRAFIE Anna Blessmann | Ed Reeve
Anna Blessmann | Ed Reeve
Links
Peter Saville
www.saville-associates.comKvadrat
www.kvadrat.dkMehr Stories
Schatz in der Fassade
Warum der Austausch historischer Kastendoppelfenster ein Fehler ist

Von rau bis hedonistisch
Wie verändert die Kreislaufwirtschaft das Interiordesign?

Neue Impulse setzen
DOMOTEX 2026 präsentiert sich mit erweitertem Konzept

Der Stuhl, der CO₂ speichert
Mit einer Sitzschale aus Papier setzt Arper neue Maßstäbe für nachhaltige Materialien

Digitale Werkzeuge in der Innenarchitektur
Wie ein Schweizer Büro Planung, Präsentation und Produktion verbindet

Natursteinästhetik in Keramik
Fünf neue Oberflächen erweitern das Feinsteinzeug-Programm des Herstellers FMG

Creative Britannia
Unterwegs auf der London Craft Week und Clerkenwell Design Week

Auf stilvoller Welle
Ikonische Tischserie wave für exklusive Objekteinrichtungen von Brunner

Spektrum der Ruhe
Wie nachhaltig sind farbige Möbel?

Rauchzeichen aus dem Abfluss?
Wie Entwässerungstechnik zur Sicherheitslücke beim Brandschutz werden kann

Design als kulturelles Gedächtnis
Ausstellung Romantic Brutalism über polnisches Design in Mailand

Alles Theater
Dramatische Inszenierungen auf der Milan Design Week 2025

Zurück zur Kultiviertheit
Neues vom Salone del Mobile 2025 in Mailand

Dialog der Ikonen
Signature-Kollektion JS . THONET von Jil Sander für Thonet

Leben im Denkmal
Ausstellung Duett der Moderne im Berliner Mitte Museum

Mission Nachhaltigkeit
Stille Materialrevolutionen bei Vitra

Zwischen Zeitenwende und Tradition
Unsere Highlights der Munich Design Days und des Münchner Stoff Frühlings

Spiel der Gegensätze
Best-of Outdoor 2025

Outdoor mit System
Clevere Lösungen für Außenbereiche von Schlüter-Systems

ITALIENISCHE HANDWERKSKUNST
Mit Möbeln, Leuchten und Textilien gestaltet SICIS ganzheitliche Wohnwelten

Glas im Großformat
Das Material Vetrite von SICIS bringt Vielfalt ins Interior

Surrealistische Vielfalt in Paris
Highlights von der Maison & Objet 2025

Aus der Linie wird ein Kreis
Reparatur und Wiederverwertung in der Möbelindustrie

NACHHALTIGKEIT TRIFFT DESIGN
GREENTERIOR by BauNetz id auf dem Klimafestival 2025

Flora und Fauna
Neues von der Design Miami 2024 und Alcova Miami

Vom Eckkonflikt zum Lieblingsraum
Geschichte und Gegenwart des Berliner Zimmers in fünf Beispielen

Möbel als Kulturgut zelebrieren
COR feiert seinen 70. Geburtstag

Nachhaltig Platz nehmen
Vestre produziert die Sitzbank Tellus aus fossilfreiem Stahl

Historische Moderne
Best of Interior 2024 geht an das Studio AADA

Design nach Wunsch
Zum individuellen Türgriff mit dem Online-Konfigurator von Karcher Design
