Wasserüberraschungskaskaden
Fünf Designer und Architekten haben für den deutschen Armaturenhersteller Axor die Grenzen der Individualisierung ausgelotet.
Automobile, Turnschuhe, Taschen: Der Trend zum Customizing ist allgegenwärtig. Nun bekommt auch das Badezimmer einen persönlichen Touch. Der deutsche Armaturenhersteller Axor hat die Grenzen der Individualisierung ausgelotet und fünf Designern und Architekten eine gestalterische Carte Blanche erteilt. Das Ergebnis: Armaturen, die kontemplativ plätschern wie japanische Brunnen, sich kurzerhand in Skulpuren verwandeln oder dem Material Ton einen neuen Sinn einhauchen.
Es herrschte dichtes Gedränge im Axor-Showroom in der Mailänder Via Durini während der Mailänder Möbelmesse. Kein Wunder, präsentierte der Armaturenhersteller aus dem Schwarzwald mit seinem Projekt Water Dream 2016 Create your own Spout gleich eine ganze (Wasser-)Kaskade von Überraschungen.
Die Andersmacher
Die Idee: ein universaler Armaturensockel – die sogenannte Axor U-Base – soll mit individualisierten Armaturenausläufen kombiniert werden. Damit lässt sich das Badezimmer nahtlos mit dem Interiordesign-Konzept eines ganzen Hauses verbinden: der Traum eines wohl jeden Architekten und Designers, denn sie würden ein Tool in die Hand bekommen, mit dem eigene Ideen und individuelle Kundenwünsche relativ einfach umgesetzt werden könnten – bei einem technisch so anspruchsvollen Produkt wie einer Armatur. Das funktioniert übrigens nur, weil Axor U-Base als universaler Armaturensockel so konzipiert ist, dass ein Austausch des Auslaufs ohne Installation möglich ist. Bisher stehen als Auslauf allerdings ausschließlich serienreife Produkte wie Axor Starck V zur Verfügung, doch die Schiltacher wollen mehr: die Emotionalisierung des Badezimmers mit individuellen Gestaltungsmöglichkeiten, ganz ohne technische Abstriche.
Inszenierte Kaskaden
Gleich fünf kreativen Köpfen hatte Axor freie Hand gelassen bei der Gestaltung: David Adjaye, Werner Aisslinger, Front, GamFratesi und Jean-Marie Massaud. Sie entwarfen Auslauf-Unikate in überraschenden Formen und Materialien, die in Schiltach handgefertigt wurden. Das Resultat: Wasser ist hier nicht einfach nur zur Reinigung da. Wasser wird kurzerhand zum Ritual erklärt. Wie das geht, zeigt die Armatur, die das schwedische Designduo Front entworfen hat. Water Steps – das sind zwei konisch geformte, metallene Oberflächen mit PVD-Beschichtung. In ihrer Wirkung sehr skulptural, erklären sie den Wasserlauf dem spektakulären Erlebnis, auch weil sich die Schalen drehen und kippen lassen. Ähnlich verfährt der britische Architekt David Adjaye, wenn bei seinem Auslauf, der passenderweise Ritual heißt, das Wasser unterhalb einer Einlage aus Granit austritt, konzeptuell eingebettet in einen keilförmigen Auslauf aus Bronze. Und auch Jean-Marie Massaud mag es spektakulär und spricht vom WaterDream-Projekt als eine „Erweiterung unseres kreativen Projekts über die pure industrielle Produktion hinaus.“ Der französische Designer hat sich mit Mimicry ein skulpturales Objekt aus runden, übereinandergeschichteten Marmorscheiben ausgedacht, bei dem der Griff neben dem Auslauf angebracht ist.
Stille Wasser
GamFratesi indes mag die Stille. Die Armatur des dänisch-italienischen Designduos ist pures Understatement: Aus Bambus gefertigt, fällt sie durch ihre extrem minimalistische Form auf. Der Wasserdurchfluss von Zen ist marginal, weshalb das kühle Nass beinahe meditativ ins Becken plätschert. Das ist kein Zufall, denn der klassische japanische Holzbrunnen diente den Designern als gestalterisches Vorbild. An einen Klassiker hat sich auch Werner Aisslinger gewagt: das Material Ton, mit dem er das Badezimmer gemütlich machen und es um einen Schuss Natur ergänzen will. The Sea and the Shore heißt sein Projekt, ein Hybrid zwischen Brunnen und Ablagefläche, das im Mailänder Showroom effektvoll mit echtem Grün dekoriert war.
Alles (m)eins
Hansgrohe ist mit dem Projekt Axor Manufaktur – das sind individuelle Modifikationen und Oberflächenveredelungen des schon bestehenden Produktsortiments – bereits einen Schritt in Richtung Customizing gegangen. Doch das Konzept Axor Water Dream 2016 könnte den Armaturenmarkt wirklich aufmischen, denn erstmals haben Architekten und Designer die Möglichkeit, die Wünsche ihrer Kunden in ein eigenes Produkt umzusetzen. Es geht nicht mehr länger nur um Varianten bestehender Armaturen. Es geht um die eigene Idee von Wasser. Um die originäre Formgebung einer Armatur, die zum Bestandteil eines ganzheitlichen Designdenkens eines einzelnen Architekten oder Designers wird. Es ist ein Wechselspiel: zwischen industriell gefertigten und individuell gestalteten Produktkomponenten.
FOTOGRAFIE Axor/ Hansgrohe
Axor/ Hansgrohe