Bruno Taut: Verwandlung in Berlin
Wie Martin Kippenbergers einstige Freundin im Baudenkmal am Engelbecken zwei atmosphärische Feriendomizile eingerichtet hat.
Am Berliner Engelbecken trifft die Architektur von Bruno Taut auf Mid-Century-Möbel und eine Mischung aus moderner und zeitgenössischer Kunst. Zwei Wohnungen im Baudenkmal sind von der einstigen Freundin Martin Kippenbergers in atmosphärische Feriendomizile verwandelt worden.
Bruno Taut ist in Berlin gewiss kein Unbekannter. Seine Hufeisensiedlung gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Und auch sonst hat der Vorreiter des Neuen Bauens in Berlin zahlreiche Wohnhäuser realisiert. Bürogebäude aus seiner Hand sind hingegen selten. Zu den wenigen Beispielen gehört das Haus des Deutschen Verkehrsbunds am Engelbecken, das von 1927 bis 1932 von Bruno und Max Taut als Sitz der Transportarbeiter-Gewerkschaft realisiert wurde. Auch später blieb die Nutzung bestehen: Mit der Gründung der DDR zog der FDGB ein, nach der Wende übernahmen die Gewerkschaften ÖTV und Ver.di die Räume. Fast acht Jahre standen sie aufgrund von Baumängeln leer, bis Ingenbleek Architekten 2010 mit dem Umbau in Wohnungen begannen.
Offener Grundriss
Über eine befreundete Künstlerin erfuhr Gabriele Könen von dem Projekt. „Die Architektur von Bruno Taut hat mir schon immer gefallen. Also habe ich mir das Haus im Rohbau angeschaut“, erinnert sich die Kölnerin. „Die Etagen waren völlig entkernt und noch nicht in Wohnungen unterteilt.“ Ein Detail hatte es ihr besonders angetan: Die während des Umbaus wieder freigelegten Kassettendecken aus Stahlbeton, die in den offenen Räumen besonders eindrucksvoll zur Geltung kamen.
Also kaufte sie eine Etage mit 179 Quadratmetern und ließ sie in zwei fast gleich große Apartments unterteilen. Von den ursprünglich vorgesehenen Grundrissen nahm sie jedoch Abstand. „Für meinen Geschmack hat es nicht funktioniert. Es waren zu viele Wände eingeplant, die diese Deckenkonstruktion gestört hätten", begründet die Bauherrin ihr Plädoyer für offene Grundrisse. Die beiden Wohnungen lassen sich bei Bedarf zusammenlegen und können einzeln oder im Doppel über die Plattform Suite.030 gemietet werden.
Aus einer Hand
Auch bei der Inneneinrichtung vertraute die Hausherrin auf ihr eigenes Gespür. Einige Gegenstände entnahm sie ihrem persönlichen Fundus. Der Großteil wurde eigens für das denkmalgeschützte Taut-Haus erworben. „Bis ich alle Möbel gefunden habe, vergingen knapp zwei Jahre. Wir haben am Anfang ein aufblasbares Sofa mit zwei aufblasbaren Sesseln hingestellt und eine Matratze auf den Boden gelegt”, erklärt Könen. Auch wenn der ausgedehnte Zeitrahmen bei Freunden und Familie leichte Irritationen hervorrief, ließ sie sich nicht drängen: Schließlich galt es, ein Puzzle aus historischen Design-Raritäten stimmig zusammenzufügen.
Alles kombinierbar
Fündig wurde Gabriele Könen auf einigen Internetplattformen sowie bei ausgesuchten Vintage-Händlern wie Morentz im niederländischen Waalwijk, Marc Boucherie in Köln oder Versus Gallery in München. „Ich könnte nicht sagen, dass ich einen speziellen Stil verfolge. Das findet sich einfach so. Dennoch glaube ich, dass gutes Design ohnehin immer miteinander kombinierbar ist, egal aus welcher Zeit es stammt“, erklärt die Hobby-Inneneinrichterin. Es ist ihr wichtig, dass die Dinge weder zu feminin noch zu maskulin wirken, sondern genau den Ton in der Mitte treffen.
Bett in der Nische
In der vorderen Wohnung zieht eine Gruppe schwarzer Gradual-Ledersessel die Blicke auf sich. Sie sind in den Siebzigerjahren von Cini Boeri für Gavina entworfen worden und verfügen über praktische Regalablagen an der Rückseite. Das Bett versteckt sich hinter Falttüren aus Nussbaum. „Diese Lösung war mir sofort vor Augen. Ich wollte ja keine Trennwände und so musste diese Nische das Schlafzimmer werden“, sagt Gabriele Könen, die bei einem Schreiner gleich alles aus einem Guss bestellte: Das Bett mit ausziehbarem Kasten und die Küche sind aus demselben Nussbaum maßgefertigt wie die Falttüren.
Kernstück des Raumes
„Über dem Schlafzimmer liegt noch eine weitere Schlafnische, falls man dort mit mehreren Leuten sein möchte. Das einzige, was noch fehlt, ist eine Leiter“, erklärt die möbelaffine Kunstliebhaberin. Eine besondere Rolle spielt die weiße Leuchte über dem Esstisch, die aus Fiberglasplatten zusammengesteckt wurde. Sie heißt Plan und wurde in den Sechzigerjahren von Enrico Botta für den Hersteller Sundown entworfen. Nur dreimal ist sie in dieser Übergröße für eine Messe hergestellt worden. „Die Leuchte ist das Kernstück des vorderen Raumes. Sie ist fast schon ein Objekt und keine Leuchte“, sagt Gabriele Könen begeistert.
Skandal im Schlafzimmer
Im Schlafzimmer der hinteren Wohnung zieht ein Bett mit riesigen Füßen die Blicke auf sich. „Mein damaliger Lebensgefährte war Künstler und hat in Österreich einen Frosch am Kreuz schnitzen lassen. Als die Arbeit in Bozen ausgestellt wurde, war es ein Riesenskandal, der durch die Presse ging“, erklärt die frühere Freundin von Martin Kippenberger. Bei dem Schreiner, der einst den Frosch angefertigt hatte, gab sie dieses Bett in Auftrag – mit den größtmöglichen Füßen, die seine Drechselmaschine zu produzieren vermochte.
Mit Kunst werden auch die Wände bespielt. Über dem Bett hängt eine Fotoserie von Thomas Ruff. Die Grafiken neben den pelzbehangenen Harry-Bertoia-Stühlen konnte die heutige Besitzerin über die Griffelkunst-Vereinigung erwerben. „Das rostrote Wandobjekt in der vorderen Wohnung stammt vom Künstler Meuser, einem Freund meines damaligen Lebensgefährten. Es hat mich durch alle Wohnungen begleitet und passt dort einfach perfekt“, sagt Gabriele Könen, die die Hängung und Auswahl der Werke von Zeit zu Zeit immer wieder verändert.
Expertise im Transport
Was sie macht, wenn sie nicht gerade eine Wohnung einrichtet? Gabriele Könen ist seit zwanzig Jahren für eine Spedition in Köln tätig. „Wir transportieren ausschließlich Kunst und betreuen auch Sammlungen von Unternehmen wie der Deutschen Bank und Eon“, erklärt sie. Dem Transport ihrer wohnlichen Preziosen sah sie daher stets gelassen entgegen – selbst bei äußerst fragilen Stücken wie der großen, kupferfarbenen Artischocken-Leuchte von Poul Henningsen im Wohnzimmer der vorderen Wohnung: „Für sie hat unserer Schreiner extra eine Transportkiste gebaut, damit sie unversehrt ankommt. Viele dieser alten Stücke müssen besonders behandelt werden. Zum Glück wissen wir, wie wir damit umzugehen haben.“ Bei so viel Fürsorge für die Moderne hätte sich wohl auch Bruno Taut in sicheren Händen gefühlt.
FOTOGRAFIE Suite.030
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