Wie ein Kastenmöbel zum Hingucker wird: Das Designduo Cinzia Cumini und Vicente García Jiménez hat mit „Semiton“ für Arper die Typologie des Sideboards neu belebt – als eine Akkumulation von Kuben, die auf einem filigranen Gestell über den Boden angehoben werden. Farbe ist hier kein Zusatz, sondern gestalterische Essenz.
Aufbewahrung muss nicht langweilig sein – und banal schon gar nicht. Mit skulpturalen Qualitäten punktet das Möbelsystem Semiton von Arper. Offene oder geschlossene Schrankkuben werden in unterschiedlichen Höhen auf einer filigranen Basis platziert. Der Entwurf stammt vom Spanier Vicente García Jiménez und der Italienerin Cinzia Cumini, die ihr gemeinsames Büro García Cumini in Udine im Friaul betreiben. Es ist ein transversales Produkt, das im Büro, Homeoffice, Wohnzimmer oder im Hospitality-Bereich zum Einsatz kommen kann.
Variable Konfiguration
Das System umfasst einen Sockel und eine Tischplatte in zwei Längen. Hinzu kommen verschiedene Module in zwei Höhen. Diese können als offene Regale oder mit Türen verschlossene Schränke zum Einsatz kommen. Das filigrane Untergestell kontrastiert mit den kubischen Volumina. „Es gibt Elemente und Parameter der Leichtigkeit, der Klarheit. Aber auch Farbe ist extrem wichtig bei diesem Objekt“, sagt Vicente García Jiménez. Während die Untergestelle aus Aluminium in neutralem Grau gehalten sind, stehen die aus MDF gefertigten Kuben in einer breiten Palette an warmen Farben sowie in verschiedenen Holzfurnieren zur Auswahl. Die Tischplatten können ebenso in mehreren Holzoptiken bestückt werden. Somit lassen sich unzählige Konfigurationen erzeugen. Indem weitere Module angedockt werden, wird der Spielraum zusätzlich erhöht.
Miniaturisierte Gebäude
Der Clou des Entwurfs liegt in der Unterteilung der Aufbewahrungsfläche in mehrere kleine Kästen. Diese berühren sich nicht, sondern sind in leichtem Abstand zueinander platziert. So wird ein sperriger, klobiger Eindruck vermieden. „Für uns erfüllen diese Lücken eine ähnliche Aufgabe wie Intervalle in der Musik. Sie dienen dazu, Rhythmus und Harmonie zu kreieren“, erklärt Cinzia Cumini. Das Möbel erhält damit zugleich eine architektonische Dimension. Die Kuben wirken wie miniaturisierte Gebäude, die Lücken wie kleine Straßen. „Technische Elemente wie Kabelanschlüsse für Leuchten und elektronische Geräte sind vorhanden, aber sie sind leicht und unauffällig gemacht, sodass sie nicht gleich ins Auge springen“, setzt Cinzia Cumini fort. Nichts soll die Integrität der Gesamtästhetik infrage stellen.
Farblicher Vielklang
Die Regale und Schranktüren sind teils von der Vorderseite, teils von der Rückseite zugänglich. So können die Möbel nicht nur an der Wand stehen, sondern auch als Raumteiler mittig platziert werden. Die Erscheinung verändert sich mit dem Blickpunkt der Betrachter*innen. Dabei besitzen die Schrank-Volumen unterschiedliche Farben, die sich in ihrer gegenseitigen Aneinanderreihung zu einer Art Klaviatur verdichten. „Die Farben sind wie Instrumente, auf denen wir spielen“, sagt Vicente García Jiménez. Das Ergebnis ist ein polychromes Design, das für Wohlbefinden sorgt, das sympathisch wirkt und sich in verschiedenste Einrichtungsstile einfügen kann. Dennoch sind Farben und Formen zeitlos. So können sie die Lebensdauer des Möbels ganz im Sinne der Nachhaltigkeit verlängern.
Über den Moment hinaus
„Slow Design“ – in Anlehnung an Slow Food – nennen Cinzia Cumini und Vincente García Jiménez ihren Ansatz, Geschwindigkeit und Hektik aus der Produktentwicklung herauszunehmen und stattdessen Dinge zu kreieren, die weit über den Moment hinaus Bestand haben. Schnellschüsse haben hier nichts zu suchen. „Als Designer versuchen wir, Objekte zu entwerfen, die nicht zu starr sind, damit man sie in verschiedenen Situationen bewegen kann. So kann das Möbel heute als Schrank im Büro dienen, morgen aber ins Kinderzimmer oder in die Küche wandern“, erklärt Cinzia Cumini. Auch darin zeigt sich Nachhaltigkeit: Dingen die Möglichkeit zu geben, sich zu transformieren und in neuen Umgebungen zu reüssieren.
Erweitertes Programm
„Wir versuchen bei unseren Produkten immer, eine vollständige Trennung der verschiedenen Materialien zu erreichen. Auch lassen sich einzelne Komponenten austauschen, sodass sich die Lebensdauer erhöht“, sagt der Arper-Geschäftsführer Roberto Monti. Für das Unternehmen mit Sitz in Monastier di Treviso im Norden von Venedig markiert Semiton den Schritt in eine neue Typologie. Bisher hat sich Arper einen Namen mit Stühlen und Tischen gemacht, die locker zwischen Büro- und Zuhause-Welt changieren. Es galt also, einen eigenen Zugang zum Thema Aufbewahrung zu finden.
„Die meisten Schränke stehen fest. Wir haben an etwas gedacht, das man verändern kann und das flexibel ist. Man sieht geschlossene und offene Flächen. Wenn man nur ihre Position ändert, entsteht eine unglaubliche Vielfalt an Lösungen“, erklärt Vicente García Jiménez. Es ist ein Möbel, das mehr als nur ein Leben und eine Persönlichkeit besitzt. Es vermag sich verschiedenen Räumen und Situationen anzupassen. Beim nächsten Umzug lässt es sich so leicht mitnehmen. „Wir versuchen stets, eine Harmonie zwischen dem Leben und der Schönheit herzustellen. Semiton ist gewissermaßen die Synthese dieses Konzepts“, sagt Cinzia Cumini. Die häufig etwas unscheinbare Schrank-Typologie wird so in ein ganz neues Licht gerückt.
FOTOGRAFIE Salva López Salva López
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