Best-of Orgatec 2022
Design zum Wohlfühlen von der Kölner Büromöbelmesse

Wohnlich, behaglich, geradezu hyggelig: So sah es auf der Orgatec in Köln aus. Nach vier Jahren pandemiebedingter Pause hat sich mit dem Neustart der Büromöbelmesse etwas Entscheidendes verändert. Wellbeing, ein Begriff, den man bisher eher mit Urlaub, Yogastudio oder dem Zuhause in Verbindung gebracht hat, hält Einzug in die moderne Arbeitswelt. Wohlfühlen wird zum gestalterischen Hauptmotiv neuer Möbel, Systeme und Settings. Hinzu kommen weitere Themen wie hybrides, flexibles Arbeiten, Nachhaltigkeit und smarte Technologien.
Insgesamt präsentierten 686 Unternehmen aus 43 Ländern ihre Produkte und Lösungen für sich wandelnde Arbeitsumgebungen in Köln. Auch dieses Jahr waren wieder zahlreiche namhafte Hersteller nicht auf der Orgatec selbst, sondern in der Design Post gegenüber des Messegeländes vertreten. Andere nutzten verschiedene Locations in der Stadt.
Im zeitgemäßen, hybriden Büro ist alles fließend gestaltet. Unterschiedliche Arbeitsbereiche – Plätze für konzentriertes Arbeiten, Teamwork, informelle Meetings – gehen nahtlos ineinander über. Ins Chaos führt dies nicht, dafür sorgt die passende Ausstattung. Ergonomie, Multifunktionalität, Modularität, akustische Wirksamkeit und Smartifizierung sind wichtige Qualitäten, doch die Möbel prahlen nicht damit. Wie selbstverständlich dienen diese Eigenschaften der Idee, eine Umgebung zum Wohlfühlen zu schaffen. Warm anmutende, nachhaltige, recycelte oder lokal bezogene Materialien sorgen für Komfort im Office. Dazu gehören Holz und Textilien, weiche Haptiken und eine lebendige Farbdiversität. In der postpandemischen Arbeitswelt übernimmt die schöne Atmosphäre zum Verweilen die Führungsrolle, wie die Messe Orgatec zeigte.
Rund und soft
Kein Wunder also, dass Arrangements aus soft gepolsterten Sitzgelegenheiten mit abgerundeten und einladenden Formen ins Büro einziehen. An vielen Messeständen waren Stühle mit großzügig gestalteten, weichen Sitzschalen zu sehen. Sie werden zum Allrounder im hybriden Office, da sie sich für Meetings ebenso wie zum Arbeiten eignen und Spielraum für die individuell gewünschte Sitzposition bieten. Ein Beispiel ist Ginger vom spanischen Hersteller Ondarreta. Der Entwurf von Sebastian Herkner ist ein Hybrid aus Stuhl und Sessel, der auf verschiedenen Gestellen ruhen kann und sich somit für eine Verwendung in unterschiedlichen Räumen und Kontexten eignet.
Handwerklich und lokal
Auch die Rückbesinnung auf traditionelles Handwerk passt zum Spirit der aktuellen Wellbeing-Konzepte im Büro: Der extrem leichte Holzstuhl ST8 von EOOS etwa definiert die klassische Zargenkonstruktion neu und ist äußerst bequem. Er kann übereinandergestellt werden, ohne dass seine Stapelbarkeit visuell in den Vordergrund tritt. Der Stuhl wird komplett von dem Tiroler Tischlereibetrieb HUSSL gefertigt, das Holz stammt aus lokaler Forstwirtschaft in Österreich. Auch bei Tecta ging es schon immer um handwerkliche Tradition. Aktuell kommt diese bei gepolsterten Sitzmöbeln aus Leder oder Stoff von Marco Dessí und Martin Hirth zum Tragen, um Büros als Lebensraum zu erschließen, wie in der Design Post zu sehen war.
Freundlich und natürlich
Im Mix und Match mit ebenfalls gepolsterten Alkoven, Workstations und Trennwänden in verschiedensten Abmessungen, die oft mit schallabsorbierenden Qualitäten aufwarten, werden die komfortablen Sitzmöbel elegant oder auch spielerisch zusammengebracht. Pedrali nennt das den „friendly spirit“: Der Buddyhub desk etwa ist eine flexibel einsetzbare Workstation, die sich vom isolierten Einzelarbeitsplatz bis zur Meeting-Situation aufbauen lässt und akustisch sowie visuell Privatsphäre bietet. Im zeitgemäßen Büro dürfen auch Pflanzen nicht fehlen. Sie finden in skulpturalen Regalen von Herstellern wie Pedrali oder Cascando, die ebenfalls zur Abschirmung genutzt werden können, ihren Platz.
Komfortabel und kommunikativ
Zu Beginn der Pandemie war das Homeoffice eher eine Notlösung. Inzwischen schätzen viele Mitarbeitende die Vorzüge des Arbeitens im eigenen Zuhause. Es öffnet Türen in Sachen Flexibilität und ist komfortabel. Insbesondere auf die zeitraubende Pendelei zwischen Wohnort und Arbeitsplatz verzichtet man gern, auch aus Nachhaltigkeitsgründen. Interessanterweise lautet eine der Fragen, die hinter den aktuellen Konzepten der Möbelhersteller steckt, daher: Wie bekommt man Mitarbeiter*innen wieder ins Office? Auch hier kann der Wohlfühlaspekt die Antwort sein.
Einladend und recycelt
„Wir wollen Lieblingsstücke gestalten, die wir als Einladung zum Sitzen verstehen“, lautete das Motto beim Hersteller Wilkhahn, der seine Neuheiten im Qvest Hotel zeigte. Das Sitz- und Beimöbelprogramm Yonda Lounge etwa soll die Entspannung und gleichzeitig die Kommunikation am Arbeitsplatz fördern. Dazu bietet der Sessel eine besonders ergonomisch gestaltete Abstützung im unteren Rückenbereich und eine Flexibilität des Materials im oberen Teil der Rückenlehne, wodurch sich ein hoher Sitzkomfort mit Wohlfühlcharakter ergibt. Für Yonda sind nachhaltige Stoffbezüge aus natürlichem Re-wool – mit 45 Prozent Wollabfällen sowie nachwachsender Wolle – oder aus dem technischen Bezugsstoff Oceanic erhältlich, der zu 100 Prozent aus recyceltem Plastikmüll-Polyester hergestellt wird.
Hyggelig und modular
Man kommt nicht darum herum: In diesem Wellbeing-Stil fürs Office steckt eine große Portion Hygge. Ein Heimspiel für die skandinavischen Hersteller also. Das schwedische Unternehmen Johanson präsentierte mit Milo einen Loungesessel, der den Fokus ebenfalls auf einladenden Komfort setzt. Bei der Kollektion Charlie handelt es sich um verschiedene Polstermöbel, die sich gruppieren und an unterschiedlichste Szenarien anpassen lassen. Letzteres gilt auch für ein voluminös gepolstertes Sitzsystem von Blå Station. Bob 52 lässt sich aus einzelnen Modulen beliebig zu einem riesigen Sofa erweitern. Und trifft damit den Zeitgeist: Modulare Möbel spielen in den heutigen flexiblen Arbeitswelten eine wichtige Rolle.
Knallig und farbenprächtig
In all diesen Settings wird auch die Farbgestaltung komplexer. Klassisches Weiß und Graunuancen bekommen Nebenrollen. Die Stars sind reichhaltige, fein nuancierte Farbpaletten in gedämpften, warmen Naturtönen: Beige, Ockergelb, Naturgrün, Rosé oder Braun werden mit Akzentfarben wie knalligem Gelb, plakativem Rot, Blau, hellem Violettblau oder Grasgrün kombiniert.
Smart und unterstützend
Zu den Lösungen für die sich wandelnde Bürowelt gehören auch immer mehr smarte Möbel. Sedus stellte seine neue Zusammenarbeit mit Cisco im Bereich Smartworking vor. Die Verbindung Raum – Möbel – Technologie war hier ein Fokus, um zu zeigen, wie sich physisch oder virtuell anwesende Mitarbeiter*innen bestmöglich unterstützen lassen. Der Übergang zwischen dem Homeoffice und dem Büro soll fließender gelingen: So lässt sich mithilfe intelligenter Technologie die Belegung von Räumen oder einzelnen Arbeitsplätzen live tracken – bereits von zu Hause aus. Auch Raum- und Luftqualität können remote gemessen und modifiziert werden.
Kollaborativ und innovativ
Kooperationen bieten neue Möglichkeiten, den Wohlfühlcharakter in Arbeitswelten zu steigern. Das zeigen beispielsweise der Leuchtenhersteller Midgard und die Möbelmarke UnternehmenForm: Die flexibel schwenkbare Leuchte Ayno von Stefan Diez wurde an das Polstermöbel AddPad angedockt, um so für eine optimale Lichtatmosphäre in den Workstations zu sorgen. Ein anderes Zusammenspiel bieten die Lichtmanufaktur Buschfeld und der Hersteller Woopies: Hier fusionieren elegante digitale Lichtschienen mit farbigen, akustisch hochwirksamen Designelementen aus reiner Schafschurwolle, die sogar über luftreinigende Eigenschaften verfügen.
Bodenständig und nachhaltig
In einer Feel-good-Arbeitswelt sollte man gut geerdet sein. Ein hochwertiger Teppich gehört also dazu. Und im besten Fall ist dieser nachhaltig. nanimarquina launchte in Köln die neue Geschäftssparte nanimarquina contract und präsentierte mit Formula eine erste Kollektion nachhaltiger und strapazierfähiger Teppiche für den Objektbereich, die mit einer vielseitigen Auswahl von fünf Modellen, dreißig Farben und 250 Kombinationen aufwartet. Object Carpet zeigte mit Neoo seinen ersten komplett zirkulären Teppich aus Monomaterial, der leicht zu verlegen, leicht zu reinigen und nach jedem Nutzungszyklus komplett und in einem Stück recycelbar ist. 2023 soll außerdem ein neu entwickelter Rücknahmeservice für die Kollektion vorgestellt werden. Unter dem Motto „Let’s weave a green future“ stellte auch der Hersteller Ege aus Dänemark die neuen Eco-Kollektionen Ege CircleBack und Re-Form Shadowplay vor.
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