Der Stoff, aus dem die Träume sind
Camilla D. Fischbacher verwandelt Meeresplastik in Textilien
Partner: Fischbacher 1819
Camilla D. Fischbacher ist ganz in ihrem Element. Seit 14 Jahren entwickelt und entwirft die Kreativdirektorin des gleichnamigen Schweizer Textilverlags Dekorations- und Möbelstoffe sowie Teppiche aus recycelten Meeresplastik, PET-Flaschen und Alttextilien. Wie es dazu kam und was sie an dem Thema so fasziniert, hat sie uns im Gespräch erzählt.
Wir erreichen Camilla Fischbacher telefonisch in ihrem Haus in St. Gallen. Die Kreativdirektorin von Christian Fischbacher begleitet die Entwicklung der Benu Recycled Kollektion seit Beginn und hat sie entscheidend geprägt. Der Schweizer Textilverlag ist ein Pionier in der Herstellung von Dekorations- und Möbelstoffen sowie Teppichen aus recycelten Meeresplastik, PET-Flaschen und Stoffresten aus der Modeindustrie – lange bevor Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung in aller Munde war. Dabei geht es bei Christian Fischbacher vor allem darum, mit externen Partnern nachhaltige Materialinnovationen zu entwickeln, die wertvolle Rohstoffe wiederverwenden und CO2-Emissionen einsparen.
Pioniere
Camilla Fischbacher kam im Jahr 2008 erstmals mit dem Thema Stoffe und Recycling in Kontakt, als sie auf einer USA-Reise verschiedene Produzenten besuchte. „Am Ende der Präsentation holte einer der Produzenten einen Stoff heraus, von dem er eigentlich dachte, dass ich daran kein Interesse hätte“, erzählt Fischbacher. Das Gegenteil war der Fall, denn er zeigte ihr einen Stoff aus recycelten PET-Flaschen. „Ich fand ihn zwar unglaublich hässlich, aber die Idee dahinter war genial“, sagt die Designerin. Sie suchte einen weiteren Produzenten, der ebenfalls Stoffe aus recycelten Materialien anbot – in diesem Fall Textilreste aus der Fashionindustrie – und begann an den ersten Benu Recycled-Produkten zu arbeiten. Christian Fischbacher lancierte Vorhang- und Möbelstoffe, wobei die Auswahl der Qualitäten und Farben damals noch begrenzt und auch der Designprozess nicht ganz einfach war. Doch überzeugt von dem Konzept, blieb Camilla Fischbacher am Ball und entwickelte die Kollektion stetig weiter.
Vier Recycling-Kategorien
Die Benu Recycled Kollektion von Christian Fischbacher unterteilt sich in vier Recycling-Kategorien. Stoffe wie Benu Talent FR, Benu Cocoon FR und Benu Pure FR werden aus recyceltem PET / Polyester gefertigt. Dafür werden Post-Consumer-Plastikflaschen gesammelt, gereinigt, zermahlen, eingeschmolzen und anschließend zu einem hochwertigen Polyestergarn verwebt. Im Vergleich zur Produktion von herkömmlichem Polyester benötigt die Produktion von Benu Recycling-Polyester weniger Energie und Chemikalien und sie reduziert die Auswirkungen auf die globale Erwärmung um etwa 30 Prozent (laut Higgs Index). Stoffe der Kategorie Benu Yarn werden aus recycelten Textilabfällen hergestellt, darunter die Qualitäten Benu Remix und Benu Cotton. Da die verwendeten Abschnitte nach Farben sortiert werden, entfällt der ressourcen-intensive Prozess des Färbens.
Texilien aus der Benu Industry-Kollektion bestehen aus recycelten Garnresten, die bei der Herstellung von Trevira-Polyestergarn entstehen. Anstatt diese zu entsorgen, werden sie neu aufbereitet, recycelt und zu Trevira-Garn verarbeitet. Eine optimierte Materialnutzung und das Recycling von Pre-Consumer-Industrieresten sorgen für einen verantwortungsvollen Umgang mit wichtigen Ressourcen. So wird der ökologische Fußabdruck bereits bei der Produktion reduziert. Die vierte Recycling-Kategorie bei Christian Fischbacher ist Benu Sea, ein recyceltes Polyestergarn aus gesammelten Kunststoffabfällen aus dem Meer. Daraus werden Vorhangstoffe wie Benu Garden und Benu Net gefertigt, aber auch eine komplette Kollektion Benu Sea-Teppiche. Benu Sea leistet einen Beitrag zur Reinigung der Ozeane sowie zur Einsparung von Ressourcen.
Langer Atem
Mit der Zeit hat Christian Fischbacher immer raffiniertere Stoffe aus Meeresplastik, PET-Flaschen und Alttextilien lanciert. Dafür war das Unternehmen auch bereit, lange Durststrecken durchzustehen, wie man an der Entwicklung von Benu Talent FR sieht, einem wetterfesten und schwer entflammbaren Outdoor-Velours. Insgesamt dauerte es vier Jahre, bis der Stoff auf den Markt kam. „Der Produzent hatte mittendrin aufgegeben, weil die Herstellung so kompliziert war und die Investitionen sehr hoch“, erzählt Fischbacher. „Aber ich war sicher, dass es irgendwann doch noch klappen würde, auch wenn es ein gewisses Risiko gab.“ Nun, das Warten hat sich gelohnt, denn inzwischen ist der Outdoor-Dekorations- und Möbelstoff der bestverkaufte der gesamten Benu Recycled Kollektion. 70 Prozent der dafür verwendeten Garne werden aus gebrauchten PET-Flaschen gewonnen, wobei das Gewebe witterungsbeständig und lichtecht ist. Auch die Konsumenten würden nachhaltige Stoffe inzwischen zu schätzen wissen, insbesondere in den letzten zwei Jahren sei die Nachfrage gestiegen, so Fischbacher. Zuvor hatte der Schweizer Textilediteur jedes Jahr zwei bis drei neue Stoffe aus recycelten Materialien lanciert – unabhängig vom Verkaufserfolg. Zu wichtig erschien Camilla Fischbacher das Thema Nachhaltigkeit, als dass sie vorzeitig aufgegeben hätte.
Ganz vorn dabei
Und Camilla Fischbacher wäre nicht Camilla Fischbacher, würde sie die Kollektion nicht kontinuierlich weiterentwickeln – für den Privatbereich ebenso wie für das Objektgeschäft. „Ich will, dass wir ganz vorn dabei sind mit dem Recycling-Thema“, sagt sie. Und erzählt, dass sie mit BMW im Gespräch ist, das Konzept von Benu Sea – Vorhangstoffe und Teppiche aus Seaqual Yarn – für einige Flagship-Stores zu übernehmen. Außerdem hat Christian Fischbacher gerade die neue Frühjahrskollektion Seeking Beauty – Inspired by Nature lanciert, zu der auch drei verschiedene Benu-Qualitäten gehören. Während Benu Rustico FR aus recycelten PET-Flaschen hergestellt wird und sich durch das schwer entflammbare Gewebe auch für den Objektbereich eignet, ist Benu Powder FR ein halbtransparenter Vorhang, der aus recyceltem Trevira-Garn (Benu Industry) gewebt wird. Dazu gesellt sich mit Benu Chalk FR ein weiches Gewebe aus recyceltem Polyester, das aus einer feinen Kette und flottierenden Schussgarnen besteht. „Die Stoffe fühlen sich an wie Wolle, gar nicht mehr wie recycelte Materialien“, freut sich die Kreativdirektorin. Man darf gespannt sein, was Camilla Fischbacher als nächstes vorhat mit der Benu Recycled Kollektion. Ihr geheimes Ziel hat sie uns schon mal verraten: Sie träumt davon, dass es irgendwann nur noch recycelte Stoffe geben wird und die Kreislaufwirtschaft funktioniert.