Design March 2017: Was passiert in Reykjavík?
Zu Besuch beim sympathischen Indie-Designfestival in Island
Design ist nicht gleich Design. Zum diesjährigen Design March hat die isländische Metropole aufgerüstet: mit Talks, Ausstellungen und Veranstaltungen. Wir sind also mit weniger Produkten, dafür aber mit jeder Menge neuer Erkenntnisse aus Reykjavík zurückgekommen.
Nicht in allem, auf dem Design steht, ist auch Design enthalten. Das war letzte Woche in Reykjavík zu sehen. Auch in der isländischen Hauptstadt gibt es eine Design Week, hier Design March genannt. Doch im Unterschied zu ähnlichen Veranstaltungen in Stockholm oder Paris ist der Design March nicht sehr international, schon gar nicht kommerziell ausgelegt und wirkt dadurch unkompliziert, fast lässig. Im Fokus der Veranstaltung stehen vor allem isländisches Design und Handwerk aus den Disziplinen Produktdesign, Grafikdesign, Schmuck und Mode.
Insellage
Isländische Gestalter führen in der auf das europäische Festland zentrierten Designwelt ein regelrechtes Schattendasein – wenn man einmal von Designern wie Sigga Heimis absieht, die unter anderem unzählige Produkte für Ikea entworfen hat und Art Director bei Fritz Hansen war. Oder auch Gudmundur Ludvik Gretarsson. Der isländische Designer zählt Hersteller wie Arco, Fredericia und Caneline zu seinen Kunden. Das ist ein ernsthaftes Problem, so dass auf Island kaum ein Designer von seinem Beruf leben kann – selbst, wenn er an den renommierten Designschmieden in Kopenhagen, Stockholm oder London studiert hat. Zu abgeschieden liegt das Land, zu weit weg von den wichtigen europäischen (Möbel-) Herstellern. Und Island selbst ist mit seinen rund 330.000 Einwohnern zu klein, als dass es dort große Hersteller und damit Auftraggeber geben könnte.
Island forever
Bei dieser diffizilen Ausgangslage verwundert es nicht, dass der Design March eher ein Meet & Greet der lokalen Designszene ist als ein Ort, um Geschäfte zu machen. Das bestätigt auch Erla Sólveig Óskarsdóttir, als wir sie in ihrem Showroom treffen. Die Designerin hat vor kurzem im Zentrum der Stadt ein Haus gekauft und umgebaut: mit Fußböden und Wänden aus Beton, schmaler Wendeltreppe und ihren Möbeln als Ausstellungsstücken. „Es ist schwer, als Designer in Island zu überleben“, seufzt sie. Bei ihr funktioniert es trotzdem, denn sie hat sieben Jahre in Kopenhagen gelebt und ihre Kontakte in die Möbelindustrie auf die Insel mitgenommen. Warum es so viele isländische Designer nach Jahren im Ausland wieder in die Heimat zieht – trotz des Risikos, hier als Gestalter zu scheitern oder zusätzlich Zweit- und Drittjobs annehmen zu müssen – erklärt sie mit der traditionell engen Familienbezogenheit der Isländer. Den Design March sieht Erla Sólveig Óskarsdóttir kritisch. Sie würde sich eine kommerzielle Ausrichtung der Veranstaltung wünschen, um beispielsweise Kontakte zu potentiellen Auftraggebern zu knüpfen.
Naturliebe
Design March – das sind Ausstellungen, Events und Talks, die vier Tage lang quer über Reykjavik verteilt stattfinden: in Museen, in zu Ausstellungshallen konvertierten Hafenanlagen, Shops und Restaurants. Viele Arbeiten isländischer Designer sind stark von der rauen Natur der Insel geprägt, den Vulkankegeln, den unendlichen Lavafeldern, den Geysiren, den Gletschern, den Wasserfällen – der unendlichen Schroffheit, Einsamkeit und Kälte. Deshalb waren auf dem Design March zu sehen: Kerzen in Gletscherform des isländisch-deutschen Designbüros Studio Brynjar & Veronika, Silberringe mit Lavasteinen des Schmuckstudios Erling Helga Ósk und eine exklusiv für die Blue Lagoon – einem fünfzig Kilometer von Reykjavík entfernten Wellnesscenter mit Lavaschwimmbecken und heißen Quellen – hergestellte Schmuckkollektion von Raus Reykjavík. Und natürlich gibt es viele isländische Designer, die mit einheimischer Schafwolle arbeiten. Auch das hat Tradition, bekommen doch schon Babys zur Geburt lauter schöne und wärmende Stricksets geschenkt, wie eine Mutter im Café erzählte. Und so zeigte Ragnheiður Ösp Sigurðardóttir grafisch gemusterte Plaids in Pastellfarben, die Textildesignerin Astrid Skibsted hatte Landkarten von Island in abstrakte, sehr dekorative Gemälde aus Wollfäden übertragen und die Modedesignerin Hildur Yeoman für das Label 66° North eine von der Natur inspirierte, extravagante, aber tragbare Kollektion von Mützen, Schals und Pullis entworfen.
Indie-Charme
Bis auf wenige Ausnahmen, zu denen die Ausstellungen Icelandic Furniture and Design und Case Studies – Product Design into the 21st Century gehörten, waren die Veranstaltungen der diesjährigen Ausgabe des Design March mitunter sehr kleinteilig angelegt oder als Teil einer kommerziellen Verkaufspräsentation in Läden kaum von den übrigen Waren darin zu unterscheiden. In der Masse der Möglichkeiten fiel eine Orientierung schwer und der Überblick ging manches Mal ganz verloren. Auch wenn der durchaus charmante Indie-Touch des Festivals verloren ginge: Das isländische Design sollte sich besser vermarkten, internationaler werden, weniger im Klein-klein verharren. Die isländischen Gestalter würden es dem Design March sicher danken.