Design Miami Basel 2015: Architekt(uhren)
Architekturen, Spielzeuge und Uhren: Der Markt ist hungrig und die Messe Design Miami Basel verleibt sich alles ein.

Anlässlich ihres zehnjährigen Bestehens hat die Messe Design Miami Basel ihr Spektrum erweitert. Der Schwerpunkt lag nicht nur auf mobilen Architekturen und raumspezifischen Installationen. Auch seltene Uhren und Stoffspielzeuge waren auf der weltgrößten Bühne für Designraritäten 2015 zu sehen.
Als die Messe Design Miami Basel vor zehn Jahren in der Baseler Elisabethenkirche debütierte, wurde sie noch als flüchtiges Phänomen belächelt. Seitdem hat sich viel verändert. Die Preise von Vintage-Klassikern sind in die Höhe geschossen, sie erzielen heute spielend sechs- bis siebenstellige Beträge. Aus der Nische ist ein verlässlicher Markt geworden, der mit der Messehalle 1 als Schauplatz auch räumlich an die Art Basel herangerückt ist. Dass die Schau mit immer neuen Leckerbissen aus der Historie des Designs gefüttert werden will, sorgt für eine Vermischung der Disziplinen.
Uhren und Architekturen
Lag der Fokus in den Anfangsjahren auf Möbeln, Leuchten und dekorativen Objekten, sind später mobile Architekturen hinzugekommen. Unter der Leitung von Messechef Rodman Primack wurde die Skala nun in die umgekehrte Richtung verschoben. Während Schmuckgalerien an Präsenz gewannen, debütierten zudem zwei Uhren-Spezialisten mit ihren tickenden Preziosen. So zeigte der luxemburgische Händler Le Collection'Heure die berühmte Heuer Monaco, die Steve McQueen im Film Le Mans trug. Auch eine Patek Philippe ist zu erwerben, die sich Andy Warhol in den frühen achtziger Jahren gekauft und noch zu Lebzeiten wieder abgegeben hatte. Letztere wurde für 400.000 Euro angeboten – inklusive sämtlicher Quittungen und Zertifikate, die die prominente Vorgeschichte der Uhr bestätigen.
Auf die Zugkraft großer Namen setzte auch die Sonderschau Design at Large im 2000 Quadratmeter großen Erdgeschoss der Messehalle 1, die vom amerikanischen Hotelier André Balazs kuratiert wurde. Während das PTH-02 Paper Tea House von Shigeru Ban (Galerie Nilufar, Mailand) auf kontemplative Ruhe setzt, wirkt Joep van Lieshouts The Original Dwelling (Carpenters Workshop Gallery, London) wie eine Mischung aus Steinzeithöhle und Ozeandampfer, bei der Wände, Decken und Möbel nahtlos ineinander übergehen. Auffallend leicht und filigran erscheint eine gläserne Tankstelle aus vorfabrizierten Modulen, die Jean Prouvé 1969 für den Mineralölkonzern Total entworfen hatte und die heute von der Galerie Patrick Seguin angeboten wird.
Zeitlicher Schulterschluss
Im Obergeschoss präsentierte der Pariser Galerist ein zweites Prouvé-Gebäude, das bereits 2011 in Basel zu sehen gewesen war. Konnten die Besucher damals miterleben, wie das Haus 6x6 binnen eines Tages auf- und wieder abgebaut wird, stand nun die räumliche Erweiterung im Fokus. Nach Plänen von Richard Rogers wurden eine vollausgerüstete Küche, ein Badezimmer samt Toilette sowie ein riesiger Wassertank an das auf Stelzen gehobene Gebäude angedockt. Auf Rädern gelagerte Solarzellen verwandeln den Bau in ein autarkes Feriendomizil, das der Galerist nicht verkaufen, sondern mit seiner Familie selbst nutzen möchte. Die Botschaft dieses zeitlichen Schulterschlusses zweier Konstruktivisten: „Die Adaption von Richard Rogers, die als perfektes Ferienhaus konzipiert wurde, könnte als Inspirationsmodell für künftige transportable und demontierbare Unterkünfte im Sinne Prouvés dienen“, erklärt Patrick Seguin.
Räumliche Verschiebungen
Die enge Verflechtung von Raum und Objekt war unterdessen auch an anderen Ständen spürbar. So zeigte die Mailänder Galeristin Rossella Colombari ein stalaktitenartiges Bronzeobjekt, das der Bildhauer Arnaldo Pomodoro in den fünfziger Jahren für die Wendeltreppe einer Mailänder Wohnung anfertigt hatte. Eine Rarität hatte auch die Moderne Gallery aus Philadelphia im Gepäck. Die von Harry Bertoia aus Stahl und Messing gefertigten Sculpture Screens waren 1959 von Florence Knoll für die Lobby der First National Bank of Miami in Auftrag gegeben worden und wurden nun für 300.000 US-Dollar das Stück angeboten. Von raumgreifender Wirkung zeigt sich auch ein großer, geschwungener Glastisch anonymer Herkunft, der einst die Lobby eines Pariser Bürogebäudes schmückte und nun vom Pariser Galeristen Jacques Lacoste angeboten wird.
Auf Entdeckungsreise führte die New Yorker Galerie Patrick Parrish mit einer Soloausstellung über die Arbeiten der Wiener Manufaktur Carl Auböck aus den Jahren 1926 bis 1957. Die Werkstätte war bereits im 19. Jahrhundert im siebten Wiener Bezirk gegründet worden. Doch erst mit dem Generationenwechsel 1926 entwickelte Auböck eine eigenständige und aus heutiger Sicht höchst zeitgemäße Designsprache, die auf Werkzeuge, Büroutensilien, Kleinmöbel und Objekte angewandt wurde. Vor allem handliche Objekte wie ein keilförmiger Brieföffner (1800 Euro), der einen klaren, geometrischen Schaft aus Messing mit hochwertigem Leder kombiniert. An anderer Stelle treffen Baumstümpfe auf filigrane Metallfüße und lassen Archaik und Modernität eins werden.
Material-Fetisch
Einen geradezu fetischhaftigen Umgang mit Material wählte Max Lamb für seine Kollektion Marmoreal, Bathroom, Furniture für Dzek. Sie gehörte zu den wenigen Entwürfen zeitgenössischer Designer, die auf dieser Messe zu sehen waren. Die Wannen, Waschbecken, Regale und Hocker werden aus einem künstlichen Marmor gefertigt, den Lamb eigens für das Unternehmen entwickelt hat und der nun in einer neuen, schwarzgetränkten Farbigkeit vorgestellt wurde. Auf die reine Materialität von Holz setzte die Londoner Galeristin Sarah Myerscough mit Vasen von Ernst Gamperl, Schränken von Peter Marigold oder einem Wandrelief von Wycliffe Stutchbury aus tausenden, handgeschnittenen Furnierstreifen. Doch so sehr bei diesen Arbeiten die Wohlfühlkarte gespielt wurde: In der Gunst der Besucher lagen animalische Entwürfe ganz vorne.
Animalische Ausflüge
Seit Mitte der sechziger Jahre entwirft die ostdeutsche Gestalterin Renate Müller hochwertige Stofftiere, die zu DDR-Zeiten ausschließlich an Kindergärten und therapeutische Einrichtungen geliefert wurden. Seit ihre Arbeiten 2012 in einer Ausstellung des MoMA gezeigt worden waren, hat sich die heute 70-jährige eine eigene Fangemeinde in Übersee erschlossen. Bis zu 10.000 Euro kosten die Tiere bei der New Yorker Galerie R & Company, denn ihr Wert nimmt getreu den Vintage-Regeln mit Alter und Seltenheit zu.
Es ist gut, dass die Messe solche Ausflüge zulässt und den Designbegriff in seiner Ganzheit erfasst. Die nicht endende Sogkraft des Vintage hat jedoch dazu geführt, dass Arbeiten zeitgenössischer Designer in den Hintergrund treten und der Eindruck des Musealen überwiegt. Uhren neben Architekturen zu präsentieren, mag eine Lösung sein. Doch dafür rutscht die Messe nur knapp am Eindruck eines bunten Gemischtwarenladens vorbei.
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