Stories

Die Teppichweber von Cogolin

Ein Besuch an der Côte d'Azur

von Claudia Simone Hoff, 14.01.2019

Der handgefertigte Teppich erlebt eine Renaissance, doch nur selten wird er in Europa hergestellt. Eine Ausnahme ist die Manufaktur Cogolin. Wir sind nach Südfrankreich gefahren und haben uns angeschaut, wie dort auf hölzernen Jacquard-Handwebstühlen aus dem 19. Jahrhundert ein Teppich entsteht.

Ein Teppich ist ein Teppich ist ein Teppich? Mitnichten, wie die Wiederkehr des handgemachten Teppichs zeigt. Doch während Labels wie Reuber Henning, Jan Kath oder Nanimarquina lediglich für das Design sorgen und ihre Teppiche in Indien, Nepal oder Pakistan fertigen lassen, gibt es in Europa noch kleine Manufakturen, bei denen alles aus einer Hand kommt: Entwurf und Fertigung. Solch ein Beispiel ist La Manufacture Cogolin – eine Teppichhandweberei an der Côte d’Azur.

In letzter Minute
Dass die Manufaktur heute noch Teppiche produziert, grenzt an ein kleines Wunder, denn vor neun Jahren sah es so aus, als hätte das 1924 gegründete Unternehmen kaum noch eine Chance, im hart umkämpften Markt zu überleben. Fünf Mitarbeiter versuchten, die Produktion aufrecht zu erhalten. 2010 kam dann die Rettung aus Hongkong: Das Teppichunternehmen House of Tai Ping – im Besitz der Peninsula-Hotel-Eigentümerfamilie – erwarb den maroden Betrieb, sanierte die Gebäude, stellte zusätzliche Handwerker ein und eröffnete Showrooms in Paris und Cogolin. Auch beim Design, das Tai-Ping-Kreativdirektor Jean-Pierre Tortil verantwortet, tut sich was: Historische Dessins, die in übergroßen Musterbüchern auf dem Dachboden des Manufakturgebäudes in Cogolin schlummern, werden wiederaufgelegt wie die Kollektion Idylle von Christian Bérard aus den Dreißigerjahren. Dazu gesellen sich zeitgenössische Entwürfe von Designern wie India Mahdavi und Jason Miller.

19. Jahrhundert reloaded
Cogolin ist ein idyllischer kleiner Ort in der Nähe von Saint-Tropez. In einer schmalen Straße hinter unscheinbaren Mauern verbirgt sich die Manufaktur. Im vorderen Teil des Gebäudes hat Jean-Pierre Tortil einen Showroom eingerichtet, in dem die Teppichmuster in kunstvollen, von ihm entworfenen Metallständern aufbewahrt und herausgenommen werden können. Über einen kleinen Hof gelangt man in die Weberei mit den hölzernen Jacquard-Handwebstühlen aus dem 19. Jahrhundert. An diesem warmen Herbsttag ist es ziemlich heiß hier drinnen.
Die Weberinnen scheinen davon unbeeindruckt, obwohl ihre Arbeit ziemlich anstrengend ist. Sie erfordert Konzentration, aber auch körperlichen Einsatz. Für die schwere Arbeit sei nicht jeder geeignet, man müsse gewisse körperliche Voraussetzungen mitbringen, erzählt Sarah Henry, als sie uns durch die Produktion führt. Die Direktorin der Manufaktur pendelt zwischen Cogolin und Paris, wo sich das europäische Hauptquartier von Tai Ping befindet. Bei Cogolin wird übrigens ausschließlich auf Bestellung gearbeitet. Der Kunde kann also selbst über Größe, Farben und Muster entscheiden – ob der Teppich ein Einzelstück sein oder gar von Wand zu Wand verlegt werden soll. Sind die Bahnen fertig gewebt, werden sie auf die gewünschte Größe gebracht und zusammengenäht.

Je ne sais pas quoi
Dass die traditionellen Techniken gestalterisch immer wieder neu gedacht werden können, beweist India Mahdavi mit ihrem Entwurf Jardin, der extrem erfolgreich ist. Während die 70 Zentimeter breiten Teppichbahnen bei Cogolin normalerweise aus einem einzigen Muster bestehen, entwarf sie verschiedene Dessins, die ihre Wirkung sowohl einzeln als auch aneinandergesetzt entfalten. Die Teppiche der Manufaktur gibt es in verschiedenen Florhöhen sowie in unzähligen Mustern und Farben. Allen gemein jedoch ist ihre handwerkliche und dekorative Qualität. Immer mit dabei: ein gewisses Je ne sais pas quoi.

Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

La Manufacture Cogolin

www.manufacturecogolin.com

Oh Orient!

Hintergründe zum Teppich-Business

www.dear-magazin.de

Mehr Stories

Spektrum der Ruhe

Wie nachhaltig sind farbige Möbel?

Wie nachhaltig sind farbige Möbel?

Rauchzeichen aus dem Abfluss?

Wie Entwässerungstechnik zur Sicherheitslücke beim Brandschutz werden kann

Wie Entwässerungstechnik zur Sicherheitslücke beim Brandschutz werden kann

Design als kulturelles Gedächtnis

Ausstellung Romantic Brutalism über polnisches Design in Mailand

Ausstellung Romantic Brutalism über polnisches Design in Mailand

Alles Theater

Dramatische Inszenierungen auf der Milan Design Week 2025

Dramatische Inszenierungen auf der Milan Design Week 2025

Zurück zur Kultiviertheit

Neues vom Salone del Mobile 2025 in Mailand

Neues vom Salone del Mobile 2025 in Mailand

Dialog der Ikonen

Signature-Kollektion JS . THONET von Jil Sander für Thonet

Signature-Kollektion JS . THONET von Jil Sander für Thonet

Leben im Denkmal

Ausstellung Duett der Moderne im Berliner Mitte Museum

Ausstellung Duett der Moderne im Berliner Mitte Museum

Mission Nachhaltigkeit

Stille Materialrevolutionen bei Vitra

Stille Materialrevolutionen bei Vitra

Zwischen Zeitenwende und Tradition

Unsere Highlights der Munich Design Days und des Münchner Stoff Frühlings

Unsere Highlights der Munich Design Days und des Münchner Stoff Frühlings

Spiel der Gegensätze

Best-of Outdoor 2025

Best-of Outdoor 2025

Outdoor mit System

Clevere Lösungen für Außenbereiche von Schlüter-Systems

Clevere Lösungen für Außenbereiche von Schlüter-Systems

ITALIENISCHE HANDWERKSKUNST

Mit Möbeln, Leuchten und Textilien gestaltet SICIS ganzheitliche Wohnwelten

Mit Möbeln, Leuchten und Textilien gestaltet SICIS ganzheitliche Wohnwelten

Glas im Großformat

Das Material Vetrite von SICIS bringt Vielfalt ins Interior

Das Material Vetrite von SICIS bringt Vielfalt ins Interior

Surrealistische Vielfalt in Paris

Highlights von der Maison & Objet 2025

Highlights von der Maison & Objet 2025

Aus der Linie wird ein Kreis

Reparatur und Wiederverwertung in der Möbelindustrie

Reparatur und Wiederverwertung in der Möbelindustrie

NACHHALTIGKEIT TRIFFT DESIGN

GREENTERIOR by BauNetz id auf dem Klimafestival 2025

GREENTERIOR by BauNetz id auf dem Klimafestival 2025

Flora und Fauna

Neues von der Design Miami 2024 und Alcova Miami

Neues von der Design Miami 2024 und Alcova Miami

Vom Eckkonflikt zum Lieblingsraum

Geschichte und Gegenwart des Berliner Zimmers in fünf Beispielen

Geschichte und Gegenwart des Berliner Zimmers in fünf Beispielen

Möbel als Kulturgut zelebrieren

COR feiert seinen 70. Geburtstag

COR feiert seinen 70. Geburtstag

Nachhaltig Platz nehmen

Vestre produziert die Sitzbank Tellus aus fossilfreiem Stahl

Vestre produziert die Sitzbank Tellus aus fossilfreiem Stahl

Historische Moderne

Best of Interior 2024 geht an das Studio AADA

Best of Interior 2024 geht an das Studio AADA

Design nach Wunsch

Zum individuellen Türgriff mit dem Online-Konfigurator von Karcher Design

Zum individuellen Türgriff mit dem Online-Konfigurator von Karcher Design

Rendezvous mit Prouvé

Die Highlights der Design Miami Paris 2024

Die Highlights der Design Miami Paris 2024

Begehbare Kunstwerke, Teil 2

Weitere Gestalter*innen teilen ihre spannendsten Bodengeschichten mit uns

Weitere Gestalter*innen teilen ihre spannendsten Bodengeschichten mit uns

Westfälische Werte

Sitzmöbel von KFF aus Lemgo erobern die Welt

Sitzmöbel von KFF aus Lemgo erobern die Welt

Ikone der Moderne

Film über Eileen Grays Villa E.1027 an der Côte d’Azur

Film über Eileen Grays Villa E.1027 an der Côte d’Azur

Fugenlos glücklich

Innovatives Profilsystem von Schlüter-Systems für Keramik- und Natursteinböden

Innovatives Profilsystem von Schlüter-Systems für Keramik- und Natursteinböden

Aus der Fläche in den Raum

Neues von der Fliesenmesse Cersaie 2024

Neues von der Fliesenmesse Cersaie 2024

Ein Faible für das Falsche?

Unterschätzte Scheußlichkeiten #1: Die Imitatfliese

Unterschätzte Scheußlichkeiten #1: Die Imitatfliese

Best-of Böden

Zehn innovative Fußbodenbeläge

Zehn innovative Fußbodenbeläge