Fucina: Minimalismus aus Metall
Dieses Label ist Heavy Metal! Dabei sehen die Möbel von Maddalena Casadei, Pauline Deltour, Jun Yasumoto, Sam Hecht und Kim Colin ganz leicht aus.
Als Experten in der Metallverarbeitung dreht sich bei Fucina Design alles um Möbel aus polierten oder legierten Werkstoffen wie Stahl. Zur Premiere in Mailand stellen vier internationale Designstudios ihre Entwürfe vor.
Es gibt ein Phänomen im Design, bei dem sich alles stets aufs Neue wiederholt – frei nach dem Prinzip der Stillen Post. Wie langweilig das werden kann, lässt sich jedes Jahr in den Kölner und Mailänder Messehallen beobachten. Das junge Label Fucina Design entwickelt dagegen seinen eigenen Weg und platziert sich in einer interessanten Nische: Bei den Experten in der Metallverarbeitung geht es ausschließlich um Möbel aus Stahl, Kupfer und Edelmetallen. Daher der Name: Fucina bedeutet übersetzt nichts anderes als Schmiede.
Leichtigkeit der Elemente
Das Unternehmen ist ein kreativer Ableger von dem kompetenten Traditionshersteller und Handwerksbetrieb Lidi Architettura in Metallo aus der lombardischen Gemeinde Desio, die damit ein Experiment wagen, Möbel ohne sichtbare Verbindungen oder Schweißnähte zu produzieren. Schlank und leicht sollen die einzelnen Stücke wirken, um sich explizit von der für Metallmöbel üblichen, schweren und industriellen Erscheinung zu distanzieren. Doch bleibt es Heavy Metal, auch wenn alles ganz leicht aussieht.
Eine Kollektion, vier Designer
Die Köpfe dahinter sind jung, erfolgreich und vor allem: international. Chiara Alessi spricht von einer „Second Generation“, die Designkritikerin hat das Begleitwort zur ersten Kollektion geschrieben. Für die erste Kollektion konnten Pauline Deltour aus Paris, der japanische Designer Jun Yasumoto, das Londoner Studio Industrial Facility von Sam Hecht und Kim Colin und die italienische Architektin Maddalena Casadei gewonnen werden, die zugleich die Artdirektorin bei Fucina ist. Das Ergebnis ihrer Arbeit für Fucina wurde auf der Design Week 2018 in Mailand präsentiert, nicht auf der Messe, sondern in einem kleinen Souterrain-Showroom in Brera. Mit Digest Collection betitelt Kreativdirektorin Maddalena Casadei die Entwürfe, deren Formen und Oberflächen in Champagner, Rosé oder spiegelverchromt einen gekonnten Minimalismus feiern.
Industrial Facility: Piatto
Sam Hecht und Kim Colin haben mit ihrem Londoner Studio Industrial Facility eine Tischfamilie aus massivem Stahl entwickelt, die mit einfachen Geometrien arbeitet und durch verspiegelten, weil hochpolierten Flächen, eine optische Täuschung erzeugt. Piatto vereint die Möglichkeiten der Metallverarbeitung in einem Objekt und spielt mit dem Kontrast zwischen Leichtigkeit und Schwere. Die vertikalen Spiegelelemente lassen die Tischplatten je nach Perspektive schweben – dieses perfekte Finishing erreiche man nur mit der Expertise, wie sie die Mitarbeiter von Fucina haben, meinen die beiden Designer.
Pauline Deltour: 356
Wo will man die Schranktür anfassen, wenn es keinen Griff gibt? Pauline Deltour entwickelt eine naheliegende Lösung aus der Tür selbst und lässt die obere und untere Kante ihrer Sideboards einfach jeweils leicht geschwungen überstehen. Ihre Kollektion 356, zu der auch ein Nachttisch gehört, sei von der Linienführung im Karosseriedesign inspiriert, und in der Tat erinnert ihr Schrank an die glänzende Autotür eines Oldtimers. Bei so viel Eleganz und zeitlosem Schwung vergisst man kurz, dass die Sideboards keine leichte Karosserie, sondern ein massiver Solitär sind. Die Details zeigen Präzision und Perfektion der Pariser Designerin.
Jun Yasumoto: Piani
Der japanische Designer Jun Yasumoto, der sein Studio wie Pauline Deltour ebenfalls in Paris hat, ließ die polierten Stahloberflächen seiner Regalserie Piani auf absoluten Hochglanz bringen. Er war bei seinen Fucina-Objekten auf der Suche nach einer Balance zwischen Gewicht und den Eigenschaften von Stahl. „Die Idee war, etwas zu produzieren, das man nur mit Stahl erreichen kann und das ein gewisses Paradoxon transportiert“, erläutert der 41-Jährige. Bevor Jun Yasomoto 2002 sein eigenes Studio gründete, hatte er in der Pariser Dependance von Jasper Morrison gearbeitet, was sich in seinem Werk immer auch ablesen lässt. Sein Entwurf Piani konfrontiert die physische Schwere des Materials mit seiner visuellen Leichtigkeit.
Maddalena Casadei: Tavolotto
Als die junge, italienische Architektin Maddalena Casadei im Juni 2017, nachdem sie drei Jahre lang das Studio Irvine geleitet hatte, mit der Artdirektion der neuen Marke Fucina beauftragt wurde, faszinierte sie besonders die Expertise und Handwerkskunst der Mutter-Manufaktur Lidi. Wie Sam Hecht und Kim Colin hat sich auch Casadei dem Thema Tisch gewidmet und zeigt mit der leicht verspielten Serie Tavolotto das kunstvolle Spektrum der Metallverarbeitung. Tavolotto bringt den gewünschten Materialkontrast auf den Punkt. Alle drei Tische wirken wie aus einem Guss, dabei sind sie aus verschiedenen Elementen in Perfektion zusammengeschweißt. Die Stücke aus der Digest Collection lesen sich als Experiment an der Grenze zwischen Kunst, Design und Technik – die minimale Formensprache dürfte nicht nur Architekten gefallen.
FOTOGRAFIE Miro Zagnoli
Miro Zagnoli