imm cologne 2015: Die Neuen
Auf der Messe trafen wir fünf spannende Neulinge, denen wir uns etwas genauer widmen möchten.

Neu war auf der imm cologne so manches. Eine besondere Erwähnung hat an dieser Stelle verdient, wer tatsächlich das erste Mal dabei gewesen ist. Vielversprechend waren zur diesjährigen Kölner Möbelmesse besonders fünf junge Designunternehmen, die dank ihrer ansprechenden gestalterischen sowie qualitativen Eigenschaften wohl auch in Zukunft auf dem Einrichtungsmarkt anzutreffen sein werden.
Will ein Neuling in den Kreis einer eingeschworenen Gemeinschaft, gibt es drei mögliche Reaktionen auf sein „Eindringen“. In Situation A wird ihm freundliche Neugierde entgegengebracht. Der Neue wird umringt und bewundert, seine Geschichten sind nicht nur unterhaltsam, sondern eine Abwechslung zum eigenen Fundus. Situation B hingegen ist gezeichnet von anfänglichem Übersehen, darauf folgender Skepsis und wohlwollender Anerkennung seiner Art, bis hin zur Nachahmung bestimmter Attribute. Trauriger, weil etwas seelenlos ist Situation C, in der dem Neuen mit Gleichgültigkeit, im seltenen Fall gar mit Ablehnung begegnet wird.
Die Spreu vom Weizen getrennt
Auf der diesjährigen imm cologne waren all diese Situationen zu beobachten. Es mag einerseits an besonders beeindruckenden Neuerscheinungen und gelungenen Überraschungen liegen, zum anderen an der schieren Masse an Ausstellern, von denen ein bestimmter Anteil, gemessen an qualitativen Aspekten, ganz einfach deutlich unterhalb der Beachtungsgrenze landen muss. Halle 3.1 und weitere sind demnach Kandidaten für Kategorie C und einzig aus Sensationslust einen Spaziergang wert.
Neues Handwerk
Konzentrieren wir uns also auf die hinsichtlich ihrer Designrelevanz wichtigen Hallen 2, 10 und 11 und wagen einen Blick auf ein paar Stände brandneuer Hersteller. Gleich strahlt einem da die irisierende Seifenblasenleuchte Iris von Sebastian Scherer entgegen, der hier seine Debütkollektion unter dem neuen Label NEO/CRAFT zeigte. Für ihren schillernden Effekt sorgt eine vom Spezialisten perfektionierte und von innen auf die mundgeblasene Glaskugel aufgetragene, dichroitische Beschichtung: Das sind Interferenzschichten, die eine Art Regenbogeneffekt erzeugen. Als Leuchtmittel dient ein von Philips entwickeltes OLED-Modul. Erhältlich ist Iris ab Mitte des Jahres in drei verschiedenen Größen, zu einem stattlichen Preis von knapp unter dreitausend Euro.
Das ist ein selbstbewusster Sprung nach vorne, denkt man an das vergangene Jahr, als der Berliner Designer noch auf wenigen Quadratmetern ausstellte. Zu dem bereits vorgestellten Glastisch Isom, der Pendelleuchte Diamond und dem Tischgestell Steel Stand hat Sebastian Scherer eine ganze Reihe neuer Produkte inszeniert. Das Tischgestell hat er um die passende Tischplatte (Steel Stand Table) ergänzt. Darüber hinaus präsentiert das Label die Serie Loop, bestehend aus Stuhl, Tisch und Garderobe sowie eine hexagonale Matte aus umweltfreundlichem Gummi namens Rubber Mat, die in zwei Größen etwa als Esstischunterlage oder Glasuntersetzer dient.
Unweit entfernt davon trifft man auf eine weitere Messeüberraschung, die allerdings auf einem anderen Geschäftsmodell beruht: Hem heißt die Plattform mit Onlineshop, ein paar wenigen Showrooms und Hauptquartier in Berlin, die auf Möbelstücke für das „Heim“ ausgerichtet ist. Kreiert wurde die Marke von Fab, das als krisengebeuteltes Startup nun den Weg der Eigenproduktion versucht. Dazu übernahm das Unternehmen im vergangenen Jahr die finnischen Möbeldesigner One Nordic und bereits 2013 den Hamburger Luxusmöbelhersteller MassivKonzept.
Zur Kollektion zählen konfigurierbare Einbauregale, die zuvor bereits durch das Label Fab Designed by You bekannt waren sowie eine Reihe von zeitgemäßen, jungen Einrichtungsmöbeln wie Stühlen, Tischen, Sofas, Leuchten und Accessoires. Allen gemeinsam sind ein geringes Packmaß und ein extrem einfaches Montagekonzept, das oft nur auf Stecksystem oder Schrauben basiert, für die es allenfalls einer Münze zum Fixieren bedarf. Das ist praktisch für eine junge Käuferschaft, die nun selbst bei Möbeln vermehrt auf den Onlineeinkauf setzt. In Punkto Nachhaltigkeit scheint die recht gefällige Kollektion jedoch etwas kurz gefasst. Es bleibt das Gefühl, dass das Unternehmen mehr auf Masse denn auf Langlebigkeit ausgerichtet ist.
Fünfeck und Streifenmöbel
Neu aus Japan tritt erstmals der Möbelhersteller Matsuso T auf die Messebühne. Mit den Serien Nadia des japanischen Designers Jin Kuramoto und Five – einer mit ihren abgerundeten Fünfecken markanten Kollektion des schwedischen Designbüros Claesson Koivisto Rune – hat das Unternehmen bereits im vergangenen Jahr kleine Wellen geschlagen. Zur Messe in Köln fügt das Unternehmen seinem Sortiment eine Serie gestreifter Stühle, Beistelltische und Regale aus Walnuss- und Ahornholz (Wafer), einen Tisch und Stuhl der Serie Sally sowie ein Regal namens Molly hinzu. Der erfrischende Look aus kräftigem Rot und eben jenen Streifen macht den Hersteller zum auffälligen Hingucker im Messeallerlei.
Frisches Design liefert auch das dänische Label Woud, das in seiner Materialität – der Name deutet es an – vorwiegend auf Holz setzt. Die Kollektion zur Messepremiere ist ein Komplettprogramm für das gesamte Wohnzimmer. Die Gestaltung stammt von elf jungen Designern aus Dänemark, Finnland und Schweden, immer mit dem Ziel vor Augen, Produkte von hoher Lebensdauer zu kreieren, bei denen Einfachheit und Perfektion eine Einheit bilden. Vom Material über die Qualität bis hin zum angemessenen Preis soll jedes Detail sorgfältig bedacht worden sein.
Heim als Glückszustand
Noch eine Ecke weiter verschreibt sich ein Hersteller dem Zuhausegefühl: das Heim als – wie sie es selbst beschreiben – Wärme spendender Ort, Inspirationsquelle und Glückszustand. Auch bei Gazzda kommt viel Holz zum Einsatz, verarbeitet in sanft schmeichelhafte Kurven. Das Unternehmen aus Bosnien-Herzegovina sorgt mit seiner zweiten Kollektion Fawn für einen originellen Auftritt. Betrachtet man die Broschüren von Gazzda, bemerkt man schnell, wie unverkrampft das Team um die Designer Salih Teskeredžić und Mustafa Čohadžić an ihre Idee vom zeitgemäßen Zuhause herantreten. Comicartige Zeichnungen illustrieren die Leichtigkeit, für die das Label aus Sarajevo steht.
Mut zum Vorausdenken
Generell scheinen die Jungunternehmen mit etwas weniger Angst vor der Kundschaft ans Werk zu gehen, als man es von den Großen kennt. Bei dem einen mögen Handwerk und hochwertige Verarbeitung etwas stärker ausgeprägt sein, bei dem anderen die Praktikabilität zur Onlinevermarktung. Mit der Entwicklung zeitlosen Designs und dem damit einhergehenden Nachhaltigkeitsgedanken ist das dänische Unternehmen Woud im Gegensatz zu seinen Internetkollegen Hem einen Schritt voraus. Und trotz des hohen Maßes an Individualität: Beim Material sind sich fast alle einig. Holz gibt den Ton an. Einzig NEO/CRAFT sieht es mit seinen Stahlmöbeln und der Glasleuchte etwas anders. Dank des gelungenen Zusammenspiels aus progressiver Formensprache, hochwertigen Materialien, präzisem Handwerk und neuen Technologien treffen wir hier auf ein Portfolio, das für Reaktionen der Kategorie A spricht. Alle anderen finden wir in Situation B, und wir werden nach ursprünglicher Skepsis und teils widerwilligen Zugeständnissen ganz sicher auch in Zukunft wieder von ihnen hören.
Alle Kollektionen finden Sie in der Bildergalerie über diesen Text.
Mehr aus unserem Special zur imm cologne 2015 lesen Sie hier...
Neo/Craft
www.neocraft.comHem
www.hem.comMatsuso T
www.matsuso-t.comWoud
www.woud.dkGazzda
www.gazzda.comMehr Stories
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