Mehr Partizipation
Warum Zaha Hadid Architects heute den Mitarbeiter*innen gehört
Zaha Hadid Architects sind seit zwei Jahren ein Employee Benefit Trust (EBT). In ihrem Testament hatte die 2016 verstorbene Architektin das Unternehmen ihren Mitarbeiter*innen vermacht. Wie kam es dazu? Und was hat sich verändert? Steckt darin ein Modell für die Zukunft?
Wenn Architekturbüros von einer Generation zur nächsten wechseln, geht es um Geld. Entweder steigen externe Investor*innen ein wie bei Foster + Partners oder Christoph Ingenhoven: Ersterer wurde von einer kanadischen Familienholding übernommen, Letzterer veräußerte sein Büro an das Schweizer Energie- und Infrastrukturunternehmen BKW. Andere präferieren eine interne Lösung wie Herzog & de Meuron, die ihre Anteile Stück für Stück an ihre fünfzehn Partner*innen verkaufen wollen. Einen dritten Weg ist Zaha Hadid gegangen. Die am 31. März 2016 im Alter von 65 Jahren verstorbene Architektin hat ihr Büro nicht verkauft. Sie hat es ihren Mitarbeiter*innen geschenkt.
Neue Struktur
Dazu wurde das Unternehmen in einen Employee Benefit Trust (EBT) umgewandelt. Der knapp zweijährige Prozess konnte im Dezember 2021 abgeschlossen werden. „Ein Employee Benefit Trust bedeutet, dass niemand, keine einzige Person, Aktien des Unternehmens besitzt“, sagt Paolo Zilli, Associate Director bei Zaha Hadid Architects. Laut Testament war zunächst eine Zweiteilung des Architekturbüros vorgesehen, dessen alleinige Gesellschafterin Hadid selbst war. Fünfzig Prozent sollten an die Mitarbeiter*innen gehen, die anderen 50 Prozent an Patrik Schumacher, ihren langjährigen Geschäftspartner und Büroleiter. Schumacher schenkte seine Hälfte wiederum dem Employee Benefit Trust, sodass dieser nun alle Anteile besitzt und alleiniger Eigentümer des 1979 gegründeten Büros ist.
Formen der Partizipation
„Da der Trust keine externen Anteilseigner hat, können wir nun alle Gewinne wieder in das Unternehmen, unser Team, unsere Ausrüstung und unsere Einrichtungen investieren, was allen Mitarbeitern zugutekommt“, erklärt das Büro, das momentan über 30 Bauprojekte in 17 Ländern betreut. Die Leitung erfolgt durch einen Vorstand, das von den mehr als 500 Mitarbeiter*innen gewählt wird. Bei der ersten Wahl nach der Unternehmensumstellung lag der Frauenanteil des Gremiums bei 75 Prozent. Als Vorsitzender ist auf Lebenszeit Patrik Schumacher ernannt. „Man muss eine bestimmte Zeit im Büro sein, um Teil des Employee Benefit Trusts zu werden. Mit zwei Jahren ist diese Spanne ziemlich kurz, was bedeutet, dass fast alle Mitarbeiter ein Mitspracherecht haben. Das erfolgt nicht direkt. Doch die Vertreter des EBT beraten sich mit dem Vorstand. Er muss ihnen zuhören. Diese Struktur ist festgelegt und kann nicht aufgelöst werden“, so Paolo Zilli.
Offener Zugang
Kollektive und kollaborative Arbeitsmethoden werden damit nicht nur gefördert, sondern fest in die Unternehmensstruktur eingeschrieben. „Jüngere Generationen von Architekt*innen fordern, dass unser Beruf zugänglicher und gleichberechtigter wird. Unterstützt durch unabhängige und transparente Organisationssysteme und Strukturen wird die Mitarbeiterbeteiligung an ZHA die Fähigkeiten und die Vielfalt fördern, die unsere Entscheidungsfindung vorantreiben und jedem Mitglied unseres Teams eine Stimme bei der Gestaltung unserer Zukunft geben“, erklärt das Unternehmen.
Juristische Umwege
Der Weg dorthin verlief jedoch alles andere als geradlinig. 2018 hatte Patrik Schumacher in London Klage eingereicht, um die anderen drei Testamentsvollstrecker*innen des heute auf 100 Millionen Pfund geschätzten Nachlasses von Zaha Hadid abzusetzen: ihre Nichte Rana Hadid, den Immobilienentwickler Peter Palumbo und den Künstler Brian Clarke. Schumacher warf ihnen „feindseliges Verhalten“ vor. Der Prozess endete 2020 in einer Niederlage für den deutschen Architekten. Auch wurde sein Antrag abgelehnt, ein Vetorecht im Vorstand zu erhalten, daer den Employee Benefit Trust leiten soll. Das Urteil hat damit das Mitbestimmungsrecht der Mitarbeiter*innen gestärkt. Die Macht wird nicht mehr vertikal, sondern horizontal verteilt.
Trotz der gerichtlichen Auseinandersetzung wurde eine Einigung erzielt, den Großteil des Erbes – darunter Gemälde, Skizzen, Architekturmodelle und Immobilien in Miami und London – an die gemeinnützige Zaha Hadid Foundation zu übertragen. In den früheren Räumen des Londoner Design Museums am Themseufer soll eine Galerie eröffnet werden, um 10.000 Exponate physisch oder digital zugänglich zu machen. Seit 2022 vergibt die Stiftung Stipendien mit dem Ziel, mehr Diversität in der Architektur zu fördern.
Erweiterte Familie
„Zahas unerschütterlicher Optimismus für die Zukunft und ihr Glaube an die Kraft der Erfindung sind in der DNA ihres Architekturbüros verankert. Sie wurden großzügig an diejenigen weitergegeben, die ihr bei der Kreation geholfen haben – all unsere Mitarbeiter“, so das Unternehmen. Es tritt damit in eine Reihe von anderen Büros wie White Arkitekter oder Gensler, die 2019 respektive 2021 in den Besitz ihrer Angestellten überführt wurden. „Ich glaube nicht, dass Zaha jemals auf die Idee gekommen wäre, ihre Anteile an uns zu verkaufen. Sie hatte einen Bruder und Schwestern. Aber sie hatte keine Kinder, an die sie die Firma hätte vererben können. Wir waren ihre Familie. Deshalb hat sie das Büro an uns Mitarbeiter weitergegeben. Das ist eine gute Geschichte. Ich denke, es ist das Modell der Zukunft“, sagt Paolo Zilli. Die Nachfolge zu regeln, ist plötzlich ganz leicht.