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Slowenien glokal

Designausstellung zeigt Produkte „made in Slovenia“

In Slowenien sind die Menschen stolz auf ihr reiches kulturelles Erbe, das Handwerk und die lokale Designszene. Jenseits der Landesgrenze ist das kreative Slowenien hingegen weitgehend unbekannt.

von Tanja Pabelick, 06.09.2021

Das soll sich nun ändern: Das Jahr 2021, in dem Slowenien die EU-Ratspräsidentschaft übernommen hat, nutzt das in Ljubljana sitzende Center za Kreativnost (CzK), um die nationale Designkultur zu vermitteln. Dazu wurde ein Gütesiegel entwickelt – und eine Schau präsentiert die ausgezeichneten Produkte an insgesamt 25 Orten auf der ganzen Welt.

Slowenien ist für viele Terra incognita. Es ist das Land im Rücken der Küstenstadt Triest, eine notwendige Durchfahrt auf dem Weg nach Kroatien und Heimat einer nahezu unbekannten Alpenregion – mit immerhin mehr als 300 Zweitausendern. „Wir treffen immer wieder auf Menschen, die keine konkrete Vorstellung von Slowenien oder Ljubljana haben – und eben auch nicht von unserer Kultur, unseren Traditionen und unseren Ressourcen“, erzählte Mika Cimolini, die Programmleiterin des CzK und Kuratorin der Ausstellung „The Future of Living“, Ende Mai 2021 während ihres Besuchs in Berlin. Hier präsentierte sie ihre Ausstellung im Rahmen der Designweek, davor war sie in Wien bei Designaustria. In Mailand tritt Slowenien nun mit der Show „Design for a Post-Apocalyptic World“ in der Zona Tortona auf. Bis zum Ende dieses Jahres werden einige der Objekte an zwei Dutzend Orten Halt gemacht haben.

Nachhaltige Wirtschaftsweise
Die Wanderausstellung hat sich zum Ziel gemacht, slowenisches Design in die Welt zu bringen und dabei den Blick der internationalen Besucher aufs Lokale zu lenken. Slowenien versteht Design als Bindeglied zwischen Wirtschaft und Gesellschaft und den kreativen Sektor als wichtigen Quotienten einer nachhaltigen und grünen Wirtschaftsweise. Aber auch als Vermittler und Träger der nationalen Identität und der landestypischen Ressourcen. Das war nicht immer so. „Wir haben in Slowenien nicht viele Ausbildungsstätten für Designer“, erzählt Mika Cimolini. „Üblicherweise sind die gestaltenden Berufe, wie beispielsweise Architektur und Möbeldesign, bei uns in der Ausbildung verzahnt.“ Die wichtigste Hochschule ist die Universität von Ljubljana, an der die meisten renommierten Design-Protagonisten studiert haben. Darunter Saša J. Mächtig, der Erfinder des modularen und ikonischen Kiosks K67, aber auch die Designerin Nika Zupanc oder die Gründer des Architekturbüros OFIS. Viele der Kreativen studieren aber nicht ausschließlich in der eigenen Hauptstadt, sondern gehen für einige Semester nach Paris, London oder Eindhoven. Dadurch zeigt die lokale Szene immer auch Anteile einer globalen Designauffassung.

Tradition revisited
Parallel ist gerade in den letzten Jahren das Interesse für die eigenen Traditionen, Techniken und Materialien erstarkt. Diese Entwicklung ist allerdings nicht nur in Slowenien zu beobachten. „Ganz allgemein gibt es ein Bewusstsein für die guten alten Dinge, für das Hyperlokale und für Nachhaltigkeit als Produktqualität“, erklärt die Kuratorin. In Slowenien ist es besonders der Werkstoff Holz, der neue Aufmerksamkeit erfährt. Kein Wunder: Auf 62 Prozent der Staatsfläche steht Wald. Viele aktuelle Projekte loten aus, wie man mit der wichtigen nationalen Ressource nachhaltig umgeht. Die Künstlerin Nina Koželj etwa hat sich mit der Schreinerin Manca Kemperl zusammengetan und Vulgaris Woodcut gegründet. Koželj gestaltet Grafiken im Holzschnitt und druckt eine limitierte Auflage. Dann wird die Platte aus Kirschholz zur Fronttür eines Stauraummöbels, inklusive der Druckfarbe auf der Relieffläche. Studio Moste hingegen nutzt bei der Produktion größerer Möbel anfallende Holzabfälle, um daraus Schneidebretter zu machen. Sie setzen kleine Quadrate aus der roten Eiche zu neuen Flächen zusammen. Die intensive Maserung des edlen Holzes lässt dabei ein spannungsvolles geometrisches Muster und eine neue Qualität entstehen.Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernenIm Fokus der Ausstellung stehen slowenische Projekte, die eine Zukunft mitdenken, in der es an Rohstoffen mangeln wird und in der der Bestand sinnvoll genutzt und vielleicht sogar rationalisiert werden muss. Es gilt, die Balance zu finden, indem man sich am Bewährten (wie dem traditionellen Handwerk) orientiert, an innovativen Technologien bedient und Nachhaltigkeitsaspekte zur selbstverständlichen Qualität macht. Besonders wichtig sind dann Reuse und Recycling, die viele junge Gestalter auf einem DIY-Niveau durchspielen. Nina Mršnik und Nuša Jelenec haben eine imposante Toast-Maschine entwickelt, in der sie Kunststoffabfall wie etwa leere Reinigungsmittelflaschen zu Platten verschmelzen, die dann wiederum zu Möbeln verarbeitet werden können. Und Eva Garibaldi hat ein einfaches Rezept für geschreddertes Papier entwickelt, das aufgrund seiner kurzen Zellulose-Fasern nicht wieder zu Papier werden kann. Zusammen mit Mehl, Wasser und Glycerin entsteht daraus ein Verbundwerkstoff.



Geschichten aus der Geschichte
Die in der Ausstellung gezeigte Auswahl erzählt Geschichten kleinerer Marken und engagierter Kreativer – und sie erzählt auch etwas über die letzten zwei Jahre Pandemie, die offenbart haben, dass uns globale Probleme durchaus auf die hyperlokale Existenz zurückwerfen können. „Krisen erfordern einen Diskurs für zukunftsweisende Strategien. Wirtschaft, Forschung und Entscheidungsträger brauchen die kreative Kraft des Designs, seine frischen Ideen. Sie brauchen neue Strategien und Konzepte für eine Gesellschaft im Wandel“, steht in der Publikation zur Ausstellung. Die Welt vor der eigenen Haustüre könnte dabei eine wichtige Rolle spielen. Slowenien will deshalb seine lokalen Produkte nicht nur promoten, sondern auch fördern und hat daher mit „Made in Slovenia“ ein Gütesiegel entwickelt, das in Slowenien gestaltete Produkte auszeichnet, die nachhaltig und sozial verantwortlich produziert werden. Das Logo wurde vom slowenischen Studio Kruh entwickelt, das damit auch eine andere Eigenschaft zeigt, die gute Gestaltung ausmacht: Es ist in seiner Ästhetik unverkennbar und doch niemals statisch, denn es wird für jedes Produkt neu generiert.

Tunnel (29) - Design for a Post-Apocalyptical World ist vom 04.09. bis zum 10.09.2021 auf der Milano Design Week, Via Tortona 27 zu sehen.

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Links

Ausstellung Mailand

Tunnel 29 - Design for a Post-Apocalyptic World

www.czk.si/en/programme/tunnel-29-design-for-a-post-apocalyptic-world

Wanderausstellung

The Future of Living

www.czk.si/en/programme/the-future-of-living/

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