Thomas Dariel in China: Marmor steht für Unsterblichkeit
Ziemlich viel Marmor: Wir wollten wissen, wie es der Designer schafft, dass seine Interiors elegant und nicht protzig wirken.

Thomas Dariel ist Franzose und vor elf Jahren nach Shanghai gezogen. Dort richtet er Penthouses ein, die 800 Quadratmeter groß sind und in denen es reichlich Marmor gibt. Wir wollten wissen, welche Bedeutung der Stein für ihn hat und wie es der Designer schafft, dass seine Interiors elegant und nicht protzig wirken.
Eines vorweg: Thomas Dariel widerlegt alle Vorurteile, die wir in Europa von chinesischem Interiordesign haben. Er entwirft die Inneneinrichtung für Penthouses, Büros und Hotels, die mondän und geschmackvoll sind, sagt aber auch, dass in China „die Wahrnehmung von Räumen, ihre Funktion und Anordnung eine ganz andere als in Europa ist“. Dass es bei seinen Projekten niemals ein Zuviel oder gar demonstrativen Luxus gibt, liegt daran, dass sich Dariel auf wenige Farben, Formen und Materialen beschränkt und seine Idee von Gestaltung konsequent durchzieht. Dariel ist ein fantasievoller Geschichtenerzähler. Immer spielt bei ihm das Überraschende, Unerwartete, Poetische, das Hinterfragen von Codes und das Durchbrechen von Klischees eine wichtige Rolle. Wie das genau funktioniert, zeigen drei Projekte von Dariel Studio in China: zwei private Penthouses und ein Büroausbau.
Verschwenderisch
In Shenzhen hat Dariel Studio ein 860 Quadratmeter großes, zweigeschossiges Penthouse auf ein Hochhaus gesetzt. Zugegeben: Mit seinen Marmorböden, goldenen Linien an den Wänden, handgefertigten Teppichen und wertvollen Kunstwerken von Francis Picabia, Koloman Moser und Christian Schad ist es recht opulent ausgefallen. Effektheischendes sucht man hier trotzdem vergebens. Stattdessen findet man ein harmonisches Miteinander aller räumlichen Elemente, wobei das gestalterische Leitmotiv der französische Art déco der Zwanziger- und Dreißigerjahre ist. Den schätzen die Chinesen schließlich sehr, wie überhaupt alles Französische. Und auch der Designer, denn „die symmetrischen Formen und Dekore sind auch heute noch interessant“, findet er. Kein Wunder also, dass sich Elemente des Art déco im Penthouse wiederfinden und vor allem in den verwendeten noblen Materialien zum Ausdruck kommen: geschliffenes Glas, Lederpaneele, Holz, Metall und – natürlich! – Marmor. Ins Auge fällt insbesondere das Entree sowie der offene Wohn-, Küchen- und Essbereich mit einem Marmorboden, dessen Schwarz-Weiß-Kontraste durch ein auffälliges geometrisches Muster noch verstärkt werden. Neben einem Küchenblock aus weißem Marmor wird der edle Naturstein geradezu verschwenderisch auch in den Badezimmern des Penthouses verwendet.
Theatralisch
Marmor ist gleich Luxus – in Europa und in China sowieso. Das unterstreicht auch ein weiteres Projekt von Dariel Studio: ein Penthouse in Shanghai, das nach der im Interior immer wiederkehrenden Farbe Blau The Blue Penthouse genannt wird. Zwar ist es nur etwa halb so groß wie das Penthouse in Shenzhen, dafür aber nicht minder luxuriös. Dariel hat ein Badezimmer entworfen, das wie eine Vitrine wirkt. Während es von zwei Seiten von raumhohen Glaswänden umgeben ist, sind die beiden anderen Wände komplett in Marmor gehalten. Im Fokus des Interiors steht jedoch eine spektakuläre Wendeltreppe im Entree. Ihre theatralische Drehung entwickelt sich aus dem Boden heraus, wobei die Marmorplatten in einem kreisrunden schwarz-weißen Muster verlegt sind. Kontrastierend dazu sind die Wände mit klassischen, kassettierten Holzpaneelen verkleidet – ein Motiv, das von den Marmorwänden im Badezimmer fortgeführt wird.
Subtil
Dass Marmor durchaus auch eine Berechtigung im schnöden Arbeitsalltag haben kann, zeigt das Büro für die Werbeagentur Wieden + Kennedy in Shanghai, das ebenfalls von Dariel Studio eingerichtet wurde. Natürlich wird der Naturstein hier nicht ganz so extensiv genutzt wie in den beiden Penthouses und kommt weit weniger luxuriös daher. Doch gerade hier zeigt Marmor seine Fähigkeiten als gestalterischer Allrounder und zwar im Zusammenspiel mit einem anderen, ebenfalls sehr haptischen Material: Holz. Während sich im Erdgeschoss ein skulpturenähnliches Objekt aus Raumteilern, Regalen und Sitzecken aus Holz die Fläche übernimmt, ist das erste Geschoss als Arbeitsetage angelegt. Eine halb offene Holzbox birgt die Rezeption, in der ein Counter aus weißem Marmor einen sinnlichen Kontrast zur warm anmutenden Holzverkleidung schafft. Das Motiv des Marmors kehrt auch auf der Dachterrasse wieder und zwar ziemlich überraschend in Form einer halbrunden Bar.
Geometrische Dekore, feine Farben, Tupfer von Gold, Kunst- und Designtrouvaillen, elegante Möbel, Holz, Leder und ganz viel Marmor – Dariel Studio erweist sich als Meister des Mix and Match und der eklektischen Raumgestaltung. Dass sich chinesischer mit europäischem Geschmack verwebt, ist übrigens kein Zufall, wie der Designer meint: „Weil die Chinesen viel und gern reisen, gleicht sich ihre Auffassung von Luxus unserer Idee von Komfort und luxuriösen Dingen an. Chinesen sind immer auf der Suche nach dem Neuen, nach dem guten europäischen Geschmack.“
„Marmor bleibt immer modern“ – drei Fragen an Thomas Dariel:
Welche Rolle spielt Marmor in chinesischen Interiors?
Marmor ist sehr wichtig in China, denn er symbolisiert Luxus und Grandeur. Deshalb wird Marmor in China bei fast allen Projekten verwendet, in Büros, Hotels, Restaurants und Privathäusern. Leider ist der in China verwendete Marmor oft von schlechter Qualität, wird falsch eingesetzt und steht deshalb auch für schlechten Geschmack.
Ihr Lieblingsmarmor?
Das Einfache ist immer das Schönste, finde ich. Mich fasziniert italienischer Carrara-Marmor, seitdem ich als Interiordesigner arbeite. In China wird Carrara-Marmor jedoch überhaupt nicht geschätzt, weil seine natürliche Maserung als unvollkommen gilt und der Stein deshalb als schlechter Stein angesehen wird.
Was kann Marmor, was andere Natursteine nicht können?
Marmor bleibt immer modern und ist ein zeitloses Material. Für mich sind die Spiegelungen der Oberfläche einzigartig. Die handwerkliche Bearbeitung ist sehr wichtig, denn Marmor ist ein Material, das schwer einsetzbar ist. Marmor steht auch für Unsterblichkeit. Schauen Sie sich nur die Skulpturen von Camille Claudel an! Seit ich sie gesehen habe, sind sie in meinem Gedächtnis eingebrannt.
FOTOGRAFIE Derryck Menere
Derryck Menere
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