Wer ist der Boss
Was zum Chefsein gehört und wie die Realität in Design- und Architekturbüros aussieht.

Arbeiten Sie am besten im Stehen wie Louisa Hutton und Matthias Sauerbruch, verzichten Sie lieber auf einen eigenen Schreibtisch und wählen einen freien Platz wie Bernard Tschumi oder halten Sie es wie Playboy-Gründer Hugh Hefner und haben anstelle eines Schreibtisches ein riesiges rundes Bett mit Telefonanschluss? In welchen Räumen und mit welcher Einrichtung kreative Führungskräfte arbeiten, ist: Chefsache. Urteilen Sie anhand unserer Bildergalerie selbst, wieviel der Arbeitsplatz über die Persönlichkeit und die Gestaltungshandschrift seines Designers oder Architekten verrät.
Umgeben von Büchern, also Wissen, oder umgeben von Leere, also Nichts – wobei es ein Nichts ja gar nicht geben kann. Vielleicht haben Sie ein ganz gewöhnliches Büro, wie man es sich vorstellt: extrem geordnet und strukturiert, mit genügend Platz für noch mehr Ordnung. Vielleicht arbeiten Sie aber auch im Chaos, lassen alles Unwichtige auf den Boden fallen und sind mit den Gedanken schon beim nächsten Projekt?
Die richtigen Dinge
Um die Führungsverhältnisse vorweg zu klären: Während Manager „die Dinge richtig machen“, macht der Entscheider „die richtigen Dinge“. Denn: „Management ist heute eine Querschnittsqualifikation, Führung ist Expertenaufgabe“, meint Journalist Wolf Lotter in seinem Leitartikel zum Schwerpunkt „Führung“ im Wirtschaftsmagazin brand eins. Und zitiert Wirtschaftswissenschaftler und Unternehmensberater Hans H. Hinterhuber: „Echtes Leadership setzt immer die Fähigkeit zur Kritik – und im gleichen Maße Selbstkritik – voraus. Man muss konstruktiv hinterfragen – und nicht nach Bestätigung suchen.“
Repräsentation und Ordnung
Es sind nur zwei Aufgaben, dafür zwei bedeutende: Der Chef entscheidet, und der Chef trägt die Verantwortung – das gilt nicht nur für Führungskräfte in großen Konzernen, sondern auch für Architekten. Dafür benötigt der Entscheider einen speziellen Ort: einen eigenen Raum, der auf der einen Seite allen Mitarbeitern zugänglich sein soll, also ein Büro vor Ort im gleichen Haus ist, der sich aber auf der anderen Seite von eben diesen Mitarbeitern abschirmt und in wohlgewählter distanzierter Einsamkeit abgrenzt. Repräsentation und Ordnung, was in der Regel eben auch die Abbildung von Hierarchien bedeutet, sind nicht nur wichtige Kriterien, sondern Basis für das Chefbüro. Es ist Bühne und Ruheraum zugleich. Denn ein Chef braucht ausreichend Ruhe: für ein vertrautes Gespräch am Telefon, Verhandlungen mit dem Personal oder Absprachen mit der Sekretärin – Ruhe für wichtige Entscheidungen.
Knoll oder Kontor?
Das Chefbüro war aber auch schon immer eine Frage der Generation und der Tradition. „Die ‚Choreographie‘ des neuen Verlagsgebäudes in Reinbek sah so aus, dass, nur durch ein gemeinsames Sekretariat getrennt, die Zimmer von Ernst Rowohlt und Heinrich Maria Ledig-Rowohlt nebeneinanderlagen; Ledigs großräumiges Büro streng mit kühlem Knoll-Mobiliar ausgestattet, das von Ernst Rowohlt eher an ein altmodisches Kontor erinnernd: sein Schreibtisch gegenüber einer Wand, in deren Regalen, antiquarisch zusammengekauft, sämtliche Bücher des Rowohlt Verlags seit seiner Gründung 1908 chronologisch zu finden waren“, so beschreibt Fritz J. Raddatz in seinem Buch Jahre mit Ledig die Rowohlt’sche Chefetage. Und in der Eingangshalle des Verlags wartete eine einsame Tischtennisplatte auf den nächsten Besuch von Henry Miller, der dann mit Mitarbeitern seiner Wahl ein paar Runden spielen konnte.
Ikea oder Tischler?
Heute sind Schreibmaschine und damit die persönliche Sekretärin verschwunden und durch BlackBerry, iPad oder Smartphone ersetzt – Tischtennisplatten hingegen sind heutzutage keine Überraschung mehr, sondern quasi zur Standardeinrichtung in Agenturen, Design- oder Architekturbüros geworden. Bleibt noch die Frage nach der Ausstattung: Parkett, Linoleum oder Teppich? Gibt es günstige Leuchtstoffröhren oder eine Designer-Leuchte? Sind die Bücherregale aus dem Baumarkt, von Ikea oder kostspielige Maßanfertigungen vom Tischler? Und natürlich die Frage nach Größe und Lage des Büros – und damit auch nach dem Ausblick. „Das Büro des Kulturchefs ist nicht sehr groß“, heißt es zum Beispiel im zweiten Teil von Tristesse Royale. „Im Verlagshaus werden die Büros nach Anzahl ihrer Fenster und ihrer Aussicht verteilt. Ganz oben im Haus: selbstverständlich der Chefredakteur. Sein Büro ist etwa 40 Quadratmeter groß, zwei Fenster, davon eines in der Form eines Bullauges, beide mit unverstelltem Blick auf den Fluss. Im Büro des Chefredakteurs ist noch nie geraucht worden. Das kleine Büro des Kulturchefs liegt im ersten Stock und hat nur ein Fenster, das den Blick freigibt auf einen Grünstreifen und einen schmalen Gehweg, auf dem ältere Frauen ihre Hündchen spazierführen“, beschreibt Joachim Bessing, der im Vorzimmer starr auf den „Burberrys-Imitat-Trenchcoat“ der Sekretärin blickt, während er wartet.
Hierarchie perdu
Kleine Fenster, große Fenster; Großraumbüro oder eigenes Büro mit Vorzimmer und Sekretärin, die Größe des Dienstwagens, die Anrede mit einem respektvollen „Herr Direktor“ oder freundschaftlichem „Du“, die Unterteilung in junge Mitarbeiter und alte Vorstände: Alles, was einst Indiz für Hierarchie, Position und Macht sein konnte, gilt heute nicht mehr zwingend. Dieser guten alten Zeit, in der ein Chef einfach der Chef war, kann man hinterhertrauern – genauso gut kann man sich fragen, was heute besser ist und verbessert werden kann. Wie das eigene Büro aussehen soll, das kann ein Chef nur selbst wissen – und sollte es auch bestimmen dürfen.
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