Geteilte Einheit
Umbau eines Bauernhauses im Schweizer Kanton Wallis von Savioz Fabrizzi
Im traditionellen Umfeld ecken zeitgenössische Architekturansätze schnell an. Nicht mehr so sehr in den Alpenländern, und schon gar nicht, wenn man es so geschickt vollzieht wie das schweizerische Büro Savioz Fabrizzi Architectes. Da greifen Betonmolithen die Schrägen der Berghänge auf, Fassaden spiegeln das Gebirge. In Ormône haben die Architekten nun ein altes Bauernhaus in ein modernes Einfamilienhaus verwandelt und beweisen damit einen ebenso konsequenten wie erfrischend mutigen Umgang mit dem Bestand.
Oberhalb der Stadt Sitten im Wallis liegt das kleine Dorf Ormône. Es ist Teil der Gemeinde Savièse, umgeben von Weinhängen. An einer schmalen Straße im Ortskern liegt der Hof, dessen 1860 erbautes Haupthaus nun vom lokalen Architekturbüro Savioz Fabrizzi umgebaut wurde. Wunsch des Bauherrenpaares war es, für sich und die Kinder ein modernes, offenes Wohnumfeld im alten Gemäuer zu schaffen. Erhalten bleiben sollte die charakteristische Dualität mineralischer und hölzerner Bestandteile, so die Architekten.
Bewahrt und transformiert
Ein Sockel aus Natursteinmauerwerk bildet die Basis des Gebäudes und wird hangseitig von einem Holzständerwerk überragt. Während der obere, hölzerne Teil äußerlich beim Alten belassen wurde, wurden im Mauerwerk vier Fenster zu einem Panoramafenster verbunden. An beiden Seitenfassaden wurden kleine Fenster geschlossen und durch jeweils ein großes Fenster ersetzt. Stärker noch wurde das Volumen bergseitig beeinflusst. Ein Teil des vormals vom Giebeldach abgeschlossenen Volumens fällt nun als Pultdach zum Hof hin ab. Ein anderes Stück überragt die westliche Seite der ursprünglichen Dachform infolge eines Aufbaus.
Optisch sind so aus einem Volumen vier geworden. Damit dennoch eine Einheit entsteht, überzieht ein Rauputz die Fassaden, nachdem das Mauerwerk zuvor freigelegt wurde. Die Steine des ursprünglichen Gemäuers bleiben teilweise sichtbar, während die neuen, aus Beton gebauten Teile eine glatte Oberfläche besitzen. Als Kontrast zu dieser Unregelmäßigkeit schließen alle neuen Fensterflächen und selbst die Haustür bündig mit den Fassaden ab.
Den Bezug nicht verlieren
Im Inneren erklärt sich die Positionierung der neuen Fenster. Auf vier Ebenen sind Wohnzimmer, Küche, ein Musikraum, zwei Duschbäder, ein Gäste-WC, vier Schlafzimmer, ein Keller und Technikräume untergebracht. Wer im Familienalltag den Bezug zur Außenwelt verliert, vergewissert sich bei einem Blick in die Landschaft, dass es mehr gibt als Haushalt und Arbeit. Draußen liegt die Natur: das Rhônetal im Osten, die Berge des Val d’Hérens im Süden, der eigene Garten im Westen, Savièse und das Wildhornmassiv im Norden.
Vom Hauseingang gelangt man über Flur und Treppenhaus in den Küchen- und Essbereich im Erdgeschoss, von dem aus eine Terrassentür in den Garten führt. Am Rand der von rustikalen Holzplanken verkleideten Kochinsel verbirgt sich eine Treppe zum Keller. Den Raum oberhalb der Küche gliedern zwei Bodenplatten des ersten und zweiten Obergeschosses, die entgegengesetzt je bis zur Mitte des Hauses ragen und dadurch Blickbeziehungen zwischen den Wohnbereichen schaffen. Ein Durchgang führt zum Wohnzimmer, dessen Highlight: der Ausblick.
Dialog der Epochen
Das erste Obergeschoss gehört den Kindern, im Dachgeschoss sind das Schlafzimmer der Eltern und ein kleiner Arbeitsbereich untergebracht. Wohl überlegt ist die Positionierung der Ruhebereiche im urig hölzernen Teil des Haus. Während Schlaf-, Wohn- und Kinderzimmer zudem mit Holzfußboden versehen und deren Wände mit Lärchenholz verkleidet sind, bilden in den übrigen Räumen Sichtbetonböden und mineralischer Wandputz den Gegenpol dieses Dialogs zwischen Geborgenheit und kühler Zweckmäßigkeit. Die meisten Möbel liegen versteckt hinter Einbauschränken – auch das ein Kontrapunkt zum Ursprung des Hauses.
Etwas zusammengestückelt, eigentümlich, unproportioniert mag der Umbau wirken, den Laurent Savioz und Claude Fabrizzi hier realisiert haben. Vom alten Bauernidyll ist wenig übrig, und doch bleibt es – draußen wie drinnen – dasselbe Haus, bei dem Holz, Stein und Beton, alt und neu im gelungenen Zusammenspiel stehen.
FOTOGRAFIE Thomas Jantscher
Thomas Jantscher