Ode an das Unfertige
Fließendes Raumgefüge von Malay Doshi in Ahmedabad
Im indischen Ahmedabad wurde ein früheres Apartment mit zwei Schlafzimmern in ein großzügiges Studio umgewandelt. Der neu geschaffene Open Space verliert sich keineswegs in seiner Weite. Durch den Einsatz von farbigen Fliesen, Naturstein, Teakholz und poliertem Beton werden Zonen geschaffen und wirkungsvoll miteinander verzahnt.
67 Quadratmeter. So viel misst das Apartment des Architekten Malay Doshi in Ahmedabad. Seit 2016 ist er Partner im vor Ort ansässigen Büro Saransh Architects, das zwölf Jahre zuvor von seinen Eltern Manish und Malini Doshi gegründet wurde. „Gestaltung basiert nicht auf Entweder-Oder-Entscheidungen. Sie ist ein Wirbel aus ständig changierenden Kombinationen unterschiedlichster Dinge“, ist Doshi überzeugt. Kaum treffender könnte man beschreiben, was er zusammen mit seinen Kollegen Arihant Bajaj und Tejashree Karande aus seiner neuen Wohnung gemacht hat.
Fließendes Raumgefüge
Zuvor wurde erst einmal kräftig entkernt. Mehrere Innenwände sind herausgenommen worden, ebenso wie die bestehende Küche, das Badezimmer und sämtliche Böden. Der Wohnraum soll als Open Space in seiner ganzen Größe erfahrbar sein und vom Tageslicht durchdrungen werden. Direkt nach dem Passieren der Eingangstür öffnet sich der Wohnbereich mit einem Sofa, zwei Sesseln und einem kubischen Couchtisch. Von dort geht es direkt zum Esstisch, der gegenüber der offenen Wohnküche liegt.
Neben dem Essbereich folgt auf einer erhöhten Ebene ein Medienraum zum Lesen, Musikhören und Fernsehen: eine ganz in Holz ausgekleidete Höhle mit einer flachen Sitzmatte, die mit Vorhängen geschlossen werden kann. Hinter hölzernen Büchervitrinen geht es weiter ins Schlafzimmer und von dort in einen begehbaren Kleiderschrank. Auf Türen wird im Inneren der Wohnung verzichtet. Lediglich das von Küche und Schlafzimmer eingefasste Badezimmer kann verschlossen werden – und entzieht sich damit dem fließenden Raumkontinuum.
Lebendige Texturen
Das Interieur sollte zurückhaltend klar wirken und gleichzeitig von sinnlicher Taktilität erfüllt sein. Eine wichtige Rolle fiel daher den Materialien zu, die nie glatt und kalt erscheinen, sondern stets eine lebendige Textur besitzen. Die Türrahmen, das Bett, die Beistelltische, das Bücherregal sowie der gesamte Medienraum sind mit sechzig bis achtzig Jahre altem Valsad-Teakholz verkleidet. Es stammt aus dem Umland von Ahmedabad und verfügt über eine warme, rotstichige Farbigkeit und charaktervolle Maserungen.
Für den Esstisch und die Arbeitsplatten in der Küche kommt grauer Naturstein zum Einsatz, der ebenfalls über eine starke Marmorierung verfügt. Die beiden räumlich voneinander versetzten, doch funktional miteinander verbunden Ebenen – die eine für die Essensvor- und Nachbereitung, die andere für den Genuss dazwischen – gehen so auch optische eine klare Beziehung ein. Die hellgraue Farbigkeit des Natursteins wird vom Bezugsstoff des Sofas, von den Vorhängen sowie jenem polierten Beton aufgegriffen, der die Sockelpartien der Wände sowie den gesamten Boden des Open Space bedeckt.
Konnektiver Auftritt
Monotonie unter den Füßen ist aber dennoch nicht zu befürchten. In die Böden sind verschiedene Holz- und Steinsegmente eingelassen, ebenso Keramikfliesen und feine Messingleisten. Das Interessante hierbei: Die unterschiedlichen Bodenmaterialien markieren weder die Position der früheren Zimmer noch akzentuieren sie die jetzigen Raumfunktionen. Sie lassen die einzelnen Zonen vielmehr ineinander fließen und stellen einen Dialog her.
So finden die blauen Fliesen im Schlafzimmer und Kleiderschrank ein Echo unterhalb des Couchtischs. Die in den Beton eingelassenen Dielen im Essbereich sind aus demselben Holz gefertigt wie der Medienraum und die übrige Möblierung der Wohnung. Im Eingangsbereich sind weitere quadratische Holzplatten in den Boden eingelassen, die die Form der kubischen Schuhregale aufgreifen. Feine Messingleisten durchziehen nicht nur die Betonböden von Küche, Esszimmer und Wohnzimmer. Sie dienen ebenso als Verbindungselement für die vier Natursteinsegmente der Esstischplatte. Die grünen Natursteinplatten in der Küche finden ihren Widerhall in der Bodenverkleidung der Dusche.
Oase inmitten der Stadt
Die Botschaft: Alles ist miteinander verwoben. Und nichts existiert für sich allein. „Ich wollte weg vom generischen Chic urbaner Apartments. Daher lag eine klare Entscheidung darin, das Endergebnis unfertig aussehen zu lassen. Die Wohnung sollte eine Oase inmitten der Stadt sein, vergleichbar mit dem natürlich changierenden Raumgefühl eines volkstümlichen Landhauses“, so der Architekt. Aalglatte Räume können ruhig andere übernehmen.
FOTOGRAFIE Saransh Architects
Saransh Architects