Strenge und Spiel
Raffiniertes Wohnhaus des portugiesischen Architekten João Mendes Ribeiro
Mit der Casa Fonte Boa hat der portugiesische Architekt João Mendes Ribeiro einen Ort geschaffen, der von innen und außen erkundet werden kann, ohne mit dem Gestus einer Rampensau in Erscheinung zu treten. Das Raffinierte wird mit besonders leisen Tönen erzeugt. Er verwandelt dieses Haus in eine perfekte Mischung aus Rückzugsort und Bühne.
Fartosa ist ein beschauliches Bergdorf auf halben Wege zwischen Lissabon und Porto. Umringt von Olivenbäumen und Weinbergen, hat eine Familie hier ihren perfekten Lebensmittelpunkt gefunden. Der Entwurf der Casa Fonte Boa wurde dem Architekten João Mendes Ribeiro aus der nahe gelegenen Kreisstadt Coimbra anvertraut, der eine puristische, aber alles andere als banale Konzeption entwickelt hat.
Schon vor 2400 Jahren haben die Römer an diesem Ort eine Villa errichtet, von der heute lediglich eine schmale Steinmauer zeugt. Etwas abseits davon schiebt sich der weiß verputzte, 180 Quadratmeter große Bau mit seinem verzinken Satteldach über den Hang hinaus. Zwei Betonsockel heben das Volumen über das Gefälle des Grundstücks und geben ihm eine ungewöhnliche leichte Erscheinung: Fast so, als wolle es jeden Moment abheben.
Einfassung aus Sichtbeton
Die Annäherung an das Haus gleicht einer Prozession. Auf eine geschlossene Garage wurde verzichtet. Stattdessen biegen die Hausbewohner und Gäste von der Straße direkt in eine in den Boden abgesenkte Einfahrt. Sie ist breit genug für bis zu vier Fahrzeuge, die hier im Freien stehen – umringt von Wänden aus Sichtbeton, die rund einen Meter über das Niveau des Grundstücks hinausragen. Die blechernen Fortbewegungsmittel werden damit nicht nur sicher aus dem Blickfeld verbannt, sondern ebenso vor der unerbittlichen Sonne geschützt.
Kaskaden des Zen
Nach dem Passieren einer schmalen Betontreppe führt eine Kaskade aus fünf quadratischen Becken zum Haus. Diese sind von hölzernen Rahmen eingefasst und mit dunkelgrauen Kieselsteinen gefüllt: Wie eine Abfolge von Miniatur-Zen-Gärten bewirken sie eine Verlangsamung der Schritte und schärfen die Sinne für die farblichen Nuancen der umliegenden Natur. Das geometrische Motiv wird ebenso von den Fenstern aufgegriffen, die mit Ausnahme des breiten Panoramafensters zur Hangseite sowie einem rechteckigen Fenster neben der gläsernen Eingangstür allesamt quadratisch sind.
Spielerische Quadrate
João Mendes Ribeiro schätzt die Ordnung. Doch er ist kein strenger Rasterfetischist wie Ungers. An der nach Nordwesten ausgerichteten Fassade wirken die kleinen Quadratfenster wie zufällig verteilt, wodurch die Lesbarkeit der inneren Struktur nahezu unmöglich wird. Anders sieht es hingegen an der nach Südosten ausgerichteten Längsseite des Hauses aus, wo sich die Wohn- und Schlafräume mit großen, quadratischen Fenstern zur Landschaft hin öffnen und den zweigeschossigen Aufbau des Gebäudes klar nach außen kommunizieren. Auch hier werden die Dimensionen der Fenster sowie ihre gegenseitigen Ausrichtungen stetig variiert, um den Eindruck von Monotonie zu vermeiden.
Vorliebe für Klassiker
Im Inneren des Hauses dominiert Holz als Material. Die Dielenböden korrespondieren mit Möbeln aus Massiv- oder Schichtholz sowie einer zum Essbereich geöffneten Küche, deren Fronten ebenso mit dem nachwachsenden Naturmaterial verkleidet sind. Was auffällt, ist die Vorliebe für Klassiker: Vor einem selbstgefertigten hölzernen Bücherregal schmücken ein DCW Stuhl von Charles und Ray Eames sowie ein 90B Tisch von Alvar Aalto den Raum. Arne Jacobsens AJ Bodenleuchte, Alvar Aaltos Paimio Sessel und Philipp Mainzers Backenzahn Hocker reihen sich um einen schwarzen Kamin im Wohnzimmer, wo ein Panoramafester den Raum in seiner gesamten Breite zum Hang hin öffnet.
Vermöbelte Architektur
Interessant ist die Verknüpfung aus maßgefertigten Möbeln mit der Architektur. Die hölzerne Treppe, die vom Wohnzimmer im Erdgeschoss zu den Schlafräumen im Obergeschoss hinaufführt, dient als flexibles Aufbewahrungsobjekt. Dieses kann nicht nur an der Seite mit großen Schranktüren sowie unzähligen Schubladen geöffnet werden. Auch unterhalb der Treppenstufen sind Schubladen eingelassen, um zusätzlichen Stauraum zu bieten und die Anzahl der Möbelstücke im Haus zu reduzieren. Nur konsequent wirkt an dieser Stelle der Vorstoß der Architekten, einen Betonsockel des Hauses als Weinkeller zu nutzen – er wird über eine separate Eingangstür erschlossen.
Strenge und Spiel sind bei diesem Gebäude keine Gegenspieler, sondern zwei Verbündete mit einem gemeinsamen Ziel: Einen ruhigen, ausgeglichenen Ort zu schaffen, der von innen und außen erkundet werden kann, ohne dabei allzu dominant in Erscheinung zu treten. Das Ergebnis ist ein Landhaus, das sich kaum spektakulärer in Zurückhaltung üben könnte.
FOTOGRAFIE José Campos
José Campos