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Homeoffice im Wandel

Gestaltende über Lösungen für das Arbeiten zu Hause – Teil 2

Wie gehen Innenarchitekt*innen und Interiordesigner*innen mit den Anforderungen an einen heimischen Arbeitsplatz in ihren Projekten um? Im zweiten Teil unserer Homeoffice-Reihe sprechen Raúl Sánchez und AMOO aus Barcelona, Stephanie Thatenhorst und Holzrausch aus München sowie Sigurd Larsen aus Berlin über Veränderungen und Konzeptideen für neue Homeoffice-Lösungen.

von Annette Schimanski, 15.11.2023

SIGURD LARSEN, BERLIN: „ALS WÜRDE JEDE FAMILIE EIN ZUSÄTZLICHES KIND BEKOMMEN.“

Durch die Pandemie hat sich der Bedarf an funktionellen Arbeitsplätzen im eigenen Zuhause erhöht. Merkt Ihr das bei Eurer Arbeit an Wohnprojekten und in Gesprächen mit Kund*innen?
Auf jeden Fall. Selbst an der Universität, an der ich unterrichte, schlugen die Studierenden zu Beginn der Pandemie von sich aus Projekte mit Fokus auf „Homeoffice“ vor. Wir selbst planen häufig Einfamilienhäuser und auch Hotels. In Mecklenburg-Vorpommern arbeiten wir an einem Hotelprojekt von St. Oberholz, das ebenfalls eine Co-Working-Fläche umfasst. Selbst in diesem Bereich sieht man eine deutliche Entwicklung. Die Idee ist, dass Arbeit mit Freizeit zusammenfließt. Und das ist auch ein Teil des Phänomens rund um das Homeoffice.

Welche Anforderungen sind den Auftraggeber*innen am wichtigsten bei einer Homeoffice-Lösung?
Im privaten Zuhause ist es bisher die gängige Lösung gewesen, das Arbeiten in einem separaten Raum stattfinden zu lassen. Eine neue Wandlung ist, dass das Homeoffice ein Teil des Wohnbereichs wird. Man ist also stets mit anderen Leuten zusammen. Wir erleben oft den Wunsch, dass die Kund*innen am Rechner sitzen, aber dennoch Teil der Familie sein wollen. Da kommen also zwei Aspekte zusammen. Alles findet in einem Gemeinschaftsraum statt, der klare Unterteilungen hat. Eine Abtrennungkann zum Beispiel durch einen Arbeitsbereich auf einer Empore geschehen, wo man seine Utensilien auch mal liegen lassen kann. Man ist natürlich nicht komplett schallisoliert, aber hat dennoch einen Rückzugsort für Meetings. Die Homeoffice-Lösung ist daher oft halb im Raum, aber auch nicht im Raum.

Was bedeutet das für andere Bereiche in einer Wohnung? Hat sich die Gesamtgestaltung dadurch verändert?
Eigentlich ja, denn wir haben nicht mehr Quadratmeter oder Budget zur Verfügung, aber gleichzeitig haben wir einen neuen Programmteil. Es ist so, als würde jede Familie, für die wir bauen, ein zusätzliches Kind bekommen. Diese neue Funktion muss verortet werden. Man muss andere Prioritäten setzen als bisher.

AMOO, BARCELONA: „DIE PANDEMIE HAT UNS DEN WEG ZU MEHR FLEXIBILITÄT ERLEICHTERT.“

Durch die Pandemie hat sich der Bedarf an funktionellen Arbeitsplätzen im eigenen Zuhause erhöht. Merkt Ihr das bei Eurer Arbeit an Wohnprojekten und in Gesprächen mit Kund*innen?
Seit unseren Anfängen haben wir immer integrierte Möbel vorgeschlagen, die eine vielseitige Nutzung ermöglichen. Zum Beispiel eine vertikale Trennwand, die gleichzeitig ein Bücherregal, die Rückenlehne eines Sofas und ein kleiner Studiotisch ist. Wir planen häufig die Sekundärräume als Gelegenheitsräume, um sporadische Funktionen wie Sitzen, Ausruhen und Lesen, Arbeiten oder Zeichnen zu ermöglichen. Diese Vorschläge wurden von unseren Kunden, die es nicht gewohnt waren, von zu Hause aus zu arbeiten, nicht immer verstanden. Wir müssen zugeben, dass die Pandemie uns den Weg zu mehr Nutzungsflexibilität in Wohnprojekten erleichtert hat.

Welche Anforderungen sind den Auftraggeber*innen am wichtigsten bei einer Homeoffice-Lösung?
Das Wichtigste sind die Integration innerhalb der Wohnung oder des Hauses und die Flexibilität. Die Möglichkeit, den Raum entweder zu isolieren oder ihn vollständig mit dem Rest des Hauses zu verbinden, ist ausschlaggebend.

Was bedeutet das für andere Bereiche in einer Wohnung? Hat sich die Gesamtgestaltung dadurch verändert?
Die Aufteilung von Wohnräumen haben wir schon immer so geplant, dass es eine Verknüpfung oder einen Zusammenhang zwischen den Möbeln und Trennelementen gibt. In Absprache mit den Kunden werden diese Elemente mit Funktionen versehen und in Beziehung zueinander gesetzt.

HOLZRAUSCH, MÜNCHEN: „WIR VERSUCHEN, DAS HOMEOFFICE AUS DEM ZENTRUM DES SONSTIGEN GESCHEHENS ZU RÜCKEN.“

Durch die Pandemie hat sich der Bedarf an funktionellen Arbeitsplätzen im eigenen Zuhause erhöht. Merkt Ihr das bei Eurer Arbeit an Wohnprojekten und in Gesprächen mit Kund*innen?
Die Anfragen nach geeigneten Plätzen im Zuhause für ein ruhiges Arbeiten haben sich seit der Pandemie gehäuft. Auch bei unseren Ferienhaus-Projekten, die häufig an mehrere Personen vermietet werden, versuchen wir immer, möglichst an verschiedenen Stellen im Haus Orte zu schaffen, an denen man ein paar Stunden in Ruhe arbeiten kann. Dadurch sind diese Häuser sehr beliebt und die Nachfrage in der Vermietung wird gesteigert.

Welche Anforderungen sind den Auftraggeber*innen am wichtigsten bei einer Homeoffice-Lösung?
Das ist ganz unterschiedlich – je nach Nutzer und Ort – zu betrachten. In großen Häusern planen wir häufig großzügige Arbeitsplätze für beide Partner ein.
Da unsere Projekte sehr individuell auf die Wünsche unserer Bauherren angepasst werden, planen wir den Bereich des Homeoffice spezifisch für die Branche oder das Arbeitsumfeld der Bewohner. Das kann von einem einfachen PC-Arbeitsplatz mit Scanner und Drucker bis hin zu einem komplett ausgestatteten Kreativstudio oder Atelier mit großem Plotter und Planschränken reichen. Wir haben schon mal ein ganzes Musikstudio in ein Privathaus integriert.
Eine Anforderung ist aber immer gleich: Man muss die Möglichkeit haben, die Türe zu schließen und in Ruhe arbeiten zu können.

Was bedeutet das für andere Bereiche in einer Wohnung? Hat sich die Gesamtgestaltung dadurch verändert?
Wenn es das Projekt hergibt, versuchen wir, den Bereich des Homeoffice aus dem Zentrum des sonstigen Geschehens im Haus etwas abzurücken, zum Beispiel in ein Studio im Dachgeschoss.
Soll der Arbeitsplatz in einer Wohnung integriert werden, versuchen wir, diesen bei Nichtbenutzung hinter Möbeltüren verschwinden zu lassen.

RAUL SANCHEZ, BARCELONA: „WIR SCHAFFEN RÄUME OHNE EINE BESTIMMTE FUNKTION, IN DENEN JEDE ART VON TÄTIGKEIT AUSGEÜBT WERDEN KANN.“

Durch die Pandemie hat sich der Bedarf an funktionellen Arbeitsplätzen im eigenen Zuhause erhöht. Merkt Ihr das bei Eurer Arbeit an Wohnprojekten und in Gesprächen mit Kund*innen?
Der Raum für ein Homeoffice ist inzwischen ein Muss auf der Liste der Kunden. Das ganze Thema ist oft auch mit dem Wunsch nach einem Platz verbunden, an dem Kinder lernen können, wenn es sich um eine Familie mit Nachwuchs handelt.

Welche Anforderungen sind den Auftraggeber*innen am wichtigsten bei einer Homeoffice-Lösung?
In der Regel wollen sie nicht ständig die Unordnung sehen, die in einem Homeoffice nun mal entsteht. Sie bevorzugen eine Lösung, die nicht gerade im Wohn- oder Esszimmer oder einem Raum mit einer anderen spezifischen Funktion liegt.

Was bedeutet das für andere Bereiche in einer Wohnung? Hat sich die Gesamtgestaltung dadurch verändert?
Bei unseren Projekten haben wir ohnehin schon versucht, Räume ohne eine bestimmte Funktion zu schaffen, in denen jede Art von Tätigkeit ausgeübt werden kann. Das erhöht die räumliche Komplexität eines Hauses und trägt dazu bei, dass es multifunktionaler wird. Wir schaffen immer wieder Räume, die mit anderen Bereichen verbunden, aber auch irgendwie von ihnen losgelöst sind. Und darin kann auch ein Homeoffice entstehen. Insgesamt hat sich unser Designprozess aber nicht verändert. Wir können uns meist leicht an neue Anforderungen anpassen.

STEPHANIE THATENHORST, MÜNCHEN: „AUCH EIN HOMEOFFICE-BEREICH SOLL EINE PERSÖNLICHE GESCHICHTE ERZÄHLEN.“

Durch die Pandemie hat sich der Bedarf an funktionellen Arbeitsplätzen im eigenen Zuhause erhöht. Merkt Ihr das bei Eurer Arbeit an Wohnprojekten und in Gesprächen mit Kund*innen?
Nicht unbedingt mehr oder weniger als vorher. Die Projekte, bei denen Kunden gerne einen Office-Bereich wollen, werden bei uns immer sehr wohnlich und besonders gestaltet. Es ist nie einfach nur eine Arbeitsecke. Solch ein Raum oder Bereich soll eine lebhafte Geschichte erzählen.

Welche Anforderungen sind den Auftraggeber*innen am wichtigsten bei einer Homeoffice-Lösung?
Den Kunden ist es wichtig, dass auch ein Homeoffice-Bereich unsere Handschrift trägt und deren persönliche Geschichte erzählt. Natürlich gibt es ein paar praktische Anforderungen, die wir immer ins Design des Objekts einbeziehen. Manchmal sind es Schreiner-Einbauten aus eigenen Entwürfen oder zum Beispiel ein toller Designertisch, der einen Akzent im Raum setzt.

Was bedeutet das für andere Bereiche in einer Wohnung? Hat sich die Gesamtgestaltung dadurch verändert?
Eigentlich nicht – und außerdem wollen wir unseren Gestaltungsprozessen treu bleiben. Das Zuhause spielt für uns schon immer die größte Rolle. Unser Grundsatz ist, eine Geschichte zu erzählen und Rückzugsorte zu schaffen. Das war vor der Pandemie so und ist heute auch noch so.


Im ersten Teil unserer Homeoffice-Reihe lesen Sie, wie Tenka aus Bilbao sowie Coordination, Ester Bruzkus Architekten und Christopher Sitzler aus Berlin mit den Veränderungen umgehen.

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Links

Sigurd Larsen

sigurdlarsen.com

Holzrausch

www.holzrausch.de

raul sanchez architects

raulsanchezarchitects.com

Stephanie Thatenhorst

www.stephanie-thatenhorst.com

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