Homo Ludens
12 Spiele, die eine gute Gestaltung und eine gute Zeit versprechen

Spielen triggert eine Art emotionales Muskelgedächtnis: Da ist das zufriedene Gefühl beim Ablegen des letzten Puzzle-Teilchens. Die Freude über den höchsten Jenga-Turm, das längste Scrabble-Wort. Analoge Spiele standen zuletzt in Konkurrenz zu Fernbedienung und Tastatur, jetzt berichten die Brettspiele-Hersteller von leeren Lagern. Spielen ist Entschleunigung, Meditation und eine kommunikative Alternative zum digitalen Unterhaltungskonsum. Und ein mentaler Ausgleich in Zeiten ohne Theater, Kino und Museum. Wir stellen 12 Spiele für einen bis viele vor, die gute Gestaltung und eine gute Zeit versprechen.
Areaware – Croc Pile
Seit zwanzig Jahren sägt der New Yorker Designer Carl Zahn kleine Holztiere, fasziniert davon, wie ein paar Schnitte und Löcher einem Stück Holz plötzlich Charakter verleihen können. Einer seiner liebsten Modelle ist der Alligator. Für Areaware hat er ein ganzes Rudel entworfen, das entweder in Krokodil-Grün oder in knallige Blockfarben gekleidet ist – oder sich in nacktem Naturholz zeigt. Spaß machen vor allem die akrobatischen Talente der niedlichen Reptilien. Mit gezacktem Rücken, offenem Maul und gerecktem Schwanz lassen sie sich zu verschachtelten Türmen zwischen erdbebensicher und windstoßgefährdet stapeln. Jedes Rudel kommt in einem kleinen Jute-Säckchen und der Schwierigkeitsgrad des Turmbaus wächst mit jedem weiteren Set mit.
Miu Miu – M/Matching Colourstool
Mode am Möbel: Das Fashion-Label Miu Miu hat für den Salone del Mobile 2019 einen Hocker entworfen, der mit seiner flächendeckenden Perforation und passenden kleinen Stäbchen gar nicht mal so entfernt an den Spieleklassiker Mastermind erinnert. Allerdings gibt es auf dem hölzernen Möbel nichts zu gewinnen, außer ein personalisiertes Wohnobjekt aus einem großen Designerhaus. Die 300 Hölzchen sind in 12 Farben lackiert, der Dreibeiner selbst ist aus massivem Lindenholz gefertigt und natürlich limitiert: Nur 300 Stück schickt Miu Miu in die Wohnzimmer der Welt. Der Hocker als Brettspiel – mit einer Agenda, die Miu Miu am Schönsten zusammenfasst: „Spiel gegen Dich selbst und entdecke die individuelle Logik Deiner eigenen Entscheidungen.“
Fredericks & Mae – Dominos
Fredericks & Mae ist ein in Brooklyn ansässiges Designstudio, das sich dem guten Geschenk verschrieben hat und Objekte gestalten will, die, einmal sorgfältig ausgesucht, lange bei uns bleiben. Und weil gute Geschenke individuell sind, sind es auch ihre Domino-Sets, die statt sechs Punkten Sterne, Monde oder Flaggen tragen. Das älteste bekannte Domino-Set wurde übrigens in Tutenchamuns Grab in der Ruine von Theben gefunden. So nachhaltig können Geschenke also sein.
Asmodee – Tokyo Highway
Tokio ist immer wach und stets in Bewegung. Außerdem legendär ist der Verkehr, der zum Thema dieses Strategiespiels aus dem Hause Asmodee wurde. Es erzählt die Geschichte des Shuto Expressways, der 1962 eröffnete und zum Ziel hatte, sich nach möglichst kurzer Bauzeit durch die Häuserschluchten zu schlängeln und die Bestandsstraßen zu entlasten. Am Ende war die Straßenführung der 4,5 Kilometer langen Strecke vor allem eines: kompliziert. Pfeiler, Brücken und natürlich Autos beschäftigen im Spiel Tokyo Highway zwei bis vier Spieler mit vertracktem Hochbau und geschickten Kreuzungen. Ziel ist es, seine Autos loszuwerden, die immer dann auf dem Spielfeld landen, wenn sich die schrägen Brücken kreuzen.
Kid's Concept – Ludo Game NEO
Mammut ärgere Dich nicht – statt simpler Holzfiguren wandern im Neo-Spiel von Kids Concept steinzeitliche Charaktere übers Brettchen. Sie wohnen in Vierersippen auf Vulkanen und hinterlassen auf den Wegen dicke Tatzen und schlanke Krallen. Das Spiel lässt sich in der Mitte zusammenfalten und wird so zur Aufbewahrungsbox für die 16 Figuren und zwei Würfel. Gummibaumholz und pastellige Nuancen zwischen Puderrosa und Taubenblau trotzen dem urzeitlichen Thema und fügen sich ästhetisch harmonisch ins Interieur der Millenials. Wenn die kleinen Mitspieler ins Bett gehen, kann die Box ruhig also auf dem Coffee Table der Großen liegenbleiben.
Bryan Nash Gill – Woodcut Memory Game
Der 2013 verstorbene Künstler Bryan Nash Gill war bekannt für seine poetischen Holzdrucke, die auch eine Suche nach der Seele der Bäume sind. Sie legen die Silhouette frei, zeigen die Jahresringe oder bilden das individuelle Habitat ab. Die Serie Woodcuts zeigt Querschnitte durch verschiedene Stämme als Relief und erzählt denjenigen, die die Codes lesen können, Geschichten von harten Wintern, langen Sommern oder heftigen Stürmen. Erst als Buch erschienen, bietet das Memory-Spiel 26 Relief-Paare, die im Spielverlauf wieder zusammengeführt werden müssen.
Areaware – Minim Cards von Joe Doucet
Wieviel kann man grafisch wegnehmen, ohne die Funktion zu beeinträchtigen? Die Spielkarten vom New Yorker Designer Joe Doucet haben erst einmal die Monarchie abgeschafft und dann die Bauern befreit – an ihrer Stelle bleiben nur ein paar Buchstaben in den Ecken als Hinweis auf die Funktion der Karte. Pik, Herz, Karo und Kreuz werden im Sinne einer Infografik vereinfacht, die tatsächliche Anzahl wird nur noch numerisch dargestellt. „Wie oft zählen wir schon die zehn Pik in der Mitte, anstatt nur die Nummer zehn und das Pik-Symbol in der oberen linken Ecke zu lesen?“, fragt Doucet. Das Resultat der konsequenten, gestalterischen Subtraktion ist viel Leere, die den positiven Nebeneffekt hat, dass die Gegenspieler sich nur erschwert in die Karten gucken können.
Feuerland – Flügelschlag
Wenn Erwachsene spielen, dann muss es nicht knallig bunt sein und Lernen ist ein gern genommener Nebeneffekt, der ruhig schon auf der Packung stehen darf. Im 2019 mit dem Preis „Kennerspiel des Jahres“ ausgezeichneten Strategiespiel Flügelschlag werden die Spieler zu Ornithologen, die Vögel aus drei Lebensräumen sammeln. Durch den relativ hohen Anspruch eignet es sich erst ab zwölf Jahren, kann dafür aber auch von einem einzelnen Spieler in einer Solovariante gespielt werden. Die liebevollen, handgezeichneten Grafiken und hochwertigen Materialien von der Anleitung bis zu den Holzfiguren sprechen Ästheten an – und spätestens nach einigen Runden werden die Futtervorlieben und Federzeichnungen von Singammer oder Mississippiweih zum Allgemeinbildungswissen.
Weltrevee – Tea Towels
Kein Platz für Brettspiele im Mini-Apartment oder dem Wochenendhäuschen? Weltrevee hatte die gute Idee, das Brett einfach wegzulassen und dafür klassischen Geschirrtüchern eine Doppelfunktion zu geben. Statt Karo oder Streifen sind Spielfelder in die blauen und roten Textilquadrate eingewebt, mit denen Dame, Schach oder Mensch ärgere Dich nicht gespielt werden kann. Die Spielsteine werden aus dem Verfügbaren improvisiert: Kronkorken eignen sich genauso wie Schokolinsen. Die Tücher kommen im Doppelpack, sodass immer ein Tuch für den klassischen Einsatz an der Spüle bereitliegt. Als Alternative schlagen wir einen Wetteinsatz vor: Der Verlierer macht den Abwasch.
Gerhards Spiel und Design – Urbino
Was machen Architekten, wenn das Studio zu hat? Sie holen die Bauklötze raus. Urbino ist ein Gesellschaftsspiel für zwei Architekten-Figürchen, die hier nicht Schwarz, sondern Rot tragen. Sie suchen sich auf dem hölzernen Reissbrett einen Arbeitsplatz, von dem aus sie ihre Vision von einer Metropole errichten. Teil der Planung sind wie im echten Leben die Sichtachsen, die bei Urbino die Bauplätze für Türme, Paläste und Häuser bestimmen. Aus ihnen werden zusammenhängende Häuserblöcke oder Stadtviertel. Wenn das Baumaterial oder die Bauplätze ausgehen, ist der Bauboom vorbei und das Lebenswerk wird in Punkte umgerechnet. Abriss, Neubau! 2019 hat das Holzspiel den MinD-Spielepreis gewonnen, vergeben vom Hochbegabtenverein Mensa in Deutschland e.V., der Spiele nach Kriterien wie dem intellektuellem Anspruch, Strategie und Kombination oder seinem Unterhaltungswert beurteilt.
Asmodee – Exploding Kittens
Diese Katzen sind echte Revoluzzer. Als sie sich 2015 das erste Mal auf Kickstarter zeigten, fuhren sie sofort einen Rekord ein. Mit der einfachen Beschreibung „Dies ist ein Kartenspiel für Leute, die sich für Kätzchen, Explosionen, Laserstrahlen und manchmal Ziegen interessieren“ wurde Exploding Kittens zur bis dato erfolgreichsten Kickstarter-Kampagne. Mittlerweile gehören zum Katzenimperium auch Erweiterungen wie die implodierenden Katzen oder das nicht jugendfreie NSWF-Deck. Worum also geht es? Exploding Kittens ist Russisch Roulette mit Karten, ersetzt die Patronen aber durch flauschige Kätzchen. Wer eine der explodierenden Katzen aus dem Stapel zieht, scheidet aus. Oder hat zufällig die richtige Karte auf der Hand, um sie zu entschärfen – indem er ihr den Katzenbauch krault, sie mit einem Laserpointer ablenkt oder mit Katzenminze füttert. Das ist alles schnell zu verstehen und dauert gerade einmal eine kurzweilige Viertelstunde, in der man auch erfährt, was die Ziege hier zu suchen hat.
Clemens Habicht – Colour Puzzle
Es gibt Puzzle und es gibt Puzzle. Die einen fügen sich in ein paar Stunden zum Landschaftsbild zusammen, die anderen brauchen Profi-Equipment wie eine Matte (zum nächtlichen Zusammenrollen), Sortierboxen (für die Farben) und Assistenten mit guten Nerven und flinken Händen (für den gemeinsamen Triumph). Die Colour-Puzzle von Clemens Habicht haben so viele Farben wie Teile – und verzichten dafür auf überflüssigen Schnickschnack wie ein Motiv. Man könnte mit 100 oder 500 Farben klein anfangen. Wo das Ego allerdings nach Herausforderung schreit, empfiehlt sich der vierstellige Bereich. Bis zu 5.000 Teile lassen sich zu einer bodenbedeckenden Farbwolke zusammensetzen. Handwerklich knifflig ist der Farbglobus mit 540 Teilen, bei dem die konkaven Teile in die dritte Dimension des Puzzle-Universums führen.
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