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Trau Dich: Schlag zu!

Konstruktiv behandelte Aggression: Die Ausstellung Worker’s Delight in der Galerie des Vitra Design Museums in Weil am Rhein.

von Norman Kietzmann, 29.06.2016

Wenn der Irrsinn im Arbeitsalltag mal wieder Höchstwerte erreicht, bewirkt das Vermöbeln eines Boxsacks wahre Wunder. Wie diese und manch andere Sportlichkeit mit Stil und Humor verbunden wird, zeigt das Berliner Kreativbüro Bless mit seiner Ausstellung Worker’s Delight in der Galerie des Vitra Design Museums in Weil am Rhein. Selten wurde Aggression so konstruktiv behandelt.

Arbeit ist Stress. Auch wenn alle immer wieder betonen, wir sehr der Teamgeist funktioniert und die Kollegen zueinander stehen: Unter der Oberfläche brodelt es gewaltig. Intrigen und Zickenkriege sind an der Tagesordnung. Getreten wird nach unten. Gehechelt nur nach oben. Kein Wunder, dass viele festangestellten Bürokräfte nach acht Stunden Schreibtischarbeit nicht nur mental, sondern ebenso körperlich am Ende sind. Der Überlebenskampf im Office saugt an allen Kräften. 

Kreative Grenzgänger 
Dass hierbei durchaus neue Weg zu beschreiten sind, zeigen die Berliner Designerinnen Desiree Heiss und Ins Haag, besser bekannt unter ihrem Büronamen Bless. Seit 1997 arbeiten die beiden an der Schnittstelle von Mode, Kunst und Design – und sind dabei immer wieder für überraschende, sperrige, doch stets raffinierte Entwürfe gut. „Was wir tun, ergibt sich aus der Situation, mit der wir leben“, sagen die beiden. Das ist natürlich maßlos untertrieben. Anstatt pragmatisch ans Werk zu gehen, werfen die beiden einen  scharfsinnigen wie humorvollen Blick auf die Dinge des Alltags.

Fitness für den Geist 
Ein Thema, mit dem sich die Designerinnen seit mehreren Jahren beschäftigen, ist die Arbeit. Für die Galerie des Vitra Design Museums in Weil am Rhein haben sie nun die Ausstellung Worker’s Delight inszeniert – die wie jedes Bless-Projekt mit einer durchlaufenden Nummer versehen ist, in diesem Fall mit der Ziffer 56. Was die Besucher beim Betreten der kleinen Galerie erwartet, mutet auf den ersten Blick wie ein stilvolles Fitnessstudio an. „Die Objekte bieten unerwartete Möglichkeiten für eine tagtägliche Büroarbeit in Bewegung und eine Restrukturierung des Arbeitsalltags vor dem Computer“, wird den Besuchern als Erklärung mitgegeben. 

Schlagbälle sind aus weichem Leder gefertigt und laden zum Berühren der Oberflächen ein. Eine Streckbank ist mit einer Oberfläche aus grünem Marmor veredelt. Dahinter spannt sich eine voluminöse Hängematte von einer Wand zur anderen und lässt an einen Orientteppich denken. Die Szenerie gleicht einer sinnlich aufgeladenen Muckibude, die nicht im Sportdress betreten wird, sondern in Anzug und Krawatte – oder welche Uniform die Nutzer dieser unkonventionellen Büroausstattung sonst tragen mögen.

Geboxte Nachrichten 
Die Aktivierung von Bewegung, die sich derzeit fast alle Hersteller von Drehstühlen auf die Fahne schreiben, erfährt damit eine archaische Rückkopplung. Keine komplizierte Mechanik wird benötigt, um Muskeln und Gelenke aus der Starre zu befreien. Es genügen ein paar Utensilien aus dem Sportunterricht, luxuriös aufbereitet und mit einigen, praktischen Zusatzfunktionen versehen. Worum es dabei geht, ist keine Optimierung im rein ökonomischen Sinne. Wenn Nachrichten mithilfe eines „Workoutcomputers“ geboxt werden, indem jeder Buchstabe über einen eigenen Schlagball aktiviert wird, treten ebenso Spiel und Spaß an vorderste Stellung. 
Kopfkino zum Anfassen 
"Bless entwickeln damit eine ungewöhnliche Einstellung zur Büroarbeit, die sie der vermeintlich freien und flexiblen Arbeitswelt gegenüberstellen, um Aspekte wie eine verinnerlichte Effizienzsteigerung und die belächelte Gesundheitsförderung neu zu diskutieren", kommentiert die Kuratorin der Ausstellung Janna Lipsky. Passend dazu laden Desiree Heiss und Ines Kaag von Bless am siebten Juli zu einer "Arbeitsalltagsgymnastik", um die Tauglichkeit der Utensilien sogleich an Ort und Stelle unter Beweis zu stellen. 

Die Botschaft des Ganzen: Die Rituale der Büroarbeit folgen keinen unverrückbaren Gesetzen. Sie lassen sich auf ebenso freiere, spielerischere und humorvollere Weise vollziehen, als es bislang der Fall ist. Das Ergebnis ist keine strickte Handlungsanweisung. Eher das Ausloten gedanklicher Freiräume. Eine Art Kopfkino zum Anfassen. Und wer weiß: Vielleicht lassen sich tatsächlich all jene Differenzen überwinden, die den Büroalltag mitunter zur Qual werden lassen – durch gemeinsames Vermöbeln von kunstvoll gearbeiteten Boxsäcken und synchron ausgeführte Turnübungen. Wer nach einem solchen Meeting ein Protokoll verlangt, ist selber schuld.

Bless N°56 Worker’s Delight – noch bis zum 9.Oktober 2016 
in der Vitra Design Museum Gallery in Weil am Rhein

Special Event
Bless – Arbeitsalltagsgymnastik, am 7. Juli 2016 um 18 Uhr

Mehr aus dem Designlines-Themenspecial Kunst der Arbeit lesen Sie hier.

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Links

Vitra Design Museum

www.design-museum.de

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