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Design-Statements auf der Wand

Ein Interview mit Julian Waning von Gira

Mit den Aufputz-Schalterprogrammen der Designlinien Gira Studio und Gira E2 entstehen hochwertige Installationen für eine anspruchsvolle Innenarchitektur. Julian Waning, Architektur Media Manager und verantwortlich für die Architekturkommunikation bei Gira, sprach mit uns über Ästhetik und Vielseitigkeit von Aufputz-Lösungen, die zudem auch im Hinblick auf die Nachhaltigkeit interessant sind.

von Heike Edelmann, 18.10.2024

Lange galt die Unterputz-Installation auch in Bezug auf die Gestaltung als Optimum. In welchen Fällen sind Aufputz-Installationen die bessere Lösung?
In Deutschland ist es schon lange üblich, dass elektrische Installationen größtenteils unter Putz verlegt werden. Das gilt als „schöne“ und „sichere“ Lösung, weil dabei nur die Bedienelemente zu sehen sind und die Konstruktion in der Wand versteckt liegt. Schaut man in der Geschichte zurück, stellt man allerdings fest, dass elektrische Installationen früher vor allem auf Putz montiert wurden. Dafür gibt es bis heute gute Gründe: In anderen Regionen der Welt, beispielsweise in Asien oder auch im südeuropäischen Raum, wird bis heute mehrheitlich auf Putz installiert. Das gilt auch für den Außenbereich. Vermutlich kennt jeder, der schon einmal in Asien gewesen ist, die Bilder von schwarzen „Kabelknäueln“ an den Außenfassaden. Der große Vorteil einer Aufputz-Installation liegt dabei auf der Hand: die einfache Montage und Wartung.

Im Gegensatz dazu haben wir in Deutschland Aufputz-Steckdosen und -Schalter lange Zeit vor allem in Kellerräumen, Abstellkammern oder Garagen angetroffen. Dort werden sie gerne aus Kostengründen eingesetzt, denn sie können mit weniger Arbeitszeit und Werkzeugeinsatz installiert werden. Außerdem müssen dabei keine Wände aufgestemmt werden. Im Bestand erspart man sich so Lärm und Dreck auf der Baustelle. Auf jeden Fall ist das Resultat schneller und kostengünstiger zu erreichen. Nicht zuletzt lässt sich eine Aufputz-Installation einfacher an veränderte Bedürfnisse anpassen. Dennoch waren Aufputz-Lösungen bei anspruchsvollen Projekten hier lange undenkbar.

An dieser Auffassung hat sich aber etwas geändert?
Ja, es gibt nun auch Anwendungsfälle, bei denen eine additive Installation bewusst als ästhetisches Mittel eingesetzt wird. Wenn beispielsweise ein Gebäude mit Betonwänden saniert werden soll, ist der Aufwand für das Einschlitzen zur Verlegung von Leitungen wesentlich größer und damit teurer als bei gemauerten Wänden. Besonders bei einer anspruchsvollen Innenarchitektur können schöne, stylische Aufputz-Schalter und -Steckdosen zugleich zum ästhetischen Statement werden. Für diesen Anwendungsfall wurden Designlinien wie die Gira Studio entwickelt, denn dadurch erspart man sich, den harten Stahlbeton mit Spezialwerkzeugen aufwendig einzuschlitzen und muss gleichzeitig keine Kompromisse im Hinblick auf das Design eingehen.

Welche anderen Anwendungsbeispiele sind denkbar?
Stellen wir uns eine typische Loftwohnung vor, ein umgenutztes Fabrikgebäude mit unverkleideten Backsteinwänden und hohen Decken. In einem solchen Szenario werden die Backsteinwände nicht selten zu einem authentischen, puren Gestaltungsdetail und es wäre viel zu schade, wenn einzelne Steine durch das Aufschlitzen für Elektroinstallationen unwiderruflich optisch zerstört würden. Stattdessen können die Kabel direkt auf der Wand verlegt werden. Unser Schalterprogramm Gira Studio ist aus diesem Bedarf heraus entstanden – für Innenarchitekt*innen mit einem hohen Anspruch an zeitloses Design. Eine Aufputz-Installation mit Gira Studio ist ein bewusst eingesetztes Gestaltungselement.

Und welche Fragen ergeben sich für Design und Konstruktion? Wie hat Gira diese beantwortet?
Da muss ich etwas weiter ausholen. Gira war schon immer ein Systemanbieter und hat durch die Entwicklung von modularen Baukastensystemen – wie zum Beispiel dem Gira System 55 – schon früh Design und Funktion voneinander entkoppelt. Das hat den großen Vorteil, dass sich Innenarchitekt*innen bei uns für ein bestimmtes Design entscheiden können und dabei keine Angst davor haben müssen, dass es in diesem Design einen speziellen Funktionseinsatz nicht gibt. Das Gira System 55 hat heute bereits über 300 Funktionseinsätze und ist in einer Vielzahl von Farben und Materialien erhältlich. Ein weiterer Vorteil ist, dass dieses Baukastensystem kontinuierlich weiterentwickelt und um neue Funktionseinsätze erweitert wird. So können auch noch Jahre später ältere Funktionseinsätze durch neuere ersetzt werden. Ein Beispiel dafür ist die Gira USB-Steckdose mit jeweils einem USB-A- oder USB-C-Anschluss. Wir beobachten, dass es zunehmend schwerer wird vorherzusagen, welchen technischen Anforderungen ein Gebäude in den nächsten Jahren gerecht werden muss. Hier hilft vor allem eines: Flexibilität. Die Aufputz-Schalterserien Gira Studio und Gira E2 sind voll kompatibel mit dem Gira System 55. Das macht sie flexibel und sehr langfristig nutzbar.

Wie reagieren Architekt*innen und Innenarchitekt*innen auf das Angebot? Gibt es bereits erste Referenzprojekte, bei denen diese Designlinien zum Einsatz kamen?
Bei Architekt*innen gibt es historisch betrachtet verschiedene und zum Teil sogar gegenpolige Auffassungen: Entweder bevorzugen sie eine verborgene Technik oder stellen die technische Ausstattung bewusst in den Vordergrund. Bereits beim 1977 eröffneten Centre Pompidou in Paris wurde das bis ins kleinste Detail konsequent ausgeführt. Installation offen oder verdeckt anzubringen – das polarisiert bis heute.

Wir stellen fest, dass Aufputz-Installationen in Deutschland zunehmend beliebter werden, vor allem auch bei Architekturen mit hohem gestalterischem Anspruch. Da kann man schon von einem kleinen Trend sprechen. Auch Marktbegleiter, wie zum Beispiel die Firma OBO, haben diese Tendenzen erkannt und ihr Angebot um Kabelkanäle in der Farbe Schwarz erweitert. Im Zusammenspiel mit Aufputz-Schalterprogrammen wie Gira Studio und Gira E2 sind damit nun auch einheitlich hochwertig gestaltete Aufputz-Lösungen möglich. Aktuelle Referenzprojekte mit den Gira Aufputz-Schalterprogrammen zeigen das, beispielsweise im Stilwerk Workspace Hamburg oder in Büro- und Wohngebäuden in Italien, Portugal und Spanien.

Welche speziellen Gründe gibt es, sich für Aufputz-Lösungen zu entscheiden?
Wie schon erwähnt, können Architekt*innen und Innenarchitekt*innen es bevorzugen, die Funktion bewusst als gestalterisches Element offenzulegen. Oder räumliche Gegebenheiten wie besondere Wandoberflächen sprechen dafür. Bei denkmalgeschützter Architektur können Wandoberflächen aus Steinmaterialien erhalten bleiben, wenn die Verkabelung auf der Wand verlegt wird. Ein weiterer Anwendungsfall für Aufputz-Installationen ist das serielle Bauen, bei dem ganze Räume oder Wandelemente fertig angeliefert werden. Hier gibt es häufig die Anforderung, möglichst flexibel zu bleiben, beispielsweise bei einer temporären Nutzung von Gebäuden oder bei Tiny Houses. Eine Aufputz-Installation bietet hierbei die Option, schonend rückbauen zu können, ohne dass die einzelnen Komponenten zerstört werden. Auch das ist für ein Nachhaltigkeitskonzept nicht uninteressant.

Das Thema Nachhaltigkeit wird in der Elektrotechnik bislang vor allem mit recycelten Materialien und dem Cradle-to-Cradle-Prinzip in Verbindung gebracht. Kann also auch die Wahl der Konstruktion eine nachhaltige Wirkung entfalten?
Ja, auch die Auswahl einer besonders geeigneten Konstruktion, die zur architektonischen Anforderung und den regionalen Gegebenheiten passt, kann ein Gebäude „nachhaltiger“ machen. Schalter, Steckdosen und Stromleitungstrassen, die auf Putz installiert werden, sind in der Regel zerstörungsfrei rückbaubar und damit wiederverwendbar. Das gilt für temporäre Nutzungen, bei einem Umzug und natürlich auch für die Umnutzung eines Raums oder Gebäudes. Aufputz-Installationen lassen sich schnell, sauber und kostengünstig abbauen und im veränderten Kontext erneut installieren.

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