Lokal global
Vince Berbegal über die mediterrane DNA und globale Vision von Actiu

Partner: Actiu
Mit „Life Friendly Spaces“ bringt Actiu mediterrane Wärme und technische Präzision nach Deutschland. Vince Berbegal, Geschäftsführer der deutschen GmbH, spricht über Design für Menschen sowie nachhaltige Produktion in Spanien – und warum Büros Orte des Wohlbefindens sein sollten.
Vince Berbegal ist in zweiter Generation in leitender Position beim spanischen Büromöbelhersteller Actiu und Geschäftsführer der frisch gegründeten deutschen GmbH. Jetzt bringt Actiu seine „Life Friendly Spaces“ mit Showrooms nach Frankfurt, Berlin und München. Wir trafen Vince Berbegal in einem Kreuzberger Café und sprachen mit ihm über Design für Technik, Kultur in der Arbeit und die Werte eines Unternehmens, das konsequent lokal produziert und global denkt.
Seit wann gibt es Actiu?
Die Firma wurde 1968 von meinem Vater als kleines Unternehmen gegründet. Er war damals sehr jung und hatte gerade die Schule beendet. Wirtschaftlich waren das schwierige Zeiten in Spanien und er fand zunächst Arbeit in einer Schreinerei. Schon bald war er derjenige, der den Kollegen erklärte, wie sich das Unternehmen effizienter und erfolgreicher führen ließe. Rasch passte er das Geschäftsmodell an. Statt individueller Entwürfe für Kunden setzte er auf serielle Möbel, die flach verpackt werden konnten und deshalb leichter zu transportieren und in größeren Mengen zu verkaufen waren.
Was für Möbel waren das?
Mein Vater war stets ein Visionär, der Lösungen entwarf, noch bevor der Bedarf erkannt wurde. Als Fernseher noch eine Seltenheit waren, erkannte er, dass bald jeder ein Möbel dafür brauchen würde. Also entwarf er TV-Schränke. Zunächst glaubte man, er würde auf seinen Möbeln sitzen bleiben. Doch wenig später hatte beinahe jeder Haushalt ein Fernsehmöbel. Ähnlich war es mit dem Computer. Schon in den 1970er-Jahren sprach er vom „Homeoffice“. In Spanien fragte man damals: „Home … was?“ Aber er meinte: „Jeder sollte von zu Hause arbeiten können.“ Und als die ersten Drucker in die Haushalte kamen, entwickelte er spezielle Möbel mit ausziehbarer Platte.
Actiu ist seit über einem halben Jahrhundert am selben Ort ansässig. Wo genau?
Castalla, unser heutiger Firmensitz, war bei Firmengründung ein kleines Dorf mit landwirtschaftlicher Prägung, das sich später zu einem Industriezentrum entwickelte. Das Tal von Castalla wurde zur Hochburg der Spielzeugproduktion. Anfangs produzierte man mit Holz, später mit Kunststoffen, Schaumstoff, Aluminium oder Stahl. Unternehmen wie Famosa, Mattel oder Playmobil hatten hier große Standorte. Anfang der 2000er-Jahre verlagerten sie ihre Produktion nach China. Das Know-how der Ingenieure und Fachkräfte wurde von uns und anderen Unternehmen aufgenommen. Anstatt diese Menschen arbeitslos werden zu lassen oder sie nach China zu schicken, holten wir sie zu uns – und ihr Wissen half uns, weiterzukommen.
Warum war für Sie eine Produktion im Ausland keine Option?
In Castalla konnten wir das gebündelte Know-how nutzen und verschiedene Fertigungsprozesse unter einem Dach vereinen. So entstanden nicht nur Homeoffice-Möbel oder TV-Schränke, sondern auch Arbeitsplatzsysteme, technische Möbel und ergonomische Stühle. Damit haben wir uns einen Namen gemacht. Teil unserer Identität ist es, Lösungen für Menschen zu entwickeln. Als wir wuchsen, wollten wir mit unserem Headquarter auch ein Vorbild für gute Arbeitswelten schaffen.
Actiu hat mit seinem neu geplanten Firmencampus vor 25 Jahren ein sehr progressives Projekt angestoßen. Wie kam es dazu?
Ende der 1990er-Jahre entstand die Idee für den Actiu Technology Park. Ich erinnere mich, wie mein Vater mit den riesigen Bauplänen über mehrere Hunderttausend Quadratmeter nach Hause kam und sagte: „Ich werde bauen.“ Die Gebäude sahen futuristisch aus – fast wie Raumschiffe. In seinem Kopf war alles klar: Energie sollte effizient genutzt, Regenwasser gesammelt, Solarpaneele installiert werden. Die gesamte Infrastruktur sollte die Grünflächen versorgen und die Produktion speisen. Für die 1990er-Jahre war das visionär. Doch als er die Pläne Stakeholdern präsentierte, hielten sie das für verrückt: „Nachhaltigkeit? Das ist doch kein Thema.“ Es dauerte, bis auch die Behörden überzeugt waren. 2002 begann der Bau, 2008 wurde er fertiggestellt. Heute erzeugt der Technology Park das Sechsfache unseres Eigenbedarfs an Energie. Er ist also nicht nur nachhaltig, sondern auch profitabel.
Die Produktion ist heute in Castalla konzentriert?
Etwa 95 Prozent unserer Produkte und Teile entstehen innerhalb eines Radius von 30 Kilometern. Wir haben den Technology Park, dazu Partnerfirmen in der Region, die Komponenten fertigen, die dort montiert werden. So kontrollieren wir die gesamte Prozesskette. Wir betreiben sogar eine eigene Fabrik für Spritzgussformen – riesige Stahlblöcke, mit denen wir etwa Stuhlbeine herstellen. Wir denken lokal und handeln global: Wir investieren in unsere Wurzeln, in Menschen, Infrastruktur, Automatisierung und Digitalisierung – und bieten dennoch internationale Lösungen. Das verursacht zwar höhere Kosten, garantiert aber Qualität, Konsistenz und schnelle Reaktionsfähigkeit.
Was bedeutet der Firmenname?
Auf Valencianisch – also in unserer Regionalsprache – bedeutet er „dynamisch“ und „aktiv“. Genau das spiegelt den Geist der Firma wider: Wir sind immer in Bewegung.
Actiu vertreibt seine Produkte in 90 Ländern. Welche kulturellen Unterschiede lassen sich in den Büros dieser Welt beobachten?
Es geht dabei nicht nur um Ästhetik, sondern ebenso um Arbeitsgewohnheiten und kulturelle Prägungen. Die angelsächsischen Märkte etwa ähneln sich stark, unterscheiden sich jedoch deutlich von Deutschland. Gerade hier verfügen wir über langjährige Erfahrung und ein tiefes Verständnis. Zugleich ist es ein wechselseitiger Prozess: Der deutsche Markt vermittelt uns Struktur und eine langfristige Perspektive, während wir unsere mediterrane Essenz einbringen – Wärme, Offenheit und Kreativität.
Actiu hat jüngst eine GmbH in Deutschland gegründet. Was plant das Unternehmen hier?
Wir haben bereits einen Showroom in Frankfurt und planen für das zweite Quartal 2026 zwei weitere in München und Berlin. Actiu hat ein sehr breites Produktsortiment – nicht nur für den Arbeitsplatz, sondern auch für Hospitality und öffentliche Bereiche. Damit können wir „Life Friendly Spaces“ gestalten, also Räume, in denen man sich nach dem Verlassen besser fühlt als beim Betreten. Das versuchen wir in Deutschland einzubringen. Gleichzeitig lernen wir technisch viel vom deutschen Markt – bei Produktion, Materialien, Prozessen.
Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Wie reagiert Actiu auf die Veränderungen?
Der erste große Umbruch war 2008 während der globalen Finanzkrise. Viele Unternehmen gingen insolvent oder investierten nicht mehr in ihre Ausstattung. Das brachte uns dazu, neue Sektoren zu erschließen, wie Flughäfen, öffentliche Einrichtungen oder Einrichtungen im Gesundheitssektor. Nach Covid wurde der Trend zur flexiblen Bürokultur verstärkt. Viele Menschen hinterfragen ihren Lebenssinn, kündigen Jobs, suchen neue Erfahrungen. Büros sind nicht mehr nur Orte zum Arbeiten, sondern fördern auch Kreativität und Interaktion. Hier setzen wir an. Beispielsweise durch einen Tisch, der hydraulisch von Sitz- zu Stehposition wechselt, kabellos ist, klappbar und beweglich. Dadurch haben wir in den letzten Jahren viel Wissen im Bereich des Produktdesigns und der technischen Entwicklung aufgebaut.
Actiu hat – wie bereits erwähnt – die Mission, „Life Friendly Spaces“ zu schaffen. Was zeichnet diese Räume aus?
Bürogestaltung ist heute eine Kombination aus funktionalen und sozialen Bereichen, wie Videocall-Terminals oder Ruhebereiche mit Akustiklösungen. Diese „Inseln der Ruhe“ isolieren den Lärm und schaffen Konzentration. Wir gestalten nicht einfach nur mit Blick auf das reine Produkt oder Möbelstück, sondern entwerfen für den Raum. Und hier geht nicht nur ums Arbeiten, sondern auch um Gemeinschaft, Technologie, Effizienz und Werte der Institution. Und darum, Räume zu schaffen, die das Wohlbefinden steigern, eben „Life Friendly Spaces“. Nehmen wir ein Krankenhaus als Beispiel: Oft fühlt man sich nach dem Betreten schlechter als vorher. Wir wollen das Gegenteil erreichen – durch Materialien, Biophilie, Tageslicht, Umgebung. Dasselbe gilt für Büros, Flughäfen, Hospitality, Bildung. Räume sollen positive Erfahrungen erzeugen und den Menschen einen Grund geben, überhaupt dorthin zu gehen.
Wie sieht Ihr Arbeitstag aus? Haben Sie persönliche Rituale?
Ich beginne die meisten Tage mit einem Spaziergang am Meer – ein kleines Ritual, das mir hilft, den Kopf freizubekommen und fokussiert in den Tag zu starten. Ins Büro zu gehen bedeutet für mich, mit anderen zu kommunizieren, Kollegen zu unterstützen, Probleme zu lösen und gleichzeitig selbst zu lernen. Man muss rausgehen, sonst verpasst man viel. Natürlich gibt es gute und schlechte Tage. Strategien klappen mal, mal nicht – aber man lernt aus Fehlern und muss es dann eben erneut versuchen.

Actiu
Immer in Bewegung: Mit mediterraner Essenz und voller spanischer Lebensfreunde, gelebtem Pioniergeist und ungebändigter Passion kreiert Actiu individuelle Lebensräume und Orte zum Wohlfühlen. Erschafft in seinem LEED und WELL v2 Platin zertifiziertem Technologiepark Produkte im Einklang von Mensch und Natur – und das seit mehr als 50 Jahren als Familienunternehmen aus Castella für Projekte weltweit. ¡Actiu te saluda!
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