Menschen

„Man muss vor der KI nicht zu viel Respekt haben“

Technologie-Insider Timm Wilks im Interview

Als Managing Partner der Schmidhuber Brand Experience in München sieht Timm Wilks Marken, Räume und virtuelle Welten holistisch. Er hat Interface Cultures (Human Machine Interfaces und Medientheorie) in Österreich und Japan studiert. Sein Blick auf die Künstliche Intelligenz ist derjenige eines technologischen Insiders. Im Interview spricht er darüber, wie KI-Anwendungen Markenräume und Arbeitsplätze künftig verändern werden.

von Karin Henjes, 05.02.2024

Wie sieht Ihr innenarchitektonischer Background aus?
Ich kam über die digitale gestalterische Praxis in den Raum und bin bei Schmidhuber für die entsprechenden Anwendungen zuständig. Auch Innenarchitektur verschmilzt ja zunehmend mit digitalen Erlebnissen und Storytelling im Raum. Schmidhuber deckt einerseits ein breites innenarchitektonisches Spektrum ab und ist andererseits auch für die Spezialisierung auf Marken bekannt. Wir beschreiben das mit dem Begriff „Brand Experiences“ – also Ausstellungen, Retail, New Work oder Messen.

Haben Sie in Ihren Projekten schon mit KI gearbeitet?
Ja, natürlich. Aus meiner Sicht stellt sich die Frage auch gar nicht, ob wir KI nutzen, sondern eher in welchem Status und zu welchem Zeitpunkt. KI wird nach der Auffassung von mir und vielen Experten einen komplett neuen Layer in die Arbeitswelt einziehen. Warum? Als Gesellschaft sammeln wir seit den Neunzigerjahren Daten und haben einen riesengroßen Datenpool, auf den wir zugreifen. Über die KI hat die Menschheit nun gelernt, diesen Datenschatz intelligent anzuwenden – und das in allen Bereichen und in einer riesengroßen Geschwindigkeit. Es wurde quasi das Denken in Mustern entschlüsselt. Bisherige Software konnte nur wiedergeben, wofür sie programmiert wurde. Doch jetzt denkt die Software mit. Sie fasst selbst Texte zusammen, kreiert Bilder und so weiter.

Was heißt das konkret für die tägliche Arbeit?
Wir sehen gerade die Anfänge davon, dass keine Software ohne KI mehr gelauncht wird – ein aktuelles Beispiel ist Copilot für Microsoft 365. Künftig wird jedes Mal, wenn wir eine Software öffnen, KI darin sein. Wenn wir Powerpoint öffnen, werden wir die Präsentation eher verfeinern als von Null auf erstellen, in Photoshop werden wir Bilder eher kuratieren als selbst produzieren und so weiter. Meine Prognose wäre nicht Massenarbeitslosigkeit durch KI, wie teilweise befürchtet. Ich sehe darin eher die Möglichkeit, der Komplexität unserer Zeit zu begegnen. Meine These ist, dass wir das neuronale Netz der KI künftig als Teil unseres Workflows wahrnehmen werden, in dem wir Informationen für das Projekt als Ganzes weiterverarbeiten. Diese Arbeitsweise gilt es, jetzt für alle zu gestalten. Ich gehe davon aus, dass das die Mehrzahl der Unternehmen auch schon macht. Gleichzeitig hat die Politik natürlich auch die Aufgabe, ein Regelwerk gegen potenziellen Missbrauch aufzusetzen.

Wie kann auch ein kleineres Büro so eine Herausforderung bewältigen?
Ob kleines Büro oder großes – man muss vor der KI nicht zu viel Respekt haben. Gerade in der Innenarchitektur geht es doch um Menschen und Menschlichkeit, um Individualität und Begeisterung. Die Stellen, an denen man diese Werte – sei es mit oder ohne KI – stützen kann, sollte man meines Erachtens im Blick haben. Die Vielschichtigkeit der Innenarchitektur bringt eine ganze Bandbreite an neuen Tools hervor, aber nicht alle sind für jedes Büro geeignet. Es ist durchaus nützlich, die Grundprinzipien von KI zu verstehen. Wichtiger ist es aber, die richtigen Stellen zu identifizieren, an denen man sie wirkungsvoll einsetzen kann. Dabei sollte man natürlich auch die Entwicklung ständig im Auge behalten. So eindrucksvoll erste Ergebnisse sein mögen – es sind immer noch Kinderschuhe.

Welche Prozesse vereinfacht Schmidhuber bereits per KI?
Wir beschäftigen uns seit 2019 mit der Frage, wo wir KI adaptieren können, sowohl im innenarchitektonischen Bereich als auch in flankierenden Tätigkeiten. Erste Elemente sind inzwischen eingewebt – sei es für buchhalterische Prozesse oder die Erfassung und Darstellung von hochkomplexen längerfristigen Projekten. Momentan prüfen wir KI-gestützte Power BI-Anwendungen, um wichtige, aber kleinteilige und zeitintensive Controlling-Methoden zu vereinfachen. Unsere Mitarbeiter wären sehr froh, wenn sich diese bewähren.

Wie sieht es im innenarchitektonischen Bereich aus?
Wir nutzen die aktuellen generativen Bild-KIs eher für die ersten Entwürfe, als Inspiration. So lassen sich zum Beispiel die Moodboards von früher durch KI-generierte Bilder ersetzen – wobei wir unseren Kreativen aber nicht vorschreiben, ob sie zum Skizzieren einer Idee Rhino, Photoshop, eine KI oder ein Blatt Papier verwenden. Wenn es um Konkreteres wie Farbgebung oder Materialität geht, finden wir aktuell keine Anwendung, die uns hilft – da geht es viel um die Erfahrung, das Gefühl für eine Marke, um Kundenbedürfnis und Intuition, um viele Details.

Welche generative Bild-Software benutzen Sie?
Was die Qualität betrifft, merken wir schon, dass Midjourney bei unseren Designern ganz vorne steht. Lokal haben wir aber auch Stable Diffusion bei uns installiert, auf einem potenten Rechner, auf den alle bei uns Zugriff haben. Hier können wir uns mit der Zeit eine KI zusammenbauen, die spezifischer auf unser Aufgabenfeld zugeschnitten ist. Wir beobachten, dass man die Ergebnisse von Stable Diffusion tendenziell genauer steuern kann als mit anderen Bild-KIs. Was als Nächstes kommen wird, sind meines Erachtens Tools für die KI-gesteuerte 3-D-Modellierung. Hier tut sich gerade viel.

Wie weit kommen Sie mit Präsentationen und mit der konkreten Planung?
Man bekommt aus einer KI – Status quo – eher Allgemeinwissen geliefert, wohingegen Spezialisierung oft schwierig ist. Stand heute schafft es kaum ein KI-Bild in eine Präsentation von Schmidhuber. Da filtern wir sehr stark – so wie unsere Kunden zum Beispiel ihre Chatbots filtern. In der Planung wiederum benötigen wir Millimeter-Genauigkeit, wir müssen Rettungswege, Brandschutz und so weiter berücksichtigen. Für diese Themen reicht die KI überhaupt noch nicht aus. Das sind ja rechtsrelevante Themen. Ich kann mir im Moment aus der Sicht des Geschäftsführers auch nicht vorstellen, wie man solche Themen aus der Hand gibt.

In welchen Bereichen nutzt Schmidhuber KI noch?
Im strategischen Bereich kann man KI in das Research einbeziehen, wenngleich die Ergebnisse immer nur Bausteine sind und natürlich überprüft werden müssen. Im kommunikativen Bereich fragen wir uns, wie wir Customer Journeys gestalten, welche Wortbotschaften wir absetzen, was wir im Raum erleben, welche Geschichten wir erzählen. Wenn ich zum Beispiel Retail nehme, lässt sich per Instore Analytics das Kundenverhalten analysieren. Darauf können wir mit Anpassungen von Medieninhalten, Lichtfarbe, Sound oder Produktvorschlägen individuell reagieren. Gerade in der Interaktion mit Besuchern kann man dann auf eine große Bandbreite an Möglichkeiten zurückgreifen: ChatGPT, Midjourney, Runway – hier lässt sich mit KI eine ganz besondere Markenerfahrung und eine große Begeisterung erschaffen.

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