New Kids on the Block
Interior- und Designstudios aus Berlin
Soziales Bewusstsein, Respekt vor dem Bestand und unkonventionelle Ideen: Die Interior- und Architekturszene in Berlin wird stetig durch Neugründungen bereichert. Im ersten Teil unseres Newcomer-Specials stellen wir vier Büros und ihre Gründer*innen aus der Hauptstadt vor, die erst seit kurzer Zeit gemeinsam Interior- und Architekturprojekte realisieren.
Viele Innenarchitekt*innen und Designer*innen haben ein klassisches Architekturstudium absolviert. Doch erst mit der Gründung ihres eigenen Büros werden die unterschiedlichen Herangehensweisen und Denkansätze deutlich. In Berlin gibt es eine Vielzahl junger Studios, die sich durch einen Fokus auf das Arbeiten im Bestand, durch minimale räumliche Eingriffe, individuelle Lösungen mit handwerklichen Details oder ein besonderes Bewusstsein für soziale Themen auszeichnen.
studiokejo: Fusion von Architektur und Interior
Kerrin Wendtland und Joana Schröder absolvierten beide ein Architekturstudium an der BTU Cottbus-Senftenberg, bei dem sie sich kennenlernten. Die Arbeit ihres 2022 gegründeten studio kejo konzentriert sich jedoch vorwiegend auf Innenarchitektur. Schröder bringt Erfahrungen in Bauleitung und Ausführungsplanung mit, während Wendtland in den Jahren vor der Gründung im Interiorbereich tätig war. Gemeinsam kombinieren sie technisches Verständnis und künstlerische Visionen, pragmatisches Design und Ästhetik. Die Projekte des jungen Büros reichen von privaten Wohnungen unterschiedlicher Größen bis hin zu öffentlichen Bereichen wie Cafés und Bibliotheken. Eine ihrer Stärken sehen die beiden in kreativen und smarten Grundrisslösungen – vor allem bei problematischen Räumlichkeiten, die eine Transformation benötigen. Die Entwürfe umfassen häufig flexible und individuelle Tischlereinbauten sowie umweltfreundliche und langlebige Materialien.
Cainelliklaska: Interdisziplinäres Crossover
Die beiden Architekten Philipp Burst und Paul Schleith lernten sich beim gemeinsamen Studium an der Universität Stuttgart kennen. Nach unterschiedlichen Stationen im Ausland und in Büros wie Kuehn Malvezzi und Meyer-Grohbruegge gründete das Duo 2022 sein eigenes Studio Cainelliklaska in Berlin. Der Name ist eine Hommage an die Mütter der beiden Architekten und setzt sich aus ihren Mädchennamen zusammen. Burst und Schleith legen sich nicht auf eine Disziplin fest. Ihre Projekte umfassen Interiors, Produktdesign, Stadtplanung, Bauen im Bestand und Ausstellungsarchitektur. Der Fokus dabei liegt auf einer sozialen Komponente sowie einer nachhaltigen Stringenz. „Die sozialen Implikationen des eigenen Handelns sowohl in Bezug auf die zukünftigen Nutzer*innen als auch die am Bau Beteiligten“ spielen für die Architekten eine wichtige Rolle. Das gemeinsame Bauen betrachten sie als „gesellschaftlichen Akt“. Die Interdisziplinarität des Büros Cainelliklaska zeigt sich außerdem in regelmäßigen Kooperationen mit Künstler*innen und Designer*innen. Der Austausch über unterschiedliche Bereiche hinweg, die Auseinandersetzung mit Orten sowie Experimente mit Materialien führten zur Entstehung von Möbelstücken und -objekten, Kunstwerken und Ausstellungen.
RHO: Minimalistische Auferstehung
Trotz gemeinsamer Stationen – wie einem Masterstudium an der Fachhochschule Potsdam und einer langjährigen Mitarbeit beim Berliner Studio Karhard – blieb es zunächst nur bei einem Austausch zwischen Lennart Zemke und Nikita Marykov. Doch eine ähnliche Haltung zu relevanten Themen sowie die Leidenschaft für Architektur und Clubkultur legten die Grundlagen für eine Zusammenarbeit. Eine Projektanfrage, die Zemke und Marykov zusammen bewältigen sollten, führte schließlich zur Gründung des Studios RHO im März 2022. Mit möglichst klaren und holistischen Konzepten gestalten die beiden öffentliche Bereiche, Cafés und Eventlocations. Der Umgang mit bereits bestehender Bausubstanz ist für das junge Studio eine besonders reizvolle Herausforderung. Ziel sei es, mit minimalen Interventionen und der Reaktivierung des Bestands zu einem nachhaltigen Ergebnis mit neuen Nutzungsmöglichkeiten zu gelangen. In seinen Interiorprojekten möchte das Duo „Raumorganisation, Oberflächen, Möblierung, Belichtung, Akustik und technische Ausstattung synergetisch verbinden“.
Studio Alvise Stramare: Neu, alt und alternativ
Alvise Stramare studierte an der Accademia di Architettura di Mendrisio in der Schweiz unter der Leitung des Architekten Aires Mateus und schloss mit einem Diplom ab. Nach mehreren Stationen in Amsterdam, Tokio und zuletzt Berlin gründete er 2020 ein eigenes Studio in der deutschen Hauptstadt. Seine Arbeitsweise ist von einem ganzheitlichen Ansatz geprägt, der die konzeptionelle Planung des gesamten Prozesses vom Entwurf bis zur Realisierung im Detail umfasst. Alvise Stramare investiert viel Zeit in intensive Recherchen: Er studiert die Produktion von Objekten und die Eigenschaften von Materialien und tauscht sich mit Handwerker*innen, Künstler*innen und Fertigungsbetrieben aus. Dabei kommt es vor, dass er längst vergessene oder veraltete Herstellungsmethoden und -techniken entdeckt, die er in aktuellen Projekten einsetzen kann. Auch alternative Verwendungsmöglichkeiten sind für den Gestalter von Interesse. Er entwickelte beispielsweise Möbelstücke aus Aluminiumplatten, die in der Regel im Schiffs- und Eisenbahnbau eingesetzt werden.
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