Möbel, die das Leben bereichern
René Martens über den holistischen Designanspruch von Noah Living
Partner: Noah
2020 gründete René Martens zusammen mit Felix Landwehr und dem Geschwisterpaar Dario und Hannah Schröder das Möbellabel Noah Living. Ihr Ziel: den Status quo der Möbelbranche infrage zu stellen und eine Alternative zu schaffen. Was mit einem modularen Sofasystem startete, entwickelt sich nun zu einer Möbelmarke, die neue Maßstäbe über das gesamte Portfolio setzt. Das Thema Nachhaltigkeit war für das Unternehmen nie nur ein Trend, sondern immer ein wichtiger Grundpfeiler. Wie das den holistischen Designanspruch von Noah Living beeinflusst, erläutert der Geschäftsführer René Martens im Interview.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit aktuell in der Möbelbranche?
Bei uns eine Hauptrolle. Und das, obwohl man in der heutigen geopolitischen und ökonomischen Situation immer mehr das Gefühl bekommt, dass Nachhaltigkeit aus dem Rampenlicht der Aufmerksamkeit verschwindet. Ich freue mich allerdings, dass das Thema aus der Buzzword-Phase der letzten Jahre herauswächst und sich nun zeigt, wer es ernst meint. Dabei sehen wir das Thema Nachhaltigkeit als nur einen Baustein in einem komplexen Netz aus Verantwortlichkeiten und Ansprüchen. Jeder bei Noah glaubt an die Möglichkeit einer guten Zukunft und sucht nach Lösungen, um dieser Vision eine Chance zu geben. Für uns bedeutet das ganz speziell, dass wir ausschließlich Möbel entwickeln, die das echte Leben bereichern. Da der deutschen Sprache oft die nötige Leichtigkeit fehlt, sprechen wir intern gerne von „life enriching furniture”.
Was genau meint Ihr damit?
Das ist ein vielschichtiger Anspruch, der sich leider – oder Gott sei Dank – nicht in einem Satz beantworten lässt. Zuhause und Heimat sind die Orte, an denen wir unseren Platz in der Welt verhandeln. Deshalb verfolgt Noah Living einen holistischen Designansatz, der sehr viele Parameter berücksichtigt. Wir glauben, dass gute Produkte das Leben wirklich bereichern können. Deshalb nehmen wir uns viel Zeit, oft mehrere Jahre, um originelle Antworten in den unterschiedlichen Produktkategorien zu finden.
Wie funktioniert das?
Jedem Entwurf geht eine empathische, soziologische Recherche voraus, bei welcher wir in Workshops mit Kunden herausfinden, was die echten menschlichen Bedürfnisse für ein Sofa, einen Tisch, ein Bett sind. Die daraus resultierenden Kernfunktionen übersetzen wir in eine Formensprache, die immer den Anspruch hat, auch in zwanzig Jahren noch relevant zu sein. Deshalb halten wir uns von Trends und Trubel so gut es geht fern. Das ist kein generischer Prozess, sondern wir gehen wirklich bei jeder Produktentwicklung auf Tauchfahrt und hören nicht auf, bis wir glauben, etwas gefunden zu haben, das wirklich wertvoll ist.
Wo kommt die Nachhaltigkeit ins Spiel?
Der Anspruch der Langlebigkeit von Form und Funktion unserer Produkte ist eine Facette. Aber Leben bedeutet Veränderung. Deshalb ist für uns der wichtigste Aspekt: Wir konzipieren alle Produkte so, dass sie auf drei Ebenen der Veränderung funktionieren.
Welche Ebenen sind das?
Die erste Ebene ist die Möglichkeit der Individualisierung. Unsere Produkte lassen sich stark individualisieren, ohne den Kunden mit Multioptionalität zu überfordern. So passen unsere Möbel bei Anschaffung immer haargenau in die aktuelle Lebenswelt unserer Kunden. Die zweite Ebene ist Modularität. Jedes einzelne Produkt ist so entwickelt, dass die Komponenten kontinuierlich anpassbar bleiben und dynamisch genutzt werden können. All diese Komponenten sind sofort auf unserer Website verfügbar. Sie ermöglichen eine echte Erneuerbarkeit oder Reparierbarkeit unserer Designs, ohne diese zu einer teuren Reparatur schicken zu müssen.
Und die dritte Ebene?
Mit der dritten Ebene, der Zirkularität, erheben wir den Anspruch, dass alle Komponenten sinnvoll wieder zurück in den Produktions- beziehungsweise Materialkreislauf geführt werden. Damit lassen wir den Kunden nicht allein, sondern schaffen Angebote, die es attraktiv machen, Material und Einzelteile an uns zurückzuschicken. Nachhaltigkeit ist dann eigentlich nur die Konsequenz aus diesen drei Ebenen – und für uns alternativlos.
Lässt sich dieser Anspruch bei einer Produktion in Deutschland verwirklichen?
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es entlang der Wertschöpfungskette immer schwieriger wird, Partner zu finden, die den gleichen Anspruch haben wie wir. Es wird natürlich viel geredet, aber wirklich Menschen zu finden, die ähnlich optimistisch auf die Zukunft schauen und bereit sind, die entsprechenden Herausforderungen anzugehen, gibt es leider wenige. Wir haben mittlerweile für jeden Teilbereich unseres Produktportfolios einen leistungsstarken Partner, oft mit der Erfahrung mehrerer Generationen und einem ebenso langfristigen Planungshorizont. Der Planungshorizont von Familienunternehmen ist wirklich besonders. An vielen Stellen arbeiten wir jetzt mit den jüngeren Generationen auf Augenhöhe und planen die nächsten zwanzig Jahre unserer Zusammenarbeit.
Und diese Partner setzen ebenfalls auf Kreislaufwirtschaft?
Ja, da wir mit zirkulären Produkten eine sehr enge und besondere Art von Beziehung zu unseren Produktionspartnern haben, sehen diese es auch als Chance, die Prozesse für eine effiziente Rückführung von Materialien aufzubauen. Diese Form des Engagements haben wir bis jetzt nur in Deutschland gefunden. Für uns ist die Produktion fester Bestandteil unseres holistischen Designprozesses. Wir denken schon bei der ersten Zeichnung auch an die Serienproduktion. Man kann das beste, nachhaltigste Produkt konzipieren, aber wenn die Produktion dann nicht stimmt, ist alles hinfällig.
Das gilt auch für die Materialien, richtig?
Genau. Die Materialsuche, die eine zirkuläre Nutzung von Möbeln erst möglich macht, ist aktuell noch sehr mühsam. Die gesamte Industrie befindet sich eigentlich noch in den Kinderschuhen. Tendenziell treffen wir auf offene Ohren, wenn wir mit unserem Suchprofil und unseren Ansprüchen zu den Herstellern gehen. Dennoch gibt es für viele Materialien einfach noch keine Lösung. Das ist aber dringend notwendig. Deshalb gestalten wir unsere Produkte auch dahingehend modular, dass wir zukünftig bestimmte Komponenten austauschen können.
Welche zum Beispiel?
Synthetische Sitzschäume sind so ein leidiges Thema. Wir setzen oft Naturlatex ein, der als Naturprodukt eine sehr viel bessere End-of-Life-Perspektive hat als synthetische Schäume. Allerdings ist dieser nicht für alle Ansprüche geeignet. Unsere Schaumkomponenten sind aber so gestaltet, dass wir sie sofort ersetzen können, wenn es eine geeignete Alternative auf dem Markt gibt.
Wie wirkt sich Euer zirkuläres Geschäftsmodell auf die Beziehung zu den Kund*innen aus?
Wir geben uns wirklich Mühe, alle relevanten Parameter im Designprozess zu berücksichtigen. Das Ergebnis sind zirkuläre Produkte, die auch die Beziehung zu unseren Kunden verändern. Dadurch, dass Menschen, die sich für Noah entscheiden, selbst bestimmen können, wie lange sie ihr Möbel nutzen, entstehen besonders lange und enge Kundenbeziehungen. Wir denken nicht nur linear bis zum Verkauf.
Sondern?
Wir begleiten unsere Kunden so lange, wie sie möchten. Wir arbeiten aktuell intensiv an einem Rückführungsmodell für unsere Designs, damit wir unsere Möbel möglichst lange in der Nutzung halten können. Wir vertreiben unsere Produkte fast ausschließlich direkt. So können wir sicherstellen, dass die Kauferfahrung jeder Person unseren Qualitätsansprüchen gerecht wird.
Wie macht Ihr das?
Bei uns gibt es zum Beispiel kein Zeitlimit bei der Kundenbetreuung. Wenn es ein dreistündiges Gespräch braucht, um die richtige Konstellation und Farbe eines Möbelstücks auszuwählen, dann freuen wir uns darauf. Wir kennen wirklich jeden unserer Kunden persönlich. Ich habe das Gefühl, unsere Kunden sehen den Unterschied und wissen es zu schätzen, dass es bei Noah um so viel mehr als nur um schöne Möbel geht. Mit unserem holistischen Designanspruch wollen wir die Möbelmarke werden, die für verantwortungsvollen Konsum und wirklich gute Produkte steht. Für Produkte, die das eigene Leben tatsächlich bereichern. Und damit wären wir wieder bei unserem Konzept von „life enriching furniture“!
Noah
Noah ist ein Möbeldesign-Label aus Berlin mit der Mission, innovatives Design mit traditioneller Herstellung zu kombinieren, um zeitgemäße Produkte zu schaffen. Produkte, die durch Form und Funktionalität begeistern, langfristig Freude bereiten und ressourcenschonend hergestellt werden.
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