„Alles entspringt aus dem Ort“
Studio Wok aus Mailand im Interview
Nicola Brenna, Carlo Alberto Tagliabue und Marcello Bondavalli denken den Raum als Outfit, als eine Schicht um den Menschen herum, die erlebt wird. Die Gründer des Architekturbüros Studio Wok aus Mailand streben in ihren Arbeiten nach einer zeitgenössischen sowie zeitlosen, nachhaltigen und ästhetischen Architektur. Im Interview erzählen Marcello Bondavalli und Nicola Brenna von den Ursprüngen ihrer Entwürfe und vom Storytelling im Design. Außerdem verraten sie, wie man Wow-Momente kreiert.
Das Thema des Lake Como Design Festivals 2022, an dem Ihr teilgenommen habt, lautete Neo-Nomadism. Was verbindet Ihr damit?
Marcello Bondavalli: Aus unserer Sicht gibt es zwei Kategorien des Neo-Nomadism: Zum einen sind da die vielen neuen Möglichkeiten des Menschen, zu reisen. Zum anderen können Ideen heute immer schneller durch moderne Technologien weitergegeben werden. Das ist großartig – für uns ist es beispielsweise ganz normal, auf andere Kontinente zu reisen. In der Architektur kann das allerdings dazu führen, dass alles überall etwas gleicher und weniger vielfältig aussieht. Viele bauliche Ideen, die umgesetzt werden, sind nicht mehr mit dem Ort verbunden, nicht aus ihm heraus entstanden. Für uns ist das ein wesentlicher Teil unserer Konzepte: mit dem Ort, an dem wir etwas entwerfen, in Kontakt zu kommen.
Nicola Brenna: Orte sind immer der erste Bestandteil unserer Projekte. Alles entspringt aus dem Ort.
Wie geht Ihr beim Entwerfen genau vor?
Marcello Bondavalli: Wir fragen unsere Auftraggeber zuerst, ob wir den Ort besuchen können. Zum Beispiel wurden wir gebeten, ein Apartment in Las Vegas zu renovieren – ein eher kleines Projekt mit kleinem Budget. Wir haben darum gebeten, nach Las Vegas fahren zu dürfen, um uns den Ort, die Wohnung anzusehen und uns inspirieren zu lassen. Dieser erste Eindruck ist immer wichtig, um die Umgebung, die Natur und die Kultur zu verstehen. In Las Vegas haben uns die Wüste, die Farben, die wilde Landschaft, aber auch die Lichter und die Kultur der Stadt sehr inspiriert.
Nicola Brenna: Das ist Teil unserer Analyse. Wir wollen den Einfall des Lichtes, die Schattenwürfe, den Ausblick, die Materialien vor Ort und die Geschichte genau erkunden. Es geht auch darum, was wir an dem Ort spüren. Oft wird die Architektur dann zum Hilfsmittel, um eine Geschichte zu erzählen.
Wie schafft Ihr es, mit Eurer Architektur Geschichten zu erzählen?
Marcello Bondavalli: Wir folgen klaren Prinzipien und unser Designansatz ist sehr handwerklich. Das ist ein häufig verwendeter Begriff, aber das Handwerk ist wesentlich für uns und hat in Italien eine sehr große Bedeutung. Vor allem hier in Mailand. Unser architektonischer Ansatz hat seine Wurzeln im Handwerk und wir lassen Aspekte der Umgebung, der Landschaft, der Natur, des Lebens und der Atmosphäre in unsere Projekte einfließen.
Nicola Brenna: Wir arbeiten dabei sehr „physisch“, das heißt, wir zeichnen viel mit der Hand und bauen Modelle. 3-D-Renderings sind eine gute Sache, aber das physische Modell zeigt einem die reale Lebenssituation. Außerdem sammeln wir eine Menge Material-Samples, um damit zu arbeiten.
Wie wählt Ihr die Materialien aus?
Marcello Bondavalli: Wir bevorzugen natürliche Materialien und verwenden sie so, wie sie sind, mit all ihren Vor- und Nachteilen. Der Geruch von Holz, die Geräusche alter Parkettböden, dieses Gefühl in Häusern, wo jeder sagt „Wow, das ist so einladend, hochwertig und toll“ – das wird durch natürliche Materialien erzeugt. Kurz gesagt: Architektur bedeutet Wohn- oder Lebensqualität.
Nicola Brenna: Das Wort „Habitat“ ist lateinischen Ursprungs und steht in unserer Sprache in Verbindung mit anderen Wörtern wie „Abiti“, das bedeutet „Kleidung“. Ich denke, es gibt eine enge Verbindung zwischen dem Raum und dem Menschen. In unserem Konzept ist der Raum tatsächlich wie ein Outfit, das nicht getragen sondern erlebt wird. Unsere Entwürfe sind maßgeschneidert – wie gute Anzüge.
Was ist das Besondere an Eurem Landhaus in Chievo?
Nicola Brenna: Eigentlich sollte das Haus als Wochenendhaus für eine Familie dienen, aber nun ist die Familie dauerhaft eingezogen. Es war eine ehemalige Scheue. Zuerst mussten wir die Seele des Gebäudes wiederentdecken. Wir haben das bogenförmige Tor freigelegt und zwei neue Fenster ergänzt. Das Besondere daran war, die modernen Eingriffe mit viel Respekt für die besehenden historischen Strukturen umzusetzen.
Seid Ihr so auch bei der Cascina Otto vorgegangen?
Nicola Brenna: Ja, das Bauernhaus eines Berliner Paares liegt umgeben von Weinbergen und sollte flexibel als Ferienhaus, Artist’s Residence oder Gästehaus genutzt werden. Wir haben dort ein sehr großes Wohnzimmer gestaltet, das die Seele des Ortes bewahrt. Mit dem 15 Meter langen Fenster wollten wir eine enge Verbindung zur umgebenden Natur herstellen.
Marcello Bondavalli: Und vom Fenster aus kann das Paar sogar die Kirche sehen, in der es getraut wurde. Ein schönes Detail!
Zum Schluss interessiert mich noch: Was bedeutet der Name „Studio Wok“?
Marcello Bondavalli: Ah, das ist ein großes Mysterium. (lacht)
Nicola Brenna: Nun, zum einen lässt sich der Name gut merken, zum anderen fragt uns jeder nach der Bedeutung. Es gibt viele Legenden zur Entstehung des Namens, aber wir möchten, dass das ein Geheimnis bleibt.
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