„Wir müssen Verantwortung übernehmen“
Lars Engelke, COO von Object Carpet, über Wertstoffkreisläufe bei Bodenbelägen
Partner: Object Carpet
Wie kann das Recycling textiler Bodenbeläge gelingen? Durch den Fokus auf wenige, hochwertige Materialien, ist Lars Engelke überzeugt. Der Geschäftsführer von Object Carpet spricht im Interview über den neuen Bodenbelag NEOO, der statt aus den üblichen 36 Wertstoffen aus nur einem besteht – und damit die Basis für eine gelungene Kreislaufwirtschaft schafft.
Eine enge Beziehung zu textilen Bodenbelägen wurde Lars Engelke in die Wiege gelegt. Seine Eltern hatten einen Verlegebetrieb für Teppichböden. Schon als Kind spielte er daher auf Teppich statt auf PVC. Bei OBJECT CARPET verantwortet er den Bereich Technik und Entwicklung und ist seit 2016 Mitglied der Geschäftsleitung. Es ist ihm ein wichtiges Anliegen, dass die Branche nachhaltiger wird.
Herr Engelke, OBJECT CARPET feiert in diesem Jahr sein 50-jähriges Jubiläum. Wie hat sich die Branche in dieser Zeit verändert?
Der Markt ist extrem klein geworden. Vor zwanzig oder dreißig Jahren hatte Textil den höchsten Anteil an Bodenbelägen, nämlich 70 Prozent. Inzwischen hat sich das Verhältnis umgedreht und man muss sich fragen, warum. Es ging damals vor allem um Gewinnmaximierung und weniger um Qualität. Um Geld zu sparen, wurden Teppichböden mit Füllstoffen auf der Rückwand belegt. Nach zehn Jahren ist der Teppich dann von der Rückseite her in Staub zerfallen, weil der Kleber und Substrate eine schlechte Qualität hatten. Das hat dem Ruf der textilen Bodenbeläge enorm geschadet. Bei OBJECT CARPET arbeiten wir genau anders herum. Das erste, was mir mein Vorgänger vor 16 Jahren beigebracht hat, war, dass wir nicht am Produkt sparen, sondern immer ein bisschen mehr investieren, als vielleicht nötig ist. Dass wir immer das bessere Material einkaufen, das uns am Markt zur Verfügung steht. Dass es niemals darum geht, das Produkt günstig zu machen.
Unter dieser Prämisse: Wie sieht der Teppich der Zukunft aus?
Wir als Industrie müssen Verantwortung übernehmen. Wir können nicht so weitermachen wie in der Vergangenheit und aus hochwertigen Rohstoffen ein Produkt herstellen, das dann nach seiner Nutzungszeit entsorgt werden muss. Und thermische Entsorgung heißt heute: Es wird verbrannt. Das darf man nicht machen. Das ist der schlimmste Weg, den man gehen kann. Deshalb haben wir als einziger Hersteller ein Produkt entwickelt, das zu 100 Prozent recycelt werden kann.
Wie kann Kreislaufwirtschaft im Hinblick auf Teppichböden gelingen?
Das geht nur durch Verzicht. Unter Verwendung von wenigen, aber hochwertigen Rohstoffen und durch den Verzicht auf Füllstoffe und Additive, die künstlich eine wertige Haptik erzeugen sollen. Da liegt genau der Schlüssel zum Erfolg. Wir haben jetzt den Teppich der Qualität NEOO. Das Produkt ist prädestiniert für den Schritt in die Zukunft, denn es besteht nur aus einem Werkstoff und ist damit sortenrein. Während der Teppich der Vergangenheit rund 36 Inhaltsstoffe enthielt und sich daher nicht recyceln ließ, kommt dieser mit einem Monomaterial aus, einem hochwertigen Polyester. Dadurch kann er immer wieder verwendet werden. Zudem bieten wir auch in Zukunft Duo-Materialien aus zwei Wertstoffen an, einem Polyamid und einem Polyester. Aufgrund unserer neuen Beschichtungstechnologie lassen sie sich einfach voneinander trennen. Dadurch ist die Basis gelegt für eine Kreislaufwirtschaft mit Wertstoffströmen. Unser Anspruch ist, das Niveau der Wertstoffe auf einem Level zu halten, also nicht downzucyceln.
Wie findet der Teppich wieder den Weg zu Ihnen?
Wir setzen uns langfristig für ein internationales Kennzeichnungssystem ein, bei dem sich zum Beispiel über RFID-Chips auslesen lässt, aus welchen Materialien ein textiler Bodenbelag besteht. Kurzfristig hat jeder unserer Bodenbeläge einen Produktpass mit ebendiesen Informationen. Unsere Produkte werden mit einem QR-Code an der Rückseite ausgestattet sein, über den genau der Rücknahmeprozess abgerufen werden kann. Man kontaktiert uns, wir organisieren die Rücknahme.
Das klingt aufwendig.
Langfristig kann das nicht der Weg sein. Wir schaffen es nur, wenn wir mit anderen Herstellern zusammen ein einheitliches, firmenübergreifendes Rücknahmesystem organisieren. Die Niaga-Technologie, auf der unsere Innovation basiert, möchten wir Mitbewerbern zur Verfügung stellen. Wir laden sie ein, ihre Versuche auf unserer Anlage zu machen.
Welche Abfälle fallen bei der Produktion an und wie gehen Sie damit um?
Seitdem wir am Standort Krefeld produzieren, nehmen wir die Abfälle sortenrein auf und führen sie dem Warenstrom wieder zu. Das heißt, wir geben die Polyamid- oder Polyesterreste wieder an den Lieferanten zurück, damit er sie mit wenig Energieaufwand wiederverwenden kann.
Viele Kund*innen empfinden den Geruch neuer Teppichböden als störend.
Schon in meiner Ausbildung habe ich in der Beschichtungsanlage gefragt: „Warum stinkt das so?“ Da hieß es immer: „Ein neues Auto riecht auch.“ In der Qualitätssicherung habe ich gemerkt, dass es viele Reklamationen wegen des Geruchs gab. Auch bei OBJECT CARPET gab es diese in meiner Anfangszeit. Doch durch den Einsatz anderer Rohstoffe haben wir es geschafft, dass unsere Bodenbeläge inzwischen nicht mehr riechen. Vor elf Jahren haben wir den Welltex-Rücken erfunden, der komplett frei von Latex, Bitumen und PVC ist. Die mit der Niaga-Technik produzierten Teppiche bestehen nur noch aus ein bis zwei Materialien und verursachen keine Emissionen mehr. Es ist ein extrem tolles, wertiges Produkt, das uns sehr stolz macht.
Wie stimmen Sie Ihre Produkte auf andere Bodenbeläge wie Holz oder Fliesen ab?
Es gibt Zonen, wo ein textiler Bodenbelag keinen Sinn macht. Und da ist es wichtig, dass die Konnektivität gegeben ist, dass die Produkte miteinander harmonieren. Diese ganzheitliche Betrachtung ist auch die Essenz unserer Kollaborationen, wie beispielsweise mit der Ippolito Fleitz Group aus Stuttgart. Sie lief unter dem Titel „Die neue Lust am Textil“. Die Fragestellung war dabei: „Ist der textile Bodenbelag noch relevant für die Zukunft?“ Heraus kam eine tolle Kollektion mit 111 Produkten.
Auch mit UN Studio arbeiten Sie zusammen.
Genau, das Projekt heißt Future Perfect. Dabei denken wir darüber nach, wie wir Reste und Produktionsüberhänge verwerten können. In Zusammenarbeit mit Architekten, Designern und Studenten haben wir auf der Milan Design Week und der Dutch Design Week in einer temporären Ausstellung unsere Ergebnisse präsentiert. Es war toll zu sehen, wie wir aus Produktionssicht wertlosen Überhängen plötzlich einen totalen Mehrwert geben.
Warum sind Ihnen die Kollaborationen mit den Architekturbüros so wichtig?
Architektinnen und Architekten gestalten die Zukunft. Wir können ein Teil davon sein und die Basis bilden, aber die Gestaltung liegt in ihren Händen.
Was ist Ihr aktuelles Lieblingsprodukt in der Kollektion?
DEAL x FEEL aus der Ippolito Fleitz-Kollektion - mit ihrem besonderen Erscheinungsbild aus kontrastierenden Fasern, die sich augenscheinlich miteinander verflechten - verbindet für mich die Kernthemen des Textilen. Es war eine riesige technologische Herausforderung, dieses Produkt zu entwickeln. All die textile Liebe steckt darin.