Menschen

„Zirkularität ist kein gestalterischer Kompromiss“

Concular Spaces über die Chancen kreislauffähiger Büroinnenausbauten

Franziska Ratsch und Jannis Wenderholm von Concular Spaces über starke Partnerschaften sowie Herausforderungen und Chancen für einen nachhaltigen Büroinnenausbau.

von Kathrin Spohr, 22.10.2025

Vor fünf Jahren entstand Concular mit der Vision, Baumaterialien im Kreislauf zu halten und Wiederverwendung zur neuen Norm zu machen. Das Berliner Unternehmen bietet heute ganzheitliche Lösungen für zirkuläres Bauen, Urban Mining und die Wiederverwendung von Bauteilen – von der Beratung bis zur Umsetzung. Mit Concular Spaces wird dieser Ansatz nun auf den Büroinnenausbau übertragen: Es handelt sich um ein „Design & Build“-Konzept, das den gesamten Projektzyklus begleitet. Rückbau, Wiederverwendung und Einbau kommen aus einer Hand – mit nachhaltigen Materialien, kurzen Lieferzeiten und dokumentierten CO₂-Einsparungen. Erstmals vorgestellt wird das Konzept beim GREENTERIOR-Event am 19. und 20. November in Berlin im Rahmen des Klimafestivals für die Bauwende.

Die Zirkularitätsrate ist in Deutschland recht gering: Nur etwa 1% der Materialien aus dem Bestand werden aktuell wiederverwendet. Was hat Euch dazu ermutigt, mit Concular Spaces an den Start zu gehen?
Jannis Wenderholm: Wir sind fest davon überzeugt, dass unsere Arbeit nicht nur nachhaltig, sondern auch ein realistischer Business Case ist. Wir haben den Anspruch, ein Geschäftsmodell zu präsentieren, das sich selbst trägt, und wollen zeigen, dass Concular Spaces auch ohne staatliche Förderung, wie es etwa in Belgien, Frankreich oder den Niederlanden der Fall ist, funktioniert: ökologisch und ökonomisch.

Gilt zirkulärer Innenausbau immer noch als gestalterischer Kompromiss?
Franziska Ratsch: Oft geht es in dieser Diskussion um Details: Lässt sich ein bestehendes Element wirklich um 2 Zentimeter anpassen, abschneiden und so weiter? Das sollte jedoch nicht primäres Thema sein. Wichtig ist: Die Kunden sehen am Ende ein überzeugendes Ergebnis. Da ist es relativ egal, ob die Tür zwei Zentimeter größer oder kleiner war. Unsere Experten machen alles möglich, um den Maßstäben der Innenarchitekten gerecht zu werden. Wir wissen, wie wir zirkulär bauen und einen Designanspruch erfüllen können. Das ist unser USP.

Welche Materialien und Produkte deckt Ihr im Interior-Bereich konkret ab – Möbel, Türen, Trennwände, Bodenbeläge?
Franziska Ratsch: Wir haben uns auf bestimmte Bereiche fokussiert: Glas- und Systemtrennwände. Hier haben wir sehr viel Erfahrung und können tatsächlich eine Qualität liefern, die sich von neuen Produkten nicht mehr unterscheiden lässt. Das Gleiche gilt im Bereich Fußboden beziehungsweise Teppichbeläge, akustisch wirksame Wandpaneele sowie Beleuchtung. Wir schließen immer mehr Partnerschaften mit Produktherstellern und können inzwischen auf eine große Bandbreite an Produkten zugreifen.

Jannis Wenderholm: Möbel gehören auch dazu. Der Bereich ist aber nicht so komplex. Wichtiger als die Produktvielfalt ist, dass alle Elemente, die wir verbauen, später wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden können.

Ein Projektbeispiel?
Franziska Ratsch: Dank der neuen Kooperation mit Strähle Raum-Systeme entsteht ein Take-Back-System für Systemtrennwände, das eine ressourcenschonende Wiederverwendung ermöglicht. Das System 2000 von Strähle etwa gibt es seit dreißig Jahren. Neue und alte Elemente sind kompatibel, lassen sich leicht anpassen und wieder verwenden. Bei Behnisch Architekten in München zum Beispiel konnten wir die Trennwände an einem Tag von einer Baustelle zur anderen bringen und sofort einbauen – ohne Qualitätsverlust.

Jannis Wenderholm: In manchen Fällen erfolgt die Wiederverwendung unmittelbar, in anderen werden Elemente vorübergehend in „Mining Hubs“ eingelagert.

Wie läuft ein typischer Rückbau von Elementen im Innenausbau ab, wenn Concular involviert ist?
Jannis Wenderholm: Wir haben eine App entwickelt, mit der wir den Bestand digital erfassen. Sie bewertet Alter, Zustand, Schadstoffbelastung und Systemkompatibilität eines Materials. Es ist ein „Pre-Deconstruction-Audit“, eine Art Wiederverwendungs-Check. Daraus entsteht eine Norm, die wir mit verfasst haben und die in Deutschland in den kommenden Jahren verpflichtend sein wird. Jedes Gebäude, das zum Teil oder ganz zurückgebaut wird, muss dann dieses Audit einmal durchlaufen, um zu prüfen, inwiefern Materialien wiederverwendbar sind.

Welche offiziellen Prüfungen oder Aufbereitungen sind in der Regel notwendig, damit Interior-Materialien wiederverwendet werden können?
Franziska Ratsch: Wir konzentrieren uns auf Produktgruppen, bei denen Ein- und Ausbau die Qualität nicht beeinflussen. Unser Consulting-Team erstellt Leitfäden und Prüfberichte – etwa für Brandschutztüren, Glastrennwände und Beleuchtungssysteme, für die wir mit Refurbishern zusammenarbeiten. Gewährleistung und Zertifizierung, zum Beispiel für Schalldämmung, sind über uns abgedeckt. Bei internen Tests haben wir festgestellt: Einige Systeme sind quasi dafür gemacht, sie anderswo wieder einzubauen. Ein- und Ausbau haben keinerlei Auswirkungen auf ihre Qualität.

Wie funktioniert die Vermittlung von gebrauchten Materialien an neue Projekte – und wo liegen dabei wirtschaftliche Chancen und Herausforderungen?
Jannis Wenderholm: Wir arbeiten sowohl für Kommunen als auch für private Bauherren. Je nachdem, ob ein Rückbau, Umbau oder Neubau ansteht, planen wir die Wiederverwendung individuell. Zeit ist dabei ein entscheidender Vorteil: Während neue Materialien oft zwölf bis sechzehn Wochen Lieferzeit haben, stehen wiederverwendbare Elemente häufig schon in einem unserer „Mining Hubs“ bereit.

Franziska Ratsch: Es braucht noch viel Kommunikation. Oft bestehen noch Zweifel bezüglich Re-Use-Materialien, verbunden mit einem Risikoaufschlag. Wirtschaftlich lohnen würde sich das, wenn alle Beteiligten – Architekten, Generalunternehmer und Ausführende – von Beginn an gemeinsam mit uns planen. So lassen sich Risiken und Mehrkosten minimieren. Und wir könnten auf ähnlichem Preisniveau arbeiten wie klassische Anbieter – bei deutlich besserer Ökobilanz und kürzeren Projektzeiten.

Jannis Wenderholm: Ein weiterer Grund für die höheren Kosten zirkulärer Projekte: Die Supply Chains für Neuware sind etabliert und hochoptimiert. Ihre Effizienz erschwert den Wettbewerb mit neuen Verfahren. Das bedeutet aber nicht, dass ein zirkuläres Verfahren von uns nicht irgendwann perfekt skaliert und reibungslos funktioniert. Ich bin überzeugt: Hersteller, die jetzt Wissen zur zirkulären Herstellung aufbauen, haben langfristig großes Potenzial.

Beobachtet Ihr einen Kulturwandel?
Jannis Wenderholm: Definitiv. Öffentliche Ausschreibungen berücksichtigen immer stärker den CO₂-Fußabdruck. Die Deutsche Bahn etwa hat einen Rahmenvertrag für gebrauchte Büromöbel vergeben – ein klares Signal, dass große Unternehmen den Wert von Wiederverwendung erkennen.

Franziska Ratsch: Auch Investoren reagieren: Nicht nachhaltige Gebäude verlieren heute an Wert und werden zu „stranded assets“. Wer zirkulär plant, investiert langfristig. Außerdem wissen Innovationsentwickler in Unternehmen, wie wichtig die Mitarbeiter für den Wandel sind. Zirkuläre Umgestaltungen wirken positiv auf die Menschen: Wiedererkennbare Möbelstücke etwa erzählen eine Geschichte, machen den Raum lebendig und schaffen Identifikation.

Welche Potenziale seht Ihr für Concular Spaces in den nächsten Jahren?
Franziska Ratsch: Aktuell arbeiten wir erfolgreich mit Generalunternehmern wie der Office Group zusammen und übernehmen bei Projekten ganze Ausbaubereiche – etwa Bodenbeläge oder Systemtrennwände. Auch mit Architekturbüros, zum Beispiel Kinzo in Berlin, integrieren wir zirkuläre Prinzipien bereits in der frühen Entwurfsphase.

Jannis Wenderholm: Für große Kunden sind starke Partnerschaften entscheidend. Nur gemeinsam können wir zirkuläres Bauen zum Standard machen. Je mehr heute zirkulär geplant und umgesetzt wird, desto größer wird künftig der Pool an wiederverwendbaren Materialien. Damit wachsen nicht nur die Möglichkeiten, sondern auch die Qualität der Lösungen nimmt zu.

Weitere interessante Beiträge über nachhaltige, ressourcenschonende und zukunftsfähige Gestaltung finden Sie in unserem Dossier GREENTERIOR – anlässlich der gleichnamigen Sonderausstellungsfläche auf dem Klimafestival für die Bauwende am 19. und 20. November in Berlin.

Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail

Mehr Menschen

Wir sollten die Möglichkeiten unserer Zeit besser nutzen

Ein Gespräch mit dem Arbeitswissenschaftler Dr. Stefan Rief

Ein Gespräch mit dem Arbeitswissenschaftler Dr. Stefan Rief

Lokal global

Vince Berbegal über die mediterrane DNA und globale Vision von Actiu

Vince Berbegal über die mediterrane DNA und globale Vision von Actiu

„Wir denken in Ressourcen statt in Altlasten“

Marco Schoneveld über zirkuläre Möbelkonzepte, neue Materialien und ihre Vorteile

Marco Schoneveld über zirkuläre Möbelkonzepte, neue Materialien und ihre Vorteile

Einfach Ruhe

Ein Gespräch mit dem Berlin Acoustics-Gründer Manuel Diekmann

Ein Gespräch mit dem Berlin Acoustics-Gründer Manuel Diekmann

Ganzheitliche Gestaltung

Einblicke in die Neukonzeption der DOMOTEX 2026 

Einblicke in die Neukonzeption der DOMOTEX 2026 

Nachhaltigkeit beginnt im Inneren

Gabriela Hauser über die Rolle der Innenarchitektur bei der Bauwende

Gabriela Hauser über die Rolle der Innenarchitektur bei der Bauwende

Design als Problemlöser

Interview mit Jonas Pettersson von Form Us With Love

Interview mit Jonas Pettersson von Form Us With Love

Zukunftsperspektiven für zeitlose Möbel

Ein Gespräch mit Rolf Keller über die Kreislaufwirtschaft bei Vitra

Ein Gespräch mit Rolf Keller über die Kreislaufwirtschaft bei Vitra

Das Büro als Bühne

Wilkhahn launcht Magazin über agiles Arbeiten

Wilkhahn launcht Magazin über agiles Arbeiten

Treffpunkt Workcafé

Ernst Holzapfel von Sedus im Gespräch

Ernst Holzapfel von Sedus im Gespräch

Design als Klebstoff

Junge Gestaltende sorgen für frischen Wind in Köln – Teil 1

Junge Gestaltende sorgen für frischen Wind in Köln – Teil 1

Der Büroplatz zum Wohlfühlen

Dirk Hindenberg von Klöber im Interview

Dirk Hindenberg von Klöber im Interview

„Wir müssen Möglichkeitsräume schaffen“

Der Architekt Klaus de Winder im Gespräch

Der Architekt Klaus de Winder im Gespräch

Design-Statements auf der Wand

Ein Interview mit Julian Waning von Gira

Ein Interview mit Julian Waning von Gira

Alles ist verbunden

Ausblick auf die Orgatec 2024 mit Dr. Jens Gebhardt von Kinnarps

Ausblick auf die Orgatec 2024 mit Dr. Jens Gebhardt von Kinnarps

„Qualität und Nachhaltigkeit gehören zusammen“

Ein Gespräch mit Johanna Ljunggren von Kinnarps

Ein Gespräch mit Johanna Ljunggren von Kinnarps

Form follows availability

Sven Urselmann über kreislauffähige Einrichtungskonzepte

Sven Urselmann über kreislauffähige Einrichtungskonzepte

Möbel, die das Leben bereichern

René Martens über den holistischen Designanspruch von Noah Living

René Martens über den holistischen Designanspruch von Noah Living

Hochprozentig nachhaltig

Mathias Seiler über die Kollektion Incycle von Girsberger

Mathias Seiler über die Kollektion Incycle von Girsberger

Das Gute trifft das Schöne

Interview über die Kooperation von Arper und PaperShell

Interview über die Kooperation von Arper und PaperShell

Ein Designer in olympischer Höchstform

Mathieu Lehanneur im Gespräch

Mathieu Lehanneur im Gespräch

New Kids on the Block

Interior- und Designstudios aus Berlin – Teil 2

Interior- und Designstudios aus Berlin – Teil 2

„Man muss vor der KI nicht zu viel Respekt haben“

Technologie-Insider Timm Wilks im Interview

Technologie-Insider Timm Wilks im Interview

New Kids on the Block

Interior- und Designstudios aus Berlin

Interior- und Designstudios aus Berlin

In Räumen denken

Vorschau auf die Boden- und Teppichmesse Domotex 2024

Vorschau auf die Boden- und Teppichmesse Domotex 2024

KI als Mitbewerberin

Interview mit Rafael Lalive von der Universität Lausanne

Interview mit Rafael Lalive von der Universität Lausanne

Echos aus der KI-Welt

Architekt Wolfram Putz von Graft über Künstliche Intelligenz

Architekt Wolfram Putz von Graft über Künstliche Intelligenz

„Ich betrete gerne Neuland“

Ein Gespräch über Akustik mit der Architektin Marie Aigner

Ein Gespräch über Akustik mit der Architektin Marie Aigner

Wie es Euch gefällt

FSB-Co-Chef Jürgen Hess über den neuen Mut zur Farbe

FSB-Co-Chef Jürgen Hess über den neuen Mut zur Farbe

Mehr Raum für Kreativität

Visualisierungsexpertin Andrea Nienaber über die Vorteile der 3D-Planung

Visualisierungsexpertin Andrea Nienaber über die Vorteile der 3D-Planung