„Innenarchitektur macht Pflege menschlicher“
Ein Gespräch mit Theresia Holluba zur Lebensqualität in Gesundheitsräumen
Partner: Kinnarps
Wie kann Innenarchitektur den Pflegealltag verbessern? Theresia Holluba, Innenarchitektin bei Kinnarps, zeigt, wie durchdachte Raumkonzepte Personal entlasten, Orientierung schaffen und eine Atmosphäre fördern, die für Sicherheit und Wohlbefinden sorgt.
Mit der Veranstaltungsreihe „Care Solution on Tour – Designing Care Spaces“ rückt Kinnarps im November 2025 das Thema Innenarchitektur im Gesundheitswesen in den Mittelpunkt. Die Reihe widmet sich der Frage, wie Räume gestaltet werden können, die den Pflegealltag erleichtern, die Lebensqualität verbessern und nachhaltige Lösungen bieten. Innenarchitektin Theresia Holluba aus dem Interiordesign-Team von Kinnarps beschäftigt sich mit Farben, Materialien und Raumkonzepten, die Menschen stärken, Orientierung geben und emotionale Sicherheit schaffen.
Innenarchitektur für Pflege- und Gesundheitsräume bewegt sich zwischen Funktion, Emotion und Verantwortung. Was reizt Sie persönlich an dieser Aufgabe?
Mich fasziniert genau dieses Spannungsfeld, Räume zu gestalten, die funktional sind und gleichzeitig emotional unterstützen. In Gesundheitsräumen begegnen wir Menschen in besonderen Situationen – Patienten, die sich sicher fühlen möchten, Pflegekräften, die entlastet werden müssen und Angehörigen, die Orientierung suchen.
Mich reizt die Überzeugung, dass wir mit durchdachter Gestaltung konkret etwas bewirken können: Räume können beruhigen, Abläufe erleichtern und Wohlbefinden fördern. Diese Verantwortung nehme ich gerne an, weil Gestaltung den Alltag von Menschen spürbar verbessern und sie in den Mittelpunkt stellen kann.
Gesundheitsräume stehen heute unter hohem Veränderungsdruck – vom Fachkräftemangel bis zu steigenden Ansprüchen an Lebensqualität. Welche Rolle kann Innenarchitektur dabei übernehmen?
Innenarchitektur ist ein strategisches Werkzeug, um auf komplexe Herausforderungen zu reagieren. Besonders im Kontext des Fachkräftemangels kann sie Arbeitsbedingungen verbessern – durch ergonomische, ansprechende Umgebungen und Rückzugsorte, die das Pflegepersonal entlasten und Fachkräfte binden. Wir betrachten dabei immer den Dreiklang aus Bewohnern, Pflegepersonal sowie Angehörigen. Ihre Bedürfnisse greifen ineinander und müssen gleichwertig berücksichtigt werden, damit Räume wirklich funktionieren.
Mit der Eventreihe „Care Solution on Tour – Designing Care Spaces“ greift Kinnarps das Thema nun explizit auf. Was möchten Sie mit dieser Plattform erreichen?
Mit unserer Roadshow möchten wir zeigen, wie Innenarchitektur in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen Lebensqualität, Teilhabe, Geborgenheit, Orientierung und Funktionalität fördert. Wir erklären, wie Räume auf Bewohner, Pflegekräfte und Angehörige wirken und Abläufe beeinflussen. Den Austausch mit Innenarchitekten suchen wir, um Prozesse, Materialien und Bedürfnisse besser zu verknüpfen und Räume gezielt zu gestalten.
Eine zentrale Frage lautet: Welche Abläufe prägen den Alltag in Einrichtungen und wie kann Gestaltung darauf reagieren? Dabei stützen wir uns auf unseren Analyseprozess „Next Care“, denn wir wollen erst verstehen, bevor wir gestalten. Unser Ziel ist es, Erkenntnisse in die Praxis zu übertragen. Dazu präsentieren wir aus unserer Sicht gelungene Projekte, die wir gern mit Planern diskutieren. Außerdem stellen wir Produkte unserer Marke NC Nordic Care vor, die speziell für ältere oder eingeschränkte Menschen entwickelt wurden – oft in Zusammenarbeit mit Einrichtungen und Betroffenen. Auch hier freuen wir uns auf das Feedback der Teilnehmenden unserer Eventreihe.
Welche Grundprinzipien leiten Sie, wenn es um die Gestaltung solcher Räume geht?
Ich setze bewusst Farben ein, um Orientierung zu geben, eine stimmige Atmosphäre zu schaffen und emotionale Wirkungen zu erzielen – etwa beruhigende Nuancen in Ruhebereichen oder kontrastreiche Farbkonzepte zur Gliederung der Raumstruktur. Materialien sollen nicht nur hygienisch und langlebig sein, sondern durch ihre Haptik und Optik Vertrauen und Wohlbefinden fördern. Ich arbeite bevorzugt mit warmen, weichen Texturen und akustisch wirksamen Elementen, um Räume zu gestalten, die praktisch und zugleich einladend sind.
Wie können Farben gezielt eingesetzt werden, um Menschen mit Demenz Orientierung und Sicherheit zu geben?
Farben dienen der Orientierung, der emotionalen Stabilisierung und der Strukturierung von Räumen. Aus realisierten Projekten fließen unsere Erfahrungen direkt in neue Planungen ein.
Farbliche Markierungen können Wege lenken und wichtige Bereiche hervorheben, etwa Toiletten oder Aufenthaltsräume. Gleichzeitig unterstützen sie emotional: Kräftige, warme Töne wie Rot, Orange und Gelb wirken aktivierend, fördern das soziale Miteinander und bleiben auch im Alter gut wahrnehmbar.
Wie verbinden Sie gestalterische Wirkung mit funktionalen Anforderungen?
Für mich widersprechen sich Gestaltung und Funktionalität nicht. Im Gegenteil: Ich suche gezielt nach Lösungen, die beides vereinen. Ein Beispiel: Hygiene verlangt nicht zwangsläufig kühle oder sterile Materialien. Ich wähle leicht zu reinigende, antibakterielle Oberflächen, oft Holz, das gleichzeitig Wärme ausstrahlt. Akustisch wirksame Textilien schaffen Atmosphäre, langlebige Bezüge lassen sich abnehmen, waschen oder austauschen. Auch unsere Möbel von NC Nordic Care sind so konstruiert, dass sie die Reinigung erleichtern und damit nachhaltig und praktisch zugleich sind.
Evidenzbasierte Gestaltung gilt zunehmend als Schlüssel zu besseren Raumkonzepten. Wie übersetzen Sie wissenschaftliche Erkenntnisse in gestalterische Entscheidungen?
Evidenzbasierte Gestaltung ist für mich ein strukturierter Prozess: Zunächst analysiere ich Studien, etwa zur Wirkung von Räumen auf Menschen mit Demenz oder zur Bedeutung von Tageslicht für die Genesung. Im zweiten Schritt übersetze ich diese Erkenntnisse in konkrete Gestaltungsentscheidungen. Beispielsweise brauchen Menschen mit Demenz stabile, verlässliche Möbel, die für Sicherheit sorgen und Selbstständigkeit fördern. Materialien sollen ehrlich wirken – was wie Holz aussieht, sollte sich auch so anfühlen. So entstehen Vertrauen, Vertrautheit und Orientierung.
Wie Sie bereits erwähnten, arbeitet das Kinnarps-Team ja mit dem Analyseansatz „Next Care“. Inwiefern hilft Ihnen dieser strukturierte Blick, die Bedürfnisse der Nutzer*innen präziser zu erfassen?
„Next Care“ hilft uns, Bedürfnisse nicht nur intuitiv, sondern fundiert zu verstehen. Der Ansatz schafft Klarheit über Abläufe und Anforderungen und ermöglicht eine Planung, die sich konsequent an den Nutzern orientiert.
Gibt es ein Projekt oder einen Raum, an dem Sie besonders gut zeigen können, wie Innenarchitektur den Pflegealltag verändert?
Der Aufenthaltsbereich ist für mich ein zentraler Ort in jeder Gesundheitseinrichtung. Hier treffen Bewohner, Angehörige und Pflegepersonal aufeinander – in Momenten des Wartens, Übergangs oder Austauschs. Ich gestalte diesen Ort so, dass er Ruhe, Orientierung und Geborgenheit vermittelt. Für Pflegekräfte bedeutet eine klar strukturierte Umgebung Unterstützung, für Bewohner soziale Teilhabe. Ein gut gestalteter Aufenthaltsbereich kann viel bewirken, weil er Menschen verbindet und Atmosphäre schafft.
Welche Themen werden das Gestalten von Gesundheitsräumen künftig prägen – und welche Chancen eröffnen sich für Innenarchitekt*innen dabei?
Demografischer Wandel und Fachkräftemangel werden die Gestaltung stark beeinflussen. Als Innenarchitektin liegt meine Aufgabe darin, darauf mit Konzepten zu reagieren, die funktional überzeugen und emotional berühren. Ich sehe darin eine große Chance, Räume zu schaffen, die das Wohlbefinden fördern und die Pflege menschlicher machen.
Veranstaltungsreihe „Care Solution on Tour – Designing Care Spaces“
Termine:
11. November 2025 – Designwerkschau München
13. November 2025 – Kinnarps Showroom Köln
18. November 2025 – Kinnarps Co-Lab Space Berlin
20. November 2025 – Kinnarps Showroom Hamburg
FOTOGRAFIE Mattias Hamren
Mattias Hamren
Kinnarps
Kinnarps ist in Europa führender Anbieter von Einrichtungslösungen für Büros, Lernumgebungen und Pflegeeinrichtungen. Die Produkte der sechs Marken zeichnen sich durch ergonomisches und innovatives Design sowie Nachhaltigkeit und lange Lebenszyklen aus. Seit seiner Gründung in 1942 ist Kinnarps in Familienhand und produziert ausschließlich in Schweden.
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