Menschen

Schönheit neu definieren

Wie ein Stuhl Kreislaufdenken, Ästhetik und Klimaschutz zusammenführt

Mit „Catifa Carta“ bringt Arper erstmals das Material PaperShell in die Möbelproduktion. Im Interview mit Moira Palandri geht es um den Ursprung des Materials und seine Rolle beim Kreislaufdenken. Außerdem haben wir darüber gesprochen, welchen Einfluss diese Entwicklung auf die zukünftige Gestaltung haben könnte.

von Heike Edelmann, 12.11.2025

Mit Catifa Carta führt Arper seine Catifa-Serie unter neuen materialtechnischen Voraussetzungen weiter: Die Sitzschale besteht aus PaperShell, einem Verbund aus Kraftpapier und biogenem Harz, der sich am Ende in Biochar umwandeln lässt. Auf dem Klimafestival in Berlin wird Catifa Carta gemeinsam mit Catifa (RE) 46 im Bereich GREENTERIOR präsentiert – einer Variante des Klassikers mit einer Sitzschale aus vollständig recyceltem Kunststoff. Beide Modelle zeigen, wie vertraute Formen im Sinne eines zirkulären Designs neu gedacht werden können.

Frau Palandri, Arper hat 2001 mit Catifa 53 den ersten Stuhl mit Umweltzertifizierung auf den Markt gebracht. Wie führt Catifa Carta diese Entwicklung fort?
Catifa Carta setzt die fließende, zeitlose Silhouette fort, die die Catifa-Serie seit ihren Anfängen prägt – jedoch mit einer neuen Ausrichtung. Während Catifa 53 einst Pionierarbeit leistete und als erstes Arper-Produkt 2001 eine Umweltzertifizierung erhielt, führt Catifa Carta nun eine neue Materialinnovation ein. Die Sitzschale aus PaperShell eröffnet ein neues Kapitel in der Geschichte von Catifa – eines, das eng mit unserem klimaorientierten Designansatz verbunden ist. Und das ist erst der Anfang: Wir haben das Material bereits für Catifa 46 adaptiert, was zeigt, dass sich das Potenzial von PaperShell über die gesamte Kollektion hinweg skalieren lässt. So kann sich langlebiges Design weiterentwickeln – seiner Essenz treu, aber in jedem Schritt nachhaltiger.

Was macht die Verwendung von PaperShell-Material im Catifa Carta so neuartig?
Catifa Carta ist der erste Stuhl in der Möbelbranche, der PaperShell verwendet – und markiert damit einen Meilenstein. PaperShell entsteht durch die Verbindung von Lagen aus Kraftpapier mit einem biogenen Hemicellulose-Harz und bildet ein strukturelles Verbundmaterial mit beeindruckender Leichtigkeit und Festigkeit. Es eignet sich perfekt für die sanft geschwungene, doppelt gekrümmte Form der Catifa-Sitzschale.Doch die Innovation geht über die Performance hinaus: PaperShell steht für eine neue Generation von Materialien, bei denen technische Exzellenz und ökologische Intelligenz Hand in Hand gehen. Es eröffnet neue Möglichkeiten, Möbel zu entwerfen, zu nutzen und in den natürlichen Kreislauf zurückzuführen – und setzt damit neue Maßstäbe für nachhaltiges Design.

Wie genau trägt die Materialwahl zur Nachhaltigkeit und Kreislauffähigkeit von Catifa Carta bei?
Catifa Carta wurde als konsequent zirkuläres Design entwickelt – aus der Überzeugung heraus, dass Schönheit und Verantwortung zusammengehören. Holznebenprodukte und Restholz werden zu Kraftpapierbahnen weiterverarbeitet und anschließend mit einem zu 100 Prozent biogenen Bindemittel aus landwirtschaftlichen Nebenströmen oder aus der Zellstoff- und Papierindustrie verbunden.
Auch im Aufbau des Stuhls setzt sich dieser Gedanke fort: Alle Komponenten lassen sich einfach zerlegen, austauschen oder reparieren. Und am Ende seines Lebenszyklus kann die Sitzschale in Biochar umgewandelt werden – eine stabile Form von Kohlenstoff, die den Boden anreichert und regenerative Ökosysteme unterstützt. Catifa Carta ist damit nicht nur langlebig, sondern darauf ausgelegt, in den Kreislauf zurückzufließen.

PaperShell verleiht dem Stuhl einen negativen CO₂-Fußabdruck. Wie gelingt das?
Das beruht auf zwei Mechanismen. Erstens wird der biogene Kohlenstoff, den die Bäume aufgenommen haben, dauerhaft im Material gebunden – und bleibt während der gesamten Lebensdauer des Stuhls eingeschlossen.Zweitens kann die Sitzschale am Ende ihres Lebenszyklus mittels pyrolytischer Prozesse in Biochar umgewandelt werden. Statt Kohlenstoff freizusetzen, führen wir ihn also in einen zirkulären, regenerativen Kreislauf zurück. Damit zeigt sich anschaulich, wie Design aktiv zum Klimaschutz beitragen kann.

Definiert Arper mit Catifa Carta auch eine neue Ästhetik?
Ja, Catifa Carta vermittelt eine subtile, natürliche Ausdruckskraft. Die feinen Ton- und Strukturvariationen des Materials machen jede Sitzschale einzigartig. Wir sehen darin eine zeitgenössische Form der Schönheit, bei der Materialcharakter und ikonische Form eine harmonische Einheit bilden. Wir nennen das „Redefining Beauty“: Es ist eine Schönheit, in der Form, Material und Nachhaltigkeit koexistieren. Jeder Stuhl verbindet die elegante Signatur der Catifa-Linie mit einer bewussten Haltung gegenüber Umwelt und Ressourcen.

Welche ästhetische Wirkung entfalten die Stühle im Auditorium der Tecnica Group in Treviso?
Achtzig Catifa Carta-Stühle formen dort eine ruhige, einladende Landschaft aus warmen, matten Oberflächen. Die locker angeordnete Serie, kombiniert mit den natürlichen Tönungen des Materials, verleiht dem Raum eine stille Eleganz und unterstützt Konzentration und Komfort zugleich. Ein kraftvolles Beispiel dafür, wie Material und Raum miteinander in Dialog treten können.

Was erwartet Besucher*innen des Klimafestivals am Arper-Stand in der GREENTERIOR-Sonderausstellung?
Die Besucher*innen erleben eine kuratierte Auswahl, die Arpers Verständnis von Design und Nachhaltigkeit veranschaulicht. Neben Catifa Carta zeigen wir Catifa (RE) 46, eine Neuinterpretation des ikonischen Catifa 46 mit einer Sitzschale aus zu 100 Prozent recyceltem Kunststoff – gewonnen aus Post-Consumer- und Post-Industrial-Abfällen. Textur und Farbwelt wurden entwickelt, um die haptischen und visuellen Qualitäten nachhaltiger Architektur widerzuspiegeln. Gemeinsam zeigen diese Stühle, dass Eleganz und ökologische Verantwortung einander nicht ausschließen. Im Gegenteil: Sie können sich gegenseitig verstärken.

Weitere interessante Beiträge über nachhaltige, ressourcenschonende und zukunftsfähige Gestaltung finden Sie in unserem Dossier GREENTERIOR – anlässlich der gleichnamigen Sonderausstellungsfläche auf dem Klimafestival für die Bauwende am 19. und 20. November in Berlin.

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