Projekte

Karaoke in der Chrom-Rakete

Ein Wohnwagen-Quintett von Daisuke Motogi

Leben im Wohnwagen heißt leben auf kleinstem Raum? Der japanische Architekt Daisuke Motogi stellt Trailer-Konventionen auf den Kopf, indem er eine mobile Hotel-Karawane für stilbewusste Urlaubsnomad*innen einrichtet – bestehend auf fünf chromglänzenden Vintage-Wohnwagen inklusive Badezuber und Ka­ra­o­ke­bar.

von Tanja Pabelick, 01.02.2024

Bei der Reiseplanung steht die Frage nach dem Ziel meist an erster Stelle, im zweiten Schritt folgt die Wahl eines Hotels. Not a Hotel will diese Herangehensweise umkehren. Eigentlich verkauft und verwaltet das japanische Unternehmen Teilzeitferienhäuser – statt eines einzelnen Objekts, das den Großteil des Jahres ungenutzt leer steht, erwerben die Kund*innen ein jährliches Tageskontingent an Übernachtungen in verschiedenen, ausnehmend exklusiven Unterkünften. Doch trotz des breiten Angebots und des hohen Anspruchs kann der Anbieter bisher nicht alle Winkel der japanischen Inseln abdecken. So entstand bei Not a Hotel die Idee zu Anywhere, einem einzigartigen Trailer-Park, der nomadischen Lifestyle mit Fünf-Sterne-Komfort verbindet – inklusive Sauna und Hotelbar.

Fünf Trailer sind ein Haus
Basis der mobilen Hotelanlage ist ein Klassiker des ortsunabhängigen Wohnens: Der Wohnwagen. Allerdings wurde erst gar nicht versucht, möglichst viel Ausstattung in den einen Raum über den zwei bis vier Rädern zu pferchen. Stattdessen wurden die Funktionsbereiche auf fünf Fahrzeuge aufgeteilt. So beherbergen zwei Wagen Schlafzimmer, der dritte ein Arbeitszimmer. In Wagen vier ist ein Bad mit Sauna untergebracht und der fünfte dient mit Disco, Bar und Snackstation dem Entertainment. Dass ein sozialer Gemeinschaftsraum mit Sofas, Daybed oder Lounge-Sessel hingegen fehlt, ist blanke Absicht. Denn das Wohnzimmer soll in der Natur um die Wagenburg herum entstehen. Ein mitgeliefertes Tarp lässt sich zwischen den Fahrzeugen aufspannen und definiert ein geräumiges Entspannungsrefugium mit viel Potenzial für spektakuläre Panoramen und gemütliche Lagerfeuermomente.

Chromglänzende Wohnkapseln
So stilvoll wie die steinernen Residenzen von Not a Hotel sollte auch die mobile Variante sein. Bei den fünf Gefährten handelt es sich um echte Vintage-Schätze aus der Vanlife-Geschichte. Die zwei größeren Fahrzeuge stammen von Spartan, einer Legende unter den Wohnwagenherstellern. Die Spartan Aircraft Company gehörte Mitte des 20. Jahrhunderts J. Paul Getty, einem der reichsten Männer der USA. Getty setzte bei der Produktion von Wohnwagen zwischen 1945 und 1962 auf die gleichen Standards wie bei der Herstellung von Flugzeugen. Typisch ist das komplett in Aluminium gekleidete, seine Umgebung glänzend reflektierende Chassis, das sich auch bei den drei anderen Modellen des Fuhrparks findet. Die kleineren, eiförmigen Wohnanhänger wurden von Airstream hergestellt. Dank seiner Form und seines metallischen Materials ist dieses Modell auch als „Silver Rocket“, als Silberrakete, bekannt.

Raum für Ausblicke
Während das Exterieur viel vom amerikanischen (Reise-)Traum der Fünfzigerjahre erzählt, ist das Innenleben eine Lehrstunde in japanischem Minimalismus. Verantwortet hat die Neueinrichtung der fünf nostalgischen Trailer Daisuke Motogi mit seinem Architekturstudio DDAA Lab aus Tokio. Er hat auch die Entscheidung getroffen, die Räume nach Funktionen zu trennen. „Wenn man versucht, viele Dinge auf engem Raum unterzubringen, wird es unzumutbar. Zum Beispiel ist das Bett klappbar, die Toilette und das Bad sind klein und der Geruch der Küche erfüllt den Raum.“ Der eigentliche Luxus seines Wohnwagen-Projekts ergibt sich durch die Beschränkung des Nutzungsangebots. Gleichzeitig hat Motogi versucht, das Design universell und spartanisch zu halten – sodass es mit einem Wüsten-Panorama genauso resoniert wie mit einem Meeres-Horizont.

Karaoke im Sunakku
Nachdem die Trailer erst entkernt wurden, wurde die Einrichtung vorrangig unter den Fenstern eingebaut, damit die Aussicht als räumliches Highlight erhalten bleibt. Auf den insgesamt fast 75 Quadratmetern der fünf Einheiten können bis zu acht Personen schlafen. Vier finden Platz im ersten großen Schlafzimmer mit Doppelbett und zwei Alkoven. Das kleinere Schlafzimmer im Airstream-Trailer sowie die Arbeitslounge bieten jeweils ein Doppelbett. Ausschließlich für die gemeinsame Nutzung sind das kleine Spa mit seinem quadratischen Badezuber und der Sunakku-Partywagen vorgesehen. Letzterer war ein ausdrücklicher Wunsch des Auftraggebers – und eine Hommage an die japanische Kultur. Kaum eine Einrichtung steht so sinnbildlich für das Nachtleben des Landes wie die Snackbar mit ihren übersichtlichen Räumlichkeiten, einer Handvoll Sitzplätze und einer Karaoke-Maschine. Im Sunakku-Trailer spiegelt sich die Tradition – nicht nur durch die höhlenartigen Dimensionen, sondern auch durch die Gemütlichkeit, die zwischen gepolsterten Barhockern, dem kleinen, mit Plüsch bezogenen Tresen und der Sofaecke entsteht.

Startschuss im Basecamp
Für Motogi war das Projekt ein Präzedenzfall, denn als Architekt kümmert er sich normalerweise um Bauvorschriften und weniger um Fahrzeugregularien. „Es gab eine Menge neuer und unerwarteter Dinge für uns. Zum Beispiel das Problem mit den Vorschriften: Um als Auto und nicht als Gebäude definiert zu werden, ist es notwendig, eine Fahrzeuginspektion zu bestehen – und wir haben beispielsweise ein Fahrzeug mit einer großen Badewanne“, erzählt der Gestalter. Tatsächlich dürfte Anywhere auf die Straße, befindet sich aktuell aber noch in einem temporären Basecamp auf der kleinen Insel Aoshima im Süden Japans. Hier dürfen die Gäste schon mal zur Probe campen und die nomadischen Potenziale ausloten. Solange, bis es wirklich auf die Straße geht – und dann vielleicht mal in Richtung Berge.

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Links

Entwurf

DDAA

dskmtg.com

Projekt

Not a Hotel

notahotel.com

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