Paradies aus dem Drucker
Ein innovatives Luxusresort vor der Küste Mosambiks

Auf einer kleinen Insel vor der Küste Mosambiks stehen kugelige Strohhütten und unter Grasdächern versinkende Sandhäuser zwischen Dünen und Palmen. Erbaut wurden sie sowohl von lokalen Handwerker*innen als auch von Robotern. Sie bedienten sich dabei an dem feinen Sand, den der Indische Ozean dort anspült. Das Kisawa Sanctuary ist ein Luxusresort, versteht unter Luxus aber auch, Natur und Abgeschiedenheit zu erhalten und die Erforschung des Ozeans zu fördern.
Dass irgendwann weniger menschliche Fachkräfte unsere Häuser errichten und sogenannte Portalroboter die Baustellen dirigieren werden, ist eine gesicherte Prognose. In Dubai, der Schweiz oder im deutschen Beckum wurden bereits die ersten additiv gefertigten Prototypen mit 3-D-Druckern hergestellt. Ausgerechnet in Mosambik aber, einem der ärmsten Länder der Welt, steht nun die erste größere Ferienanlage, die partiell mit der Unterstützung aus Maschinendüsen erbaut wurde. Das Kisawa Sanctuary ist ein Resort-Projekt der Schweizer Unternehmerin und Kreativdirektorin Nina Flohr. Ihre ungewöhnliche Entscheidung, beim Bau neben lokalen handwerklern auch auf die hochmoderne Sanddrucktechnologie zu setzen, ergab sich aus ihrem Anspruch, die exklusive Hotelanlage mit dem kleinstmöglichen ökologischen Fußabdruck zu realisieren. „Alles entspringt dem Wunsch, sich einzugliedern statt zu stören“, erklärt Nina Flohr.
Robinson in Mosambik
Die gerade einmal 55 Quadratkilometer große Insel Benguerra vor der Küste des südostafrikanischen Landes entspricht mit ihrer Szenerie jedem Klischee von einem paradiesischen Ort. Über den blendend weißen Stränden wiegen sich vereinzelte Palmen im Wind. Im Landesinneren gehen sie in einen üppigen Wald über, in dessen Geäst sich mehr als 150 Vogelarten tummeln. Taucher*innen hingegen kommen wegen des Indischen Ozeans, der unter seiner glatten, türkisfarbenen Fläche zu spektakulären Riffen absinkt. Mit diesen Voraussetzungen ausgestattet, ist Benguerra zu einem wichtigen Luxusreiseziel des Landes geworden. Backpacker-Hütten gibt es keine, dafür eine Handvoll Resorts, Lodges und Öko-Hotels. Ganz im Süden, direkt an einem spitzen Sandausläufer, steht auf weitläufigen 300 Hektar das Kisawa Sanctuary mit seinen zwölf, bis ins kleinste Detail für den Ort gestalteten Residenzen. Robinson Crusoe-Gefühle können bei den Gästen dennoch aufkommen: Jede der zwischen 200 und 600 Quadratmeter großen Villen hat einen eigenen Hektar Land – inklusive Privatstrand.
Hightech und Handwerk
Trotz der ebenfalls exklusiven Nachbarn ist das Kisawa-Resort anders als die anderen. Als erste Hotelanlage der Welt hat es ein eigenes Meeresobservatorium. Es zollt seinem Standort Tribut, indem es lokales Handwerk und das kulturelle Erbe Mosambiks in jedem Element seines Interiors thematisiert. Und es setzte bei der Errichtung auf die Fertigungskompetenzen von Roboterarmen. Denn die international noch eher experimentell eingesetzte Bauweise ermöglichte eine hyperlokale Umsetzung. Die verbauten, nachhaltigen Materialien – vor allem Sand und Meerwassermörtel – wurden direkt vor Ort abgetragen. So konnten Schutt und Emissionen reduziert werden. Aber auch alles andere wurde aus Mosambik bezogen: Beim Interior setzte Nina Flohr auf die indigenen Schreiner*innen, Textilproduzent*innen und Strohhandwerker*innen. Über 80 Prozent von ihnen stammten direkt von Benguerra – und die Hälfte von ihnen waren Frauen. Das Resort ist vom Bau bis zum Betrieb ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Region: Aktuell sind 220 Menschen dort beschäftigt.
Aus dem Ort entwickelt
Gutes und vor allem authentisch afrikanisches Design spielt eine prominente Rolle im Interieur. „Die Geschichte von Kisawa basiert auf einer ehrlichen Berücksichtigung des mosambikanischen Terrains und Erbes“, steht in der Philosophie des Kisawa Sanctuary. So soll mit dem Aufenthalt auch die reiche Kulturgeschichte des Landes vermittelt werden. Dazu gehören künstlerische Unikate, wie Skulpturen, Gemälde und Antiquitäten, aber auch Möbel und Dekorationsobjekte, die direkt vor Ort entworfen und angefertigt wurden. Sie vermitteln ein Gefühl für das Land und gehen über ihre originäre Materialität eine Verbindung mit der umgebenden Natur ein. Die Farbpalette des Interiors ist auch deshalb ein Spiegel der Insel: Sandige und erdige Farbtöne treffen auf Holz, Bambus, Stein und Jute. Farbenfrohe Drucke und regionale Textilien setzen darin einen grafischen Akzent.
Exklusivität als Besucherbremse
Auf der dem Resort gegenüberliegenden Nordspitze der Insel findet sich auch das Partnerprojekt, das Bazaruto Center for Scientific Studies (BCSS). Zwischen der gemeinnützigen Wissenschaftseinrichtung und dem Luxusresort wurde ein Geschäftsmodell entwickelt, das Nina Flohr als „symbiotisch“ beschreibt. Lokale Forschungserkenntnisse lassen sich direkt auf den Tourismus übertragen und die Gäste werden für Umweltthemen sensibilisiert – etwa indem sinnvolle Aktivitäten, wie das Markieren von Haien, zu einem Ausflugserlebnis werden. Ein Ort wie Kisawa ist kein Vertreter eines demokratischen Tourismus, limitiert aber über die finanzielle Hürde die Besucherzahlen und damit auch die Auswirkungen auf die Natur und im Speziellen auf die Riffe. So kann die Insel ihren besonderen Charakter, der sich aus unberührter Natur, Abgeschiedenheit und individueller Flora und Fauna ergibt, bewahren. Vorbehalten bleibt die Insel allerdings denjenigen, die sich den Hubschrauberanflug leisten können – oder als Forscher*innen anreisen.
FOTOGRAFIE Elsa Young
Elsa Young
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