Quadratur des Kreises
Wohnhaus in Australien von Kennedy Nolan
											
																									
					Mathematisch betrachtet, ist er eine einfache, geometrische, genauer gesagt nicht exzentrische Figur. Das jedoch nimmt ihm nichts von seiner Rolle in Kunst und Kultur. Etwa im Zen-Buddhismus steht der Kreis für Eleganz, als Ausdruck des Moments und für nichts weniger als das Universum. Diese Bedeutung des minimalistischen Zeichens erkannten auch die Architekten von Kennedy Nolan und machten die Kreisform zu einem zentralen Element ihrer Gestaltung. Für das Caroline House in Melbourne entwarfen sie ein vollends rundes Konzept, das Poesie und Funktion unter einem Dach vereint – und wahrlich nichts an Exzentrik einbüßt.
Wenngleich der Kreis in der westlichen Architektur ziemlich aus dem Blickfeld geraten ist, so spielt er in vielen anderen Kulturen eine durchaus fundamentale Rolle. Man denke nur an die kreisförmigen Grundrisse kirgisischer Jurten, an die Iglus der Inuit oder an die Nomadenzelte der Samen. Auch das australische Architekturbüro Kennedy Nolan hat ein Faible für archetypische Grundformen. Mit seinen konstruktivistischen Entwürfen schafft es klare Bauten für moderne Bedürfnisse und appelliert an längst Vergessenes.
So auch bei der Renovierung und Erweiterung eines edwardianischen Holzhauses für eine fünfköpfige Familie im Zentrum von Melbourne. „Dieser Entwurf spielt mit unserem kollektiven Gedächtnis“, erklären die Planer, die sich zum Ziel gesetzt haben, Erinnerung, Geschichte und Landschaft in ihre Gestaltungen einfließen lassen. Was abstrakt klingt, zeigt sich recht konkret anhand des zentral angelegten, kreisrunden Wasserbassins, das nicht nur der Ausgangspunkt für den Entwurf, sondern auch form- und farbgebend für die Architektur war.
        
											
																									
					
Die Poesie der Funktion 
„Die Vorgaben für Gebäudehüllen wie auch für die Sicherheit von Schwimmbädern in Privathäusern werden von Jahr zu Jahr strenger. Wir lösten diese Herausforderungen, indem wir die Fassade des Neubaus gleichsam als Begrenzung für den Pool nutzten“, berichten die Architekten. Das Ergebnis ist ein rundes, tiefes Bassin, das halbseitig von einer konkav geformten Wand umschlossen wird – eine Lösung mit thermischen wie ästhetischen Vorzügen. Im Sommer sorgt das Wasser für Verdunstungskälte, im Winter verwandelt es sich in einen dunkeln, smaragdgrünen Teich. „Im Inneren des Hauses entsteht dann der Eindruck, der Rand des Gebäudes falle in einen tiefen Tümpel ab, was einen dramatischen, atmosphärischen Effekt hervorruft“, sagen die Planer.
        
											
																									
					
Bodentiefe, bogenförmige Fenster und eine Vielzahl kleinerer Bullaugen geben den Blick auf den Pool und die Landschaft frei. Und auch mit einer ausgewählten Material- und Farbpalette schaffen die Architekten Verbindungen zwischen Garten und Hausinnerem. So verwendeten sie mit Holz, Terrazzo und Klinker dieselben Materialien für den Außen- und Innenraum. Zudem setzten sie im Interieur zahlreiche grüne Akzente. Darunter eine apfelgrüne Treppe, ein lindgrüner Kamin oder ein unregelmäßig gefleckter Teppich, der der wilden Graslandschaft draußen verblüffend ähnelt.
        
											
																									
					
Der Reiz des Radius
Hinzu kommt eine Vielzahl weniger offensichtlicher Details, die Alt- und Neubau sowie Wasser, Anlage und Architektur miteinander verbinden. Den Wänden und Möbeln in Bad und Küche verliehen die Architekten fließende, wellenförmige Formen. Mit filigranem Stabmosaik verkleidet, entstehen subtile Texturen und Musterungen, die erst auf den zweiten Blick ersichtlich werden. Ähnlich ist es mit dem konsequenten Einsatz runder Elemente. Auch sie begegnen einem hier immer wieder und das in zahlreichen Ausformungen: als halbrunder Innenhof, als gebogenes Geländer, in Garderoben, Regalen, Kunstwerken und in etlichen abgerundeten Ecken.
Mit einer Bauweise à la Rudolf Steiner, bei der rechte Winkel tunlichst vermieden wurden, hat das Caroline House jedoch nur wenig gemein. Vielmehr scheint es, die Planer handelten im Sinne von Sepp Herberger, der einmal sagte: „Das Runde muss ins Eckige“. Wenngleich der Fußballtrainer damit auch etwas anderes meinte, so haben die Architekten von Kennedy Nolan doch ebenfalls die Untrennbarkeit beider Formen erkannt. Gekonnt nutzen sie rechtwinklige und runde Elemente, um ihre Wirkung gegenseitig zu steigern – und lösen so fast die Quadratur des Kreises.
			FOTOGRAFIE Derek Swalwell
			Derek Swalwell
	
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