Von Rothko inspiriertes Doppel
Maisonette in Madrid von Lucas y Hernández-Gil

Im Zentrum von Madrid haben die Architekten Lucas y Hernández-Gil ein früheres Ladengeschäft in eine zweigeschossige Wohnung mit Fitnessraum, Homeoffice und mehreren Innengärten verwandelt. Durch Licht und Farbe werden die Räume mit bühnenhaften Qualitäten aufgeladen.
Maisonetten sind luftig-leichte Wesen. Vor allem auf Dachgeschossen fühlen sich die doppelt gelagerten Wohnräume besonders wohl. Der Grund: Die zusätzliche Infusion an Sonnenstrahlen bringt ihre Weitläufigkeit und Raumhöhe umso stärker zur Geltung. Doch Maisonetten sind durchaus auch auf anderen Ebenen anzutreffen, wie die Casa A12 in Madrid zeigt. Das zweigeschossige Volumen bespielt das lang gezogene Erdgeschoss eines historischen Geschäftshauses sowie dessen gesamte Unterkellerung. Cristina Domínguez Lucas und Fernando Hernández-Gil, die seit 2007 als Lucas y Hernández-Gil Arquitectos zusammenarbeiten, haben aus den tiefen, dunklen Räumen das Beste gemacht: Sie haben sie mit Tageslicht erfüllt.
Innere Verknüpfungen
Zuvor sind die Architekten der Baumasse mit dem Skalpell zu Leibe gerückt. Sie haben Oberlichter eingefügt, Wände mit Türen und Fenstern durchbrochen sowie großformatige Öffnungen der Böden vorgenommen – und damit die zwei übereinander liegenden, bislang voneinander isolierten Etagen erst in eine Maisonette verwandelt. Als Vorbild für die Raumaufteilung und Lichtführung dienten antike, römische Wohnhäuser, bei denen sich die Räume stets zu einem Atrium hin öffneten. Cristina Domínguez Lucas und Fernando Hernández-Gil haben an ihrer Stelle drei begrünte Innenräume gewählt.
Der eine dient im Obergeschoss als Durchgang. Die zwei anderen erstrecken sich über beide Etagen, um Sichtkontakt zwischen ihnen herzustellen und Tageslicht bis in den Keller hinein zu leiten. Die begrünten Zonen lockern das 307-Quadratmeter-Interieur visuell wie programmatisch auf: Als erholsame Zwischenstationen einer Raumabfolge, die gänzlich ohne Korridore auskommt. Zwei Schlafzimmer, drei Bäder, ein Fitness- und Yogaraum, ein Homeoffice, ein Wohnzimmer, ein Multifunktionsraum sowie eine Küche und ein Esszimmer reihen sich als eine zweietagige Enfilade aneinander.
Auf den Spuren der Kunst
Auch wenn die Räume miteinander verknüpft sind, werden ihnen dennoch eigenständige Qualitäten zugestanden – und zwar durch den gezielten Einsatz von Farbe. Die Architekten haben sich hierbei von Mark Rothkos Gemälde No. 14 aus dem Jahr 1960 inspirieren lassen, bei dem ein großes, orange und ein etwas kleineres, dunkelblaues Farbfeld vor schwarzem Hintergrund schweben. Schon im Multifunktionsraum im Obergeschoss, in den man direkt nach Öffnen der zur Straße ausgerichteten Eingangstür gelangt, kommt alles zusammen.
Ein filigraner, orangefarbener Schrank ruht auf einem grauen Metallgitter, das Blicke und Sonnenlicht gleichermaßen in einen Garten im Untergeschoss fallen lässt. Dessen Boden greift die Farbe auf, kontrastiert sie zugleich mit dem satten Grün von unzähligen Palmenblättern. Der Clou ist ein türkisfarbenes Leuchtfeld an der Wand, das einen unwirklichen Schimmer über die Pflanzen legt – als hätten die Dekorateure der originalen Miami-Vice-Serie neongetränkte Nuancen eingebracht. Natur und Künstlichkeit greifen in diesem Tropengarten untrennbar ineinander. Oder wie es die Architekten beschreiben: „Ein Übergang vom Realen zum Traum, der durch Rothkos chromatische Dualität visuell verstärkt wird.“
Tiefe durch Farbe
Der Multifunktionsraum wartet noch mit einer weiteren Besonderheit auf: Hinter einer runden, dunkelblauen Wand aus Metallblech verbirgt sich ein kleines Badezimmer, wo ein weißes Waschbecken in eine orangefarbene Ablage eingelassen ist und die Wände mit lachsfarbenen Kacheln verkleidet sind. Dieselbe Tonalität wird im Treppenhaus aufgegriffen, das beide Maisonette-Ebenen verbindet. Auch das Dunkelblau taucht an einzelnen Wandabschnitten, Türdurchgängen, Vorhängen oder bei den Stühlen auf, die sich um den gelben Schreibtisch im Homeoffice sowie um den ebenfalls in Gelb gehaltenen Esstisch gruppieren.
Farbe erzeugt Tiefe. Sie sieht die Blicke von einem Raum in den anderen und überrascht mit den Überlagerungen stetig wiederkehrender Nuancen. Um der Wirkung der Farben Vorrang zu geben, ist ein Großteil der Wände und Decken in Weiß gehalten. Silbrig glänzende Vorhänge, Blechwände und metallene Deckenpaneele intensivieren nicht nur das Licht und damit auch die Farben. Sie bringen eine gleichermaßen industrielle wie glamourös-glitzernde Facette ins Spiel, die dieser Maisonette ihren eigenen Charme verleiht – nicht trotz, sondern gerade weil sie ein Erdgeschoss und einen Keller bespielt.
FOTOGRAFIE José Hevia
José Hevia
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