Auf höchster Stufe
Aufzug fahren kann jeder: Wir zeigen die schönsten Treppen-Experimente der Welt.

Aus Stein, Stahl, Holz oder Glas, gewendelt oder geradeaus, flach oder steil: Treppen gibt es in unzähligen Formen. Neben ihrer funktionalen Rolle haben sie einen hohen Symbolcharakter und repräsentieren kulturelle Werte wie auch die Visionen ihrer Bauherren. Damit geht ihre Wirkung weit über die einer vertikalen Erschließung hinaus. Wir haben uns aktuelle Treppen-Beispiele angeschaut, die eines klar machen: Die Geschichte ist noch lange nicht zu Ende erzählt.
Die Spanische Treppe in Rom, das Stufenlabyrinth MC Eschers oder der schwindelerregende Aufstieg in Hitchcocks Film Vertigo: Der gebaute Auf- und Abstieg bewegt und inspiriert seit jeher die kreativen Geister vieler Architekten, Künstler und Regisseure, die ihre Werke mit bildhaften Eigenschaften aufzuladen versuchen. Aber auch in weniger exponierten Innenräumen entstehen zurzeit Treppen, die es in und auf sich haben und der Typologie neue Qualitäten hinzufügen.
New Yorker Welle
Treppen als Aufenthaltsort gibt es schon seit tausenden von Jahren, allerdings befinden sich diese meistens im Außenraum – im Inneren unserer Häuser und Wohnungen beschränkt sich die Funktion auf Durchwegung und Repräsentation. Doch mit knapper werdenden Wohn- und Geschäftsflächen wird jeder einzelne Raum genau auf seine Nutzbarkeit hinterfragt, wodurch sich interessante Überschneidungen ergeben, die den Ort „Treppe“ neu definieren. Dass die Aneinanderreihung von Stufen mehr als nur dem Passieren dienen kann, zeigte Rem Koolhaas (OMA) bereits 2001 mit seinem Prada Epicenter in New York: Der Raum wird von einer „Welle“ durchdrungen, die das Erd- mit dem Untergeschoss verbindet. Der in die Architektur hineingebaute, hölzerne Hang besteht aus einer glatten, abfallenden Fläche – aus der sich eine Bühne hinausklappen lässt – und Stufen verschiedener Höhe und Breite. Die Stufen können entweder begangen werden oder als Sitzgelegenheit und als Präsentationsfläche für Prada-Accessoires dienen. Das erlaubt maximale Flexibilität: Neben der normalen Warenpräsentation ist auch Platz für Konzerte und Lesungen.
Haus aus Treppen
Dass eine Treppe mehr als nur der Weg von oben nach unten sein kann, beweist auch das Panorama House des koreanischen Architekturbüros Moon Hoon: Hier ist der Anstieg gleich das Herz des Neubaus und umfasst Bücherregal, Leseplätze und Heimkino. Dazu bietet das Holzobjekt den Bewohnern eine Vielzahl an Möglichkeiten, das Höhengefälle zu überwinden: Kurze und hohe Stufen sowie eine Rutsche entscheiden über Geschwindigkeit und Spaßfaktor beim Passieren.
Ein ganzes Haus in der Form einer Treppe ließ sich eine junge Familie in Japan bauen – und das nicht ohne Grund: Ihr Traumhaus sollte eine größtmögliche Privatsphäre schaffen, das raue Seeklima fernhalten und den Eltern ermöglichen, ihre Stundenten auch zuhause zu versammeln. Für das Architekturbüro y+M design lag die Lösung in der speziellen Außenkontur, die das Sonnenlicht filtert, ungewollte Einblicke nach oben abwendet und als Tribüne für kleine und große Zusammenkünfte dienen kann. Vor allem für das Innenraumklima ist die Konstruktion ein Vorteil: Im Sommer sorgen die Schlitze zwischen den Stufen für eine angenehme Belüftung des Hauses, ohne dass zu viel Wärme in das Gebäude gelangt.
Treppe mit Inhalt
Auch in Büro- und Geschäftsräumen entwickeln sich Treppen zu Multitalenten: Im New Yorker Coworking-Space Neuehouse wurde eine „Spanische Treppe“ installiert, die als Versammlungsort und Arbeitsplatz das Zentrum der ehemaligen Fabrikhalle darstellt. Der Architekt Greg Keffer (Rockwell Group) ergänzt, dass gegenüber der Stufen „eine Bühne steht, auf der abends Konzerte und Vorträge stattfinden sollen.“
Ganz ähnlich funktioniert auch ein Treppen-Objekt in der Why Factory der TU Delft: In einem temporär genutzten Gebäude installierten MVRDV-Architekten eine gigantische Tribüne, in deren Inneren sich die Schulungs- und Büroräume des Instituts befinden. Die in leuchtendem Orange gestrichene Konstruktion soll den unabhängigen Charakter der Why Factory innerhalb der Universität unterstreichen und ihm eine Identität verleihen. Das raumbildende Element teilt die Halle des Neubaus: An seinen Seiten stehen große Tische, die als Arbeits- und Modellbauplätze für die Stundenten dienen; das Objekt selber soll vor allem für Vorlesungen und als Rückzugsort genutzt werden.
Es scheint eine neue Treppen-Bewegung zu entstehen, die den Willen zum Experiment mit den Stufen nicht scheut. Ob das an der drohenden Machtübernahme vertikaler Erschließung durch immer schneller werdende Aufzüge liegt oder an knapper werdenden Wohnflächen: Die gezeigten Beispiele symbolisieren einen fast romantische Umgang mit dem Thema, der einer der ältesten Typologien in der Architekturgeschichte gänzlich neue Möglichkeiten entlockt.
Mehr Stories
Hygiene trifft Design
Mehr Sicherheit im Büro mit USM Haller

Fliese, Fliese an der Wand
Fünf Designstudios stellen ihre Lieblingsfliese vor

Bewegung als Moment
Zu Besuch bei dem Berliner Leuchtenlabel Analog

How will we work?
Entwurf einer Designkarriere im Jahr 2040

Gestaltung auf Augenhöhe
Das Buch Räume für Kinder vom Berliner Büro baukind

Der ganzheitliche Arbeitsplatz
Wilkhahns Planungsansatz für das Büro von morgen

Neustart in Mailand
Streifzug durch die Milano Design City 2020

German Design Graduates 2020
Award geht in die zweite Runde

Post-Corona-Office
Drei Office-Guides für eine neue Büroorganisation

Homeoffice 2.0
Utensilien für eine neue Dauerhaftigkeit

Revolution aus dem Off
Der 3D-Druck beweist sich als eine Notlösung

Salone del Mobile 2020 wird verschoben
Mailänder Möbelmesse findet im Juni statt

I am Office
Der Mensch ist verantwortlich für Wandel der Arbeitswelt

Arbeiten im Multispace
Wie der rasante Wandel der Arbeitswelt Büroräume verändert

Ratgeber Büro: Arbeiten im Wohnzimmer?
Strukturelle und räumliche Bewegung

Sitzen 4.0
Büromöbel von Wilkhahn meistern die Herausforderungen unserer Zeit

Büro nach Maß
Customized Furniture von Girsberger

Neue Arbeitswelt
Maßgeschneiderte Bürowelten von Planmöbel

KI versus Planungsbüro
Wilkhahn-Symposium über das Bauhaus und die Digitalisierung

Rudolph Schelling Webermann
Wir waren zu Besuch im Hannoveraner Studio

Studio Visit: Kuehn Malvezzi
Die Berliner Architekten arbeiten ohne Papier und Türen

Lucie Koldova: Black Box im White Cube
Kompakte Box im offenen Raum: Lucie Koldova führt ihr Studio in einer alten Autowäscherei in Prag.

Move it: Fünf Stühle fürs Büro
Nicht ohne Grund gilt der Bürostuhl als Königsdisziplin des Möbeldesigns. Fünf Neuheiten der Orgatec 2018.

Die Arbeitswelt befindet sich im Umbruch. Ein Spaziergang auf der Orgatec zeigt, was das bedeutet.

Werksbesuch Steelcase: Innovation von Herzen
Auf über sieben Etagen führt Steelcase zum einen vor, wie seine Möbel in Aktion wirken.

Das Büro der Zukunft: Multispace
Eine Studie des Fraunhofer Instituts zeigt, welche Effekte die Bürogestaltung auf die Arbeit hat.

Das Licht am Arbeitsplatz der Zukunft
Die Leuchten von Waldmann sind für das Arbeiten von morgen schon heute bereit.

Orgatec 2018: Arbeit neu denken
Die Orgatec hat sich zu einer Leitmesse für moderne Arbeitswelten etabliert. Ein Preview.

Szenenwechsel mit Konstantin Grcic
Er braucht viel Licht und einen festen Ort. Ein Studiobesuch in Berlin.

Gentle Monster: Eine Fashion-Dystopie
Hochwertige Sonnenbrillen kauft man beim Optiker? Diese Zeiten sind vorbei.
