Denkfabrik unter der Treppe
Eigentlich heißt es ja, dass jedem Anfang ein Zauber innewohne. Doch die Geschichte des Architekturinstituts „The Why Factory“ beginnt mit einer totalen Zerstörung. Wenige Wochen, nachdem das von der Technischen Universität Delft und dem Architekturbüro MVRDV neu gegründete Forschungsinstitut sein Domizil im Gebäude der Architekturfakultät bezogen hatte, brannte das Haus komplett ab. Ein Kurzschluss hatte den verheerenden Brand ausgelöst. Aufgrund der Wirtschaftskrise war ein Ausweichquartier für die Fakultät allerdings schnell gefunden: das ehemalige Hauptgebäude der TU, das eigentlich in ein Apartmenthaus mit Luxuswohnungen umgewandelt werden sollte. Doch die Räume reichten nicht für alle Abteilungen – für „The Why Factory“ musste zusätzlicher Platz geschaffen werden. MVRDV entwickelte ein „Haus-im-Haus“-Konzept, das den vorhandenen Raum intelligent nutzt und zugleich ein visuelles Ausrufezeichen setzt. Der niederländische Designer Richard Hutten steuerte eigens entworfenes Mobiliar bei.
Eines ist klar: Dank ihrer neuen Räumlichkeiten fällt „The Why Factory“ auf im Gebäude der Architekturfakultät. Das Team von MVRDV um Factory-Leiter Winy Maas stellte eine große, leuchtend orangefarbene Tribüne in einen überdachten Innenhof des ehemaligen Hauptgebäudes, folgerichtig „Tribune“ benannt. In dem abgetreppten Tribünenblock sind Büros sowie Konferenz- und Seminarräume untergebracht. Auf der Tribüne und darum herum gruppieren sich Arbeitsplätze für die Studenten, die an „The Why Factory“ Masterprogramme in Urbanismus absolvieren oder ihren Doktor machen können. Da es sich um ein temporäres Projekt handelt – für fünf Jahre kommt die Architekturfakultät in dem Altbau unter –, mussten alle Umbaumaßnahmen günstig und einfach ausfallen. Die Architekten hatten verschiedene, aufwändigere Anbau- und Erweiterungskonzepte entwickelt, die aber aus Kostengründen verworfen wurden. Ein weiterer Vorteil der Tribünenlösung: In nur drei Monaten konnte das neue Quartier fertig gestellt werden.
Territorium in Orange
Der Baukörper der Tribüne reicht fast bis an das gläserne Dach heran und steht mitten im überdachten Innenhof – nur die Rückseite ist an eine Fassade des Hofes herangerückt. Dadurch ergeben sich um den Block herum freie Flächen, die mit einem ebenfalls orangefarbenen Fußboden belegt sind. Die Farbe markiert sozusagen das Territorium des Thinktanks, denn jenseits des knalligen Bodens befinden sich allgemeine Nutzflächen der Architekturfakultät. Es war das erklärte Ziel von MVRDV, mit dem Projekt das Institut innerhalb der großen Fakultät räumlich hervorzuheben und ihm eine eigene Identität zu verleihen.
Die Tribüne selbst ist in sich zwei Mal abgestuft und spiegelt damit ihr dreigeschossiges Inneres wider. Im Erdgeschoss der Holzkonstruktion sind ein Seminar- und ein Konferenzraum untergebracht, darüber liegt das Büro der Institutsmitarbeiter und ganz oben ein weiterer Besprechungsraum. In die beiden oberen Etagen gelangt man über die große Treppe der Tribüne. Tür- und Fensteröffnungen fallen recht groß aus, um Licht in die ansonsten abgeschlossenen Räume zu lassen. Zudem konnte dadurch auf zusätzliche, künstliche Belüftung verzichtet werden.
Flexible Arbeitsmöbel
Rund um die Tribüne verteilen sich die Arbeitsplätze der Studenten des Instituts – dank eines Funknetzwerks und im Boden eingelassener Steckdosen können sie überall ihre Notebooks aufklappen und arbeiten – sogar über den Köpfen ihrer Professoren. Auch die Möblierung hat gestalterischen Anspruch: Die Studenten sitzen auf dem Bürodrehstuhlmodell „.04“ von Maarten van Severen für Vitra. Die schwarzen Schreibtische und die Arbeitstische hat Richard Hutten speziell für das Projekt entwickelt. Die Arbeitstische sollen vor allem für den Modellbau genutzt werden; sie lassen sich rollen und bieten in Regalen unter der Platte Stauraum für Materialien und Modelle. Auch bei Präsentationen können sie eingesetzt werden.
Und so hatte der verheerende Brand zumindest für „The Why Factory“ auch sein Gutes: Anders als in dem zerstörten Gebäude, wo das Institut eines unter vielen war, untergebracht in anonymen Büroräumen, verfügt die Denkfabrik jetzt über ein eigenes Haus im Haus – gut ausgestattet und kaum zu übersehen.
FOTOGRAFIE Rob ‘t Hart/ TU Delft
Rob ‘t Hart/ TU Delft
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