Dysfunctional: Designausstellung in Venedig
An der Schnittstelle von Skulptur und Gebrauchsobjekt: Eine Ausstellung im Palazzo Cà d‘Oro in Venedig.
Zur Kunstbiennale in Venedig hat im Palazzo Cà d‘Oro am Canal Grande die Ausstellung Dysfunctional eröffnet. Die Galerie Carpenters Workshop zeigt dort mehr als 50 Arbeiten an der Schnittstelle von Skulptur und Gebrauchsobjekt. Zu den 23 beteiligten Gestaltern zählen Namen wie Maarten Baas, Studio Drift, Mathieu Lehanneur und Virgil Abloh – Louis-Vuitton-Designer, Instagram-Star und Streetwear-König.
Während der Kunstbiennale in Venedig mischt auch die Mode kräftig mit. Die Fondazione Prada stemmt die erste Retrospektive von Jannis Kounellis nach dem Tod des 2017 verstorbenen Vorreiters der Arte Povera. Die Fondation Louis Vuitton zeigt Arbeiten des französischen Künstlers und Filmemachers Philippe Parreno. Neu in der Lagune ist hingegen die Anwesenheit von limitierten Designobjekten.
Während der Kunstbiennale in Venedig mischt auch die Mode kräftig mit. Die Fondazione Prada stemmt die erste Retrospektive von Jannis Kounellis nach dem Tod des 2017 verstorbenen Vorreiters der Arte Povera. Die Fondation Louis Vuitton zeigt Arbeiten des französischen Künstlers und Filmemachers Philippe Parreno. Neu in der Lagune ist hingegen die Anwesenheit von limitierten Designobjekten.
Kunstsinniger Baron
Das Konzept der hochpreisigen Sammler-Editionen am Übergang von Kunst und Design ist längst etabliert. Und doch ist hier vor allem der Kontext ungewöhnlich. Die Arbeiten werden inmitten der Kunstsammlung des 1922 verstorbenen Barons Giorgio Franchetti gezeigt. 1895 hatte er den Palazzo Cà d‘Oro erworben, um dort Werke von Tiziano, Van Dyck und Mantegna zu zeigen. Der Bau am Canal Grande stammt aus dem frühen 15. Jahrhundert und gilt als wichtiges Werk der venezianischen Gotik am Übergang zur Renaissance. Franchetti restaurierte den heruntergekommenen Palast und vermachte ihn 1915 zusammen mit seiner Sammlung dem italienischen Staat. Der kunstsinnige Baron war sogar selbst als Gestalter tätig und hat im Erdgeschoss ein aufwändiges Mosaik anlegen lassen – wohl wissend, dass dieser Bereich des Hauses regelmäßig vom winterlichen Hochwasser überflutet wird.
Das Konzept der hochpreisigen Sammler-Editionen am Übergang von Kunst und Design ist längst etabliert. Und doch ist hier vor allem der Kontext ungewöhnlich. Die Arbeiten werden inmitten der Kunstsammlung des 1922 verstorbenen Barons Giorgio Franchetti gezeigt. 1895 hatte er den Palazzo Cà d‘Oro erworben, um dort Werke von Tiziano, Van Dyck und Mantegna zu zeigen. Der Bau am Canal Grande stammt aus dem frühen 15. Jahrhundert und gilt als wichtiges Werk der venezianischen Gotik am Übergang zur Renaissance. Franchetti restaurierte den heruntergekommenen Palast und vermachte ihn 1915 zusammen mit seiner Sammlung dem italienischen Staat. Der kunstsinnige Baron war sogar selbst als Gestalter tätig und hat im Erdgeschoss ein aufwändiges Mosaik anlegen lassen – wohl wissend, dass dieser Bereich des Hauses regelmäßig vom winterlichen Hochwasser überflutet wird.
Räumliche Symbiose
„Das Mosaik ist ein Meisterwerk. Daher wollten wir es nicht übertrumpfen, sondern eine Eintracht erzeugen“, sagt Julien Lombrail beim Rundgang durch die Ausstellung. Er ist Mitgründer der Galerie Carpenters Workshop, die er 2006 mit Loïc Le Gaillard in London eröffnete. Im Erdgeschoss fällt vor allem der Leuchter Inside A Forest Cloud von Nacho Carbonell ins Auge. „Wenn man in diesen Raum eintritt, schaut man direkt hinaus auf den Canal Grande. Diese Verbindung wollten wir beibehalten. Darum haben wir den Leuchter in der Mitte etwas erhöht, damit er den Ausblick regelrecht umrahmt“, erklärt der spanische Gestalter. Die Leuchtkörper werden von offenen Netzstrukturen umschlungen, die aus Bronze und Glas gefertigt sind und mit den Mustern und Farben des marmornen Mosaikbodens korrespondieren.
Symbol des Aufbruchs
Das zentrale Werk im Palazzo Cà d’Oro ist das Gemälde San Sebastiano von Andrea Mantegna aus dem Jahr 1506. „Giorgio Franchetti hat es von einem Sammler gekauft und dafür fast genauso viel bezahlt wie für den gesamten Palazzo. Es gibt eine lateinische Inschrift, die sagt, dass nur das Göttliche stabil und alles andere in Bewegung ist. Es ist also ein Vanitas-Motiv, was für die Renaissance sehr ungewöhnlich ist. Es war ja eine sehr optimistische und keine tragische Epoche“, sagt die Direktorin des Cà d’Oro-Museums, Claudia Cremonini. Es war ihre Idee, an dieser Stelle eine eigens für Venedig angefertigte Neuauflage des Fragile Future Chandelier von Studio Drift auszustellen. „Die LEDs haben wir mit echten Löwenzahn-Samen beklebt. Sie sind fagil und damit auch ein Vanitas-Motiv. Doch zugleich verkörpern sie ein Symbol des Aufbruchs und des Neuanfangs“, erklärt Studio-Drift-Mitbegründerin Lonneke Gordijn.
Auf Mond-Fühlung
Vergänglichkeit offenbart zugleich die Serie Moments of Happiness von den Verhoeven Twins. Auf den ersten Blick erinnern die Arbeiten an Seifenblasen, die jeden Moment zerplatzen könnten. Dabei sind sie mitsamt irisierender Farbverläufe aus Glas gefertigt. Doch nicht alle Sammlerstücke sind aus hochwertigen Rohstoffen oder durch handwerkliche Raffinesse entstanden. Für den Leuchter Tide Colour von Stuart Haygarth reicht selbst Plastik-Müll, den er an verschiedenen Stränden aufgesammelt hat. „Meine Arbeit dreht sich um das Erheben von Dingen, die sonst eher übersehen werden. Die Farben der Kunststoff-Abfälle sind eine Referenz an das bunte Murano-Glas. Die Kugel-Form der Leuchte lässt an den Mond denken. Er bestimmt die Gezeiten, durch die der Müll an die Küsten gespült wird“, erklärt der Londoner Gestalter, der seine Leuchten-Unikate auch aus gefundenen Brillen, Autospiegeln oder Partyknallern konstruiert.
Dualität der Gegenwart
Im zweiten Obergeschoss öffnet sich der Palazzo Cà d’Oro zu einer Loggia, deren Maßwerk an den Dogenpalast am Marktplatz erinnert. Hier werden Stühle, Bänke sowie eine Leuchte aus der Serie Alaska Alaska von Virgil Abloh gezeigt. Sie stehen leicht schief, als würden sie langsam im Boden versinken. Der Louis-Vuitton-Designer und Gründer des hippen Streetwear-Labels Off-White sieht darin nicht nur ein Sinnbild für den Klimawandel, sondern ebenso die Dualität der heutigen Welt. Denn die Form der Shaker-Inspirierten Möbel ist haargenau der Stuhlserie Makerad entlehnt, die Abloh in diesem Jahr bei Ikea in Produktion bringt. Alles Zufall? „Der eine Stuhl ist eine limitierte Edition aus Bronze. Der hölzerne Ikea-Stuhl wird dieselbe Form haben, nur demokratischer und verfügbarer sein. Produktverständnis und Preispunkt sind sehr unterschiedlich. Und doch existieren sie zur selben Zeit“, sagt Virgil Abloh, der vor seinem Mode-Engagement Architektur studiert hat. In Venedig, so scheint es, sind die Dinge ständig im Fluss.
Im zweiten Obergeschoss öffnet sich der Palazzo Cà d’Oro zu einer Loggia, deren Maßwerk an den Dogenpalast am Marktplatz erinnert. Hier werden Stühle, Bänke sowie eine Leuchte aus der Serie Alaska Alaska von Virgil Abloh gezeigt. Sie stehen leicht schief, als würden sie langsam im Boden versinken. Der Louis-Vuitton-Designer und Gründer des hippen Streetwear-Labels Off-White sieht darin nicht nur ein Sinnbild für den Klimawandel, sondern ebenso die Dualität der heutigen Welt. Denn die Form der Shaker-Inspirierten Möbel ist haargenau der Stuhlserie Makerad entlehnt, die Abloh in diesem Jahr bei Ikea in Produktion bringt. Alles Zufall? „Der eine Stuhl ist eine limitierte Edition aus Bronze. Der hölzerne Ikea-Stuhl wird dieselbe Form haben, nur demokratischer und verfügbarer sein. Produktverständnis und Preispunkt sind sehr unterschiedlich. Und doch existieren sie zur selben Zeit“, sagt Virgil Abloh, der vor seinem Mode-Engagement Architektur studiert hat. In Venedig, so scheint es, sind die Dinge ständig im Fluss.
Dysfunctional, bis zum 24. November 2019 im Palazzo Cà d’Oro in Venedig.
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