Vorschau Salone del Mobile 2016: Reise nach Palazzo-Land
Es ist Möbelmessenmonat: über erholte Märkte, neue Bekannte und Terminpläne.
Vom 12. bis 17. April herrscht wieder Ausnahmezustand in Mailand. Der 55. Salone del Mobile öffnet seine Türen. Rückenwind erhält die wichtigste Möbelschau in diesem Jahr nicht nur von der Küchenmesse Eurocucina sowie der Bäderschau Salone del Bagno. Die parallel stattfindende XXI. Triennale sorgt für eine Verdichtung des Terminplans und legt den Fokus wieder stärker auf die Stadt.
Wenn die fünfte Jahreszeit in Mailand bevorsteht, geben sich alle optimistisch. Auch zum 55. Salone del Mobile ist das 207.000 Quadratmeter große Messegelände ausgebucht. 2.310 Hersteller aus 160 Ländern werden in der kommenden Woche ihre Neuheiten präsentieren. Einschließlich der beiden Publikumstage liegen die Prognosen bei rund 330.000 Besuchern. „Der Möbelmarkt zeigt deutliche Zeichen der Erholung. Allein 2015 sind die Exporte um sechs Prozent angestiegen“, erklärt Italiens stellvertretender Wirtschaftsminister Carlo Calenda im Vorfeld der Messe.
Um dem derzeitigen Schwächeln der Märkte in China und Russland zu begegnen, zaubert die Messe ein neues Format aus dem Zylinder: xLux section heißt die Sonderschau in Halle 3, wo opulente Wohnwelten von Modeunternehmen wie Fendi, Ungaro, Cavalli oder Automobilmarken wie Aston Martin und Lamborghini die Kundschaft aus dem Nahen bis Fernen Osten umgarnen sollen. Positiver Nebeneffekt: Die designaffinen Hallen bleiben davon verschont und können sich den weniger bestickten oder strassbesetzten Aspekten des Wohnens widmen.
Doppelter Neustart
Mit Spannung wird der erste Auftritt erwartet, den Cassina mit seiner neuen Artdirektorin Patricia Urquiola inszenieren wird. Wie sich bereits bei der Vorschau auf der Kölner Möbelmesse andeutete, sind neben neuen Farbwelten für die berühmten Klassiker auch kräftige, geometrische Muster geplant – was im Vorfeld des Salone schon für kontroverse Diskussionen gesorgt hat. Auf der Messe werden Neuheiten von Ron Gilad, Konstantin Grcic, Ora-ïto und Philippe Starck in einem Stand präsentiert, dessen Architektur an einen temporären Pavillon von Gerrit Rietveld aus dem Jahr 1955 angelehnt ist. Ebenso mit Spannung wird auf die erste Kollektion von De Padova geschaut, die nach der Übernahme durch Boffi unter der Regie von Piero Lissoni entstanden ist und dem traditionsreichen Unternehmen eine neue Richtung geben soll.
Räumliche Veränderungen
Für eine zusätzliche Verdichtung des Terminkalenders sorgt die parallel stattfindende XXI. Triennale, die fast den gesamten Palazzo dell’Arte im Parco Sempione sowie zahlreiche andere Salone-Spielstätten okkupiert – darunter die nun in BASE umgetaufte Veranstaltungshalle Ex Ansaldo in der Via Bergognone oder den Palazzo della Permanente in der Via Turati. Doch auch bei denjenigen Adressen, die sich als feste Anlaufpunkte der Möbelmesse etabliert haben, werden die Karten neu gemischt.
Die dänische Designschau Mindcraft, die von GamFratesi kuratiert und gestaltet wird, ist nun im Circolo Filologico in der Via Clerici zu finden – und präsentiert dort Arbeiten von Cecile Manz, Henrik Vibskov und Nicholas Nybro. Im Chiostro Minore di San Simpliciano, wo Mindcraft im letzten Jahr gastierte, ist nun die Ausstellung 50 Manga Chairs von Oki Sato alias Nendo zu sehen. Abermals folgt der japanische Gestalter seinem Hang zum Durchdeklinieren von Möbeltypologien und verfremdet puristische Metallstühle zu tanzenden Wirbeln oder lässt zuckende Blitze aus ihnen herauswachsen.
Wechselnde Auftritte
Einen neuen Standort hat ebenso der tschechische Glashersteller Lasvit gefunden, der nun im Palazzo Serbelloni am Corso Venezia Tischobjekte von den Campana-Brüdern, Kronleuchter von Moritz Waldemeyer und eine kinetische Skulptur von Petra Krausova und Libor Sostak präsentiert. Vor zwei Jahren hatte an dieser Stelle Hermès zur Vorstellung seiner neuen Wohnkollektion geladen. Das französische Luxus-Haus plant diesmal wieder eine große Inszenierung in Mailand und hat sich dafür das Teatro Vetra (ehemals Teatro Versace) an der Piazza Vetra gesichert. Louis Vuitton lässt es dafür etwas ruhiger angehen. Nach der opulenten Jungle-Show im Palazzo Bocconi letztes Jahr ist diesmal lediglich die Premiere einer Marcel-Wanders-Chaiselongue in der Boutique in der Via Montenapoleone geplant. Nahm das dänische Möbellabel Hay im vergangenen Jahr eine Salone-Auszeit, wird diesmal mit einer Inszenierung in der Halle La Pelota in der Via Palermo dick aufgetragen. Zu sehen gibt es unter anderem neue Arbeiten von Doshi Levien, Scholten & Baijings und Iskos-Berlin.
Neue Bühnen
Doch es sind auch neue Orte mit dabei. Parallel zum Auftritt auf dem Messegelände ist Vitra mit einer Inszenierung in der Stadt präsent. In der CasaVitra in der Via Maroncelli (passender Weise auch nur einen Steinwurf von der fast fertig gestellten Feltrinelli-Stiftung entfernt, die wie das Vitra-Haus in Weil am Rhein von Herzog & De Meuron geplant wurde) zeigt das deutsch-schweizerische Unternehmen die Installation Colour Machine von Hella Jongerius. Eine Premiere erlebt der Palazzo Francesco Turati in der Via Meravigli, der nach langjähriger Renovierung wieder seine Türen öffnet und nun erstmals als Salone-Spielstätte genutzt wird. Mit der Ausstellung Masterly wird das Haus in einen holländischen Pavillon verwandelt, wo Arbeiten von 120 niederländischen Gestaltern die Schnittstellen von Handwerk und Design ausloten.
Solo-Shows
Natürlich dürfen auch diesmal die großen Auftritte nicht fehlen. Moroso rollt im Showroom in der Via Pontaccio den roten Teppich für Ron Arad aus. Gleich einen zweiten Solo-Auftritt konnte sich Nendo beim Marmor-Hersteller Marsotto Edizioni sichern, der in der Via Bigli die Ausstellung Light & Shadow in Szene setzt. Auch Lee Broom wird wieder in Mailand sein. Nachdem er im vergangenen Jahr gleich ein ganzes Kaufhaus auf die Beine stellte, ist nun eine Präsentation in einem zum mondänen Salon umgebauten Lieferwagen geplant, der an mehreren Orten Station machen wird. Der passende Name: Salone del Automobile.
Jubiläen, Jubiläen
Anlass zum Feiern geben gleich mehrere Firmenjubiläen. B&B Italia lässt mit einer atmosphärische Inszenierung im Palazzo dell’Arte die vergangenen 50 Jahre Firmengeschichte Revue passieren. Gufram blickt ebenso auf ein halbes Jahrhundert zurück mit einer Sonderausstellung in der Galleria Carla Sozzani, für die der Modedesigner Paul Smith eine psychedelische Neuinterpretation der berühmten Cactus-Garderobe von Guido Drocco und Franco Mello aus dem Jahr 1972 entworfen hat.
Magis lässt am Dienstagabend zum 40. Geburtstag die Korken im Showroom am Corso Garibaldi knallen. Classicon würdigt die 25-jährige Zusammenarbeit mit Konstantin Grcic mit einer Ausstellung bei Spotti in der Viale Piave. In gänzlich anderen zeitlichen Dimensionen denkt die japanische Porzellanregion Arita, die gleich vier Jahrhunderte Firmentradition zu feiern hat. In der Via delle Erbe werden in einer großen Sonderausstellung 300 Objekte von 16 Designern vorgestellt, darunter von Stefan und Saskia Diez und Christian Haas. Handwerk hat die Hosen an, lautet hier die Botschaft.
Alte Bekannte, Neue Bekannte
Was verspricht also dieser Salone? Mit den Namen, die bislang durchgesickert sind, stehen die Zeichen ganz klar auf Kontinuität. Starck, Urquiola, Grcic, Lissoni, Morrison, Bouroullecs – sie alle werden uns auf Schritt und Tritt verfolgen. Doch wie jedes Jahr sind auf der Mailänder Möbelmesse auch Überraschungen zu erwarten. Welche das sind und welche Entwürfe Sie auf keinen Fall verpassen dürfen, erfahren Sie in den kommenden Tagen hier bei uns auf Designlines.
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