Sinnhaftigkeit durch Nachhaltigkeit
Steffen Kehrle über seine neue Kollektion für Brunner
Partner: Brunner
Der Münchner Designer Steffen Kehrle hat für den deutschen Objektmöbelhersteller Brunner die Möbelkollektion „nate“ entworfen. Ein Gespräch über Holz, Kunststoff und die Frage, warum die nachhaltige Transformation der Industrie der Arbeit von Gestalter*innen und Entwickler*innen neue Sinnhaftigkeit verleiht.
Herr Kehrle, Ihr neuer Stuhl nate für Brunner ist ein Holzstuhl mit einer Zarge aus Kunststoff. Was sind die Vorteile dieser eher ungewöhnlichen Lösung?
Ein klassischer Holzstuhl besteht aus mehreren Einzelteilen, die miteinander verleimt werden. Er wird als Ganzes verpackt und verschickt. Auch bei nate ist die Zarge das verbindende Element. Aber die einzelnen Teile, die Beine und die Sitzfläche, werden mit der Zarge verschraubt, nicht verleimt. Das ist ein wichtiges Attribut, das einen modernen Holzstuhl, der am Ende seines Lebenszyklus sortenrein trennbar und recycelbar ist, auszeichnet.
Welche Vorteile bringt die Konstruktion noch?
Dank der Kunststoffzarge kann der Stuhl in kurzer Zeit montiert und auch in Einzelteile zerlegt verschickt werden. Der entscheidende Anstoß für diese Innovation kam im Austausch mit dem Entwicklungsleiter von Brunner. Er rief mich an und fragte, warum wir die Zarge nicht anders denken. Von da an ging alles ganz schnell. Innerhalb von nur elf Monaten haben wir eine ganze Kollektion um den Stuhl herum entwickelt: Es gibt Tische in verschiedenen Größen und Höhen, es gibt Hocker und Barhocker sowie eine Bank. Es ging so zügig, weil wir für den Stuhl ja schon eine formale Logik gefunden hatten. Daraus konnten wir schnell die Details der anderen Stücke ableiten. Die kompetente Konstruktionsabteilung von Brunner trug auch einen wichtigen Teil dazu bei.
Können Sie beschreiben, wie die Zarge im Detail funktioniert?
Es gibt zwei verschiedene Zargen, eine für den Stuhl ohne Armlehne und eine für die Variante mit Armlehnen. Beide sind relativ komplex und werden in Spritzgusstechnik aus Recyclingkunststoff gefertigt. In die Zargen haben wir Schraublöcher integriert, um die Sitzfläche und die Beine zu befestigen. Was uns wichtig war: Die Zarge ist frei organisch geformt und führt so die Weichheit des Holzes weiter.
Und die Gestaltung der Holzteile, worauf kam es Ihnen da an?
Holz war für mich schon immer ein faszinierendes Material. Der Stuhl sollte eine an die Natur angelehnte Ästhetik bekommen, mit weichen Formen, nicht kantig und gerade abgeschnitten. Das Hinterbein beispielsweise ist in alle Richtungen frei gebogen und wird an einer Fünf-Achs-Fräsmaschine hergestellt. Da steckt viel Know-how drin. Das Teil kann man nicht mal eben nachbauen.
Für welche Nutzungen haben Sie nate konzipiert?
Mit der Kollektion kann man ganze Objekte ausstatten. Sie passt in Büros und öffentliche Räume, in Cafeterias oder Restaurants. Sie funktioniert auch im Gesundheits- und Pflegebereich.
Zusätzlich zur Produktserie nate haben Sie auch nate s entwickelt.
nate s basiert auf einer Stahlrohrkonstruktion, die ganz filigran und minimalistisch aussieht. Auch sie ist in der Fertigung recht komplex, denn das Stahlrohr ist frei gebogen, damit es zur Holzversion passt. Die Holzteile der Sitzfläche und Lehne sind selbstverständlich identisch zu nate.
Bei der kompletten Holzmöbel-Kollektion wird konsequent in ökologisch positiven Kreisläufen gedacht. Wie wichtig war Ihnen der Aspekt der Nachhaltigkeit in der Entwicklung?
Das ist schon immer ein Kernthema meiner Arbeit gewesen. Wie entwerfen wir eine bessere Welt? Deshalb kommt uns der Zeitgeist gerade entgegen. Für mich fängt Nachhaltigkeit aber schon damit an, dass ein Projekt sinnvoll sein muss. Ich mache kein Design als Selbstzweck, ich mache es für die Menschen, die es nutzen werden.
Haben Sie den Eindruck, dass sich das Bewusstsein in der Design- und Möbelbranche gerade wandelt und Nachhaltigkeit einen anderen Stellenwert bekommt?
Ich merke auf jeden Fall, wie ich wieder Lust bekomme, neue Projekte für die Möbelindustrie anzugehen. Die nachhaltige Transformation der Industrie, die jetzt stattfinden muss, hilft der Branche, Designer*innen, Materialforscher*innen, Entwickler*innen und Konstrukteur*innen, eine neue Sinnhaftigkeit in ihrem Beruf zu finden. Aber die Transformation ist auch ein Generationenproblem. Wir sind noch geprägt vom „Höher, Weiter, Schneller“ – vom „Immer Mehr“. Was wir alles haben und wo wir überall gewesen sein müssen! Da sind die nächsten Generationen schon weiter, das sehe ich an den jungen Mitarbeiter*innen in meinem Büro. Die leben ganz selbstverständlich viel reduzierter als meine Generation. Das ist mein Antrieb.
FOTOGRAFIE © Brunner
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Brunner
Brunner lebt für Möbel, die Neues möglich machen. Das im Jahr 1977 gegründete Familienunternehmen zählt zu den führenden Objektmöbelherstellern Europas. Hauptmotivation bei Brunner früher, heute und in Zukunft: Herausforderungen suchen und passende Lösungen finden, die perfekt sitzen. So entstehen Objektmöbel von hoher ästhetischer und funktionaler Qualität, produziert "Made in Germany".
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