Tower Power
Dorf oder Großstadt? Ein erstaunliches Haus von Andrew Maynard Architects.

Eins plus sechs gleich eins. Im australischen Alphington steht ein Einfamilienhaus, das aussieht wie ein Dorf. Das Architekturbüro Andrew Maynard Architects hat einen Bestandsbau um sechs Gebäude ergänzt, die im Inneren miteinander verbunden sind. Gruppiert um einen lauschigen Garten, bilden sie ein luftiges Ensemble mitten in der Stadt.
Alphington liegt am Stadtrand von Melbourne. Die Nähe zu Downtown und die historische Bausubstanz – zahlreiche flache Schindel- und Backsteingebäude säumen die Straßen – haben die Gentrifizierung in den letzten Jahren vorangetrieben, so dass die Grundstücks- und Immobilienpreise stark gestiegen sind. Das Projekt Tower House liegt auf einem 500 Quadratmeter großen Grundstück in einem Wohngebiet, umgeben von zwei Straßen.
Dörflich
Die Bauherren – ein Paar mit Zwillingen – wollten mehr als eine schlichte Erweiterung des Bestandsbaus. Ihr Wunsch: ein Haus, das Gemeinschaft ermöglichen und dabei Kunst und Natur zusammenbringen sollte. Aus zahlreichen Ideen, Diskussionen und Entwürfen – sogar die Zeichnungen der Kinder wurden in den Entscheidungsprozess einbezogen – entstand die Idee eines Dorfes. Der Bestandsbau ist mit anthrazitfarbigen Holzlatten verkleidet und verfügt über einen Eingangsbereich aus roten Backsteinen mit abgerundeten Ecken. Er wurde um sechs unterschiedlich große Giebelhäuschen ergänzt, die sich um den Garten herum gruppieren und von denen eines turmähnlich herausragt. Im Inneren sind die zueinander verdrehten Gebäude miteinander verbunden sind.
Spielerisch
Die Fassaden sind mit braunen Schindeln und weiß gestrichenen Holzlatten verkleidet, doch Holz bestimmt nicht nur das Äußere. Auch im Inneren findet sich das warm wirkende Material wieder: an Wänden, an Stühlen, Tischen, Sesseln und Sofas im Fifties Look, an Einbaumöbeln. Die Küchenmöbel beispielsweise sind komplett aus Holz maßgefertigt. Während ein Küchenblock den Raum in Arbeitsbereich und Esszimmer unterteilt, birgt ein nahezu raumhohes Element Stauraum, Elektrogeräte sowie eine Arbeitsplatte mit eingelassenem Spülbecken. Eine schöne Idee sind die Aussparungen an den Seitenwangen, an denen sich die Kinder entlang hangeln können. Denn Spielen wird groß geschrieben in diesem Haus, was sich auch im Schreibzimmer der Zwillingsjungen zeigt, das im Turm untergebracht ist. Extrem hoch, ist im oberen Teil des Raums ein Netz gespannt, das über eine Treppe erschlossen wird. Einem Baumhaus ähnelnd, kann hier oben gespielt, geschlafen und gelesen werden. Oder runter geschaut werden auf die zwei Schreibtische, wo die Rechenaufgaben für den nächsten (Schul-)Tag warten.
Puristisch
Während Wohnzimmer, Küche, Schlaf- und Kinderzimmer dank dem großzügig verwendeten Holz und architektonischen Elementen wie Dachschrägen sehr wohnlich wirken, sind die Badezimmer extrem unterkühlt gestaltet. Einem White Cube ähnlich, sind sie ganz in Weiß gehalten: Weiße quadratische Fliesen bedecken den Fußboden und die Wände, während die Badobjekte ebenfalls komplett weiß sind, genau wie die kubischen Einbauten. Viel Tageslicht strömt durch Glastüren und -fenster, die teils als Ecklösung ausgebildet sind.
Ländlich
Andrew Maynard Architects haben für die vierköpfige Familie ein Refugium geschaffen. Unweit von Downtown Melbourne fühlt man sich auf einem relativ kleinen Grundstück wie auf dem Dorf. Auch, weil die Bauherren eigenes Obst und Gemüse anbauen – wobei die Nachbarn eingeladen sind, beim Beackern der Flächen mitzuhelfen. Auch die verwendeten Materialien tragen zur heimeligen Atmosphäre bei. Das Projekt Tower House passt sich mit seinen additiven, kleinen Strukturen wunderbar an seine Umgebung an. Es schafft das beinahe Unmögliche: Sich wie in einem Dorf zu fühlen und doch mitten in der Stadt zu sein.
FOTOGRAFIE Peter Bennetts & Tess Kelly
Peter Bennetts & Tess Kelly
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