Tiroler Putz in Madrid
Atelier- und Wohnhaus Blasón von Burr Studio
 
											
											
					Urbane Metamorphose: In Madrid hat das Architekturbüro Burr einen Industriebau zum Atelier- und Wohnhaus des Schriftstellers Juan Ramón Silva Ferrada umgebaut. Neue und alte Gebäudesubstanz werden durch dick aufgetragenen Mörtel vereint.
Industriebauten sind zu einer bedrohten Spezies geworden – zumindest im Zentrum von Madrid. Fast das gesamte verarbeitende Gewerbe ist in den vergangenen drei Dekaden verdrängt worden. Viele dafür genutzte Räume liegen traditionell in den Erdgeschossen von Wohngebäuden. Typischerweise ragen sie über die Rückseite der Gebäude hinaus bis tief in die Innenhöfe hinein. Diese Flächen in dringend benötigten Wohnraum zu verwandeln, liegt auf der Hand. Die Sache hat nur einen Haken: Statt die Wohnsituation zu entspannen, bewirken die geltenden Bauvorschriften genau das Gegenteil.
Rasanter Preisanstieg
Der Grund: Räume, die über die Gebäudetiefe hinaus in die Höfe ragen, dürfen nicht als Wohnungen genutzt werden. Das führt dazu, dass die früheren Lager abgerissen werden, was nicht nur eine deutliche Reduktion der Fläche zur Folge hat. Die Umwandlung in eine reine Wohnnutzung wird zum Anlass für eine Neubewertung der Grundstückspreise genommen. Nicht selten multiplizieren sich diese plötzlich um den Faktor drei bis vier, woraus steigende Mieten und soziale Verdrängung resultieren. Um dem entgegenzuwirken, hat das in Madrid ansässige Architekturbüro Burr das Programm „Elements for industrial recovery“ initiiert. Durch den Erhalt der Hofbauten sollen die Spuren der industriellen Vergangenheit im Stadtgefüge sichtbar bleiben. Gleichzeitig soll eine weitere Überhitzung des Immobilienmarktes unterbunden werden.
         
											
											
					
Schichten an Geschichte
„Unsere Vorschläge zielen darauf ab, ein strategisches Instrumentarium für den Schutz des industriellen Erbes der Stadt zu schaffen, und zwar durch Nutzungs- und Besetzungsalternativen, die es ermöglichen, das Leben dieser Typologie zu verlängern und ihren Abriss zu vermeiden“, sagt Elena Fuertes, die Burr Studio zusammen mit Ramón Martínez, Álvaro Molins und Jorge Sobejano leitet. Teil des Programms ist das Atelier- und Wohnhaus des Schriftstellers Juan Ramón Silva Ferrada. Es trägt den Namen Casa Blasón und ist ebenfalls von Burr Studio transformiert worden. Die Architekt*innen haben Schichten an Geschichte übereinandergelegt, Neues mit Altem verbunden und doch kein wildes Potpourri, sondern ein stimmiges Ganzes geschaffen.
Smarte Lüftung
Zunächst ist die Kubatur des Gebäudes in ihren Originalzustand zurückversetzt worden. Zwei nachträglich eingefügte Dächer wurden entfernt, sodass die Flächen wieder als Innenhöfe fungieren – der eine groß, der andere deutlich kleiner. Wo früher Waren und Material gelagert wurden, kann nun Privatsphäre im Freien genossen werden. Bodentiefe Fenster und Glastüren verbinden die Höfe mit den Innenräumen. Auch die Giebelflächen sind verglast, sodass sich die Grenze zwischen innen und außen auflöst. Die Erschließung der Außenbereiche erfüllt noch eine weitere Aufgabe: So kann in den heißen Sommermonaten ganz ohne Klimaanlage durch Querlüftung gekühlt werden.
         
											
											
					
Architektonische Maske
Durch das Entfernen der Dächer entsteht ein Inside-Out-Effekt: Ein Teil der zuvor innen liegenden Gebäudestruktur definiert nun die Außenwand. „Die Hoffassade greift den Rhythmus der ursprünglichen Pfeiler der Begrenzungsmauern auf. Alle Außenwände sind durch die Materialität von grobem Mörtel verbunden, sogenanntem Tiroler Putz“, erklärt Ramón Martínez. Das Material wirkt – ungewöhnlich dick aufgetragen mit einer markanten, plastischen Struktur – wie eine Gesichtsmaske im Maßstab der Architektur. Auch die Wände der Innenhöfe sind mit Tiroler Putz behandelt, der eine beigefarbene Tonalität besitzt. Das Raue und Industrielle der Gebäudestruktur wird mit Sinnlichkeit und Wärme kontrastiert.
Mauer aus Beton
Das Innere der Casa Blasón präsentiert sich als großzügiger Open Space. Die Blicke reichen vom Boden bis zum Dach hinauf. Die Architekt*innen haben den aus Metall konstruierten Dachstuhl um zusätzliche Streben ergänzt. Sie erhöhen die Stabilität, ohne die Durchmesser der bestehenden Elemente zu verstärken und somit ungelenk wirken zu lassen. Das Raumprogramm entfaltet sich entlang einer neu hinzugefügten Mauer aus Betonbausteinen, die den gesamten Innenraum durchschneidet. Auf der einen Seite sind das Wohnzimmer mit offener Küche und Essbereich sowie die Garage und ein Fitnessraum untergebracht. Zum Arbeitszimmer gelangt man über eine Treppe. Auf der anderen Seite der Mauer sind die Schlaf- und Badezimmer platziert.
         
											
											
					
Rhythmische Reihung
„Ein Rückgrat, das die eher öffentlichen von den eher privaten Nutzungen trennt. Es ist auch ein großes Aufbewahrungselement, das die zum Leben notwendigen Funktionen unterstützt“, umschreibt Álvaro Molins die Rolle der Mauer. Sie schafft Vor- und Rücksprünge, dient als Stütze für die kleine Treppe, die zum Arbeitszimmer hinaufführt und dabei einen 90-Grad-Knick vollzieht. Sie definiert Rückwand und Seitenbegrenzung für die offene Küche. Großformatige Holzschubladen können an filigranen, gelben Metallgriffen aus der Mauer gezogen werden.
Blaues Doppel
Einen spannenden Kontrast zur Materialität der Mauer bilden tiefblaue Mosaiksteine, die für die Böden im Badezimmer ebenso zum Einsatz kommen wie in den Korridoren sowie auf den Treppenstufen, die vom Wohnzimmer hinauf zum Gästeschlafzimmer führen. Auch eine Ecke des großen Innenhofes ist mit Mosaiksteinen verkleidet. Deren Farbigkeit – wenngleich in einer helleren und etwas technisch-distanzierten Tonalität – wird durch einen Metallbalkon aufgegriffen, der direkt an das Arbeitszimmer anschließt. Wenn die Sonnenstrahlen durch den Gitterboden fallen, werfen sie ein feines Schattenraster auf den Mosaikboden und die Wände aus Tiroler Putz. Das industrielle Erbe wirkt alles andere als verstaubt. Burr Studio hat es mit neuem Leben gefüllt.
			FOTOGRAFIE Maru Serrano
			Maru Serrano
	
| Ort | Madrid, Spanien | 
| Typologie | Wohnhaus, Atelier | 
| Architektur | Burr Studio | 
| Entwurf | Matías Rico, Amanda Bouzada, Jesús Meseguer, Pablo Navas | 
| Statik | TQE Ingenieros | 
| Metallarbeiten | Viuda de Ramírez | 
| Fertigstellung | 2022 | 
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