Büro mit Herz
Studio Theobald baut eine Gewerbeetage für Komplizen Film in Berlin um

Bloß nicht zu „corporate“! Lisa Theobald hat eine Kreuzberger Gewerbeetage für die Produktionsfirma Komplizen Film zur Bürolandschaft umgebaut und neu eingerichtet. Im Mittelpunkt: eine Küche in leuchtenden Farben als Team-Treffpunkt.
Dieses Büro hat eindeutig ein Herz. Leuchtend rot schlägt es mitten im Geschehen und zieht Mitarbeiter*innen wie Besucher*innen gleichermaßen an. „Es war von Anfang an klar, dass es dieses Zentrum geben muss, wo alle zusammenkommen“, sagt Lisa Theobald von Studio Theobald. Die Interiordesignerin hat die Gewerbeetage für die Filmproduktion Komplizen Film neu geplant und eingerichtet. Dass dieses Zentrum die Küche sein würde, daran gab es auch keinen Zweifel, denn das Team von Komplizen pflegt mit Hingabe Kaffeekultur und Gastfreundschaft, wie Theobald erzählt. Doch wo genau die Küche auf der rund 230 Quadratmeter großen, offenen Fläche positioniert werden sollte, das war nicht ganz so einfach zu beantworten.
Der Grundriss des klassischen Kreuzberger Gewerbealtbaus ließ nicht viel Spielraum: Die Flächen an den Fenstern waren wegen des Tageslichts gesetzt für Büroarbeitsplätze und den Meetingraum. Zugleich sorgten sich die Auftraggeber*innen, dass eine offene Küche zu viel Unruhe bringen würde. Lisa Theobald schob die Küche deshalb an die fensterlose Eingangswand der Etage und schirmte sie mit verglasten Trennwänden ab, fast wie ein kleines Gewächshaus. Bei den Farben durfte es aber laut werden: Die rote Hülle kontrastiert fröhlich mit den Küchenmöbeln in Lachsrosa und einem hellen Blau-Violett. Dank des kleinen Tresens in der Wand Richtung Eingangstür definiert die Küche auch eine Empfangs- und Wartezone. Die Inspiration dahinter: Coffeeshops in Südostasien, die ihren Gästen die Bestellung durch ein Fenster nach draußen reichen. „Das Café ist eigentlich auf der Straße, drinnen wäre gar kein Platz“, sagt Theobald.
Flächenbündige Tiefe
Eines war den Auftraggeber*innen von Komplizen Film besonders wichtig: Der neue Firmensitz sollte „bloß nicht zu corporate“ werden, wie Lisa Theobald erzählt. Statt schick und teuer lieber locker, ein wenig improvisiert und low-fi – wie in der Berliner Altbauwohnung, die Komplizen Film zuvor viele Jahre genutzt hatte. Die Produktionsfirma ist international bekannt für ihre künstlerisch anspruchsvollen Filmprojekte wie Toni Erdmann, Alle Anderen, Schlafkrankheit oder Synonymes. Für die insgesamt 18 Mitarbeitenden plante Lisa Theobald sechs abgeschlossene Büros, einen Besprechungsraum, eine Telefonkabine und einen offenen Arbeitsbereich.
Die markante Decke des Altbaus mit den Unterzügen ließ die Interiordesignerin offen, als einziges raumprägendes Element historischen Ursprungs. Die Wände und der Fußboden aus Fischgrätparkett kamen beim Umbau neu dazu, ebenso die Sanitärräume. Viel Aufmerksamkeit widmete Theobald den Türen und den Glastrennwänden von Küche und Besprechungsraum. Sie sind alle vom Tischler auf Maß gefertigt. Dabei sitzen die Rahmen nicht nur bündig in der Wandfläche – dank besonders breiter Profile schaffen sie auch Tiefe in den ansonsten glatten, schmucklosen Wänden. Zudem versorgen die Oberlichter über den Türen die innenliegenden Flächen mit Tageslicht.
Gestalten mit dem, was schon da ist
Während Lisa Theobald bei der Küche farblich Vollgas gab, nahm sie die Intensität ansonsten zurück. Die Wände sind mit dem gebrochenen Weißton Skimming Stone gestrichen, die Türen und Profile mit dem etwas dunkleren Elephant’s Breath, beide aus der Palette von Farrow & Ball. „Es ging darum, einen harmonischen Hintergrund zu schaffen und Farbe als Akzente einzubringen. Aber nicht darum, alles in Farbe zu tauchen.“
Die Wandfarben in den Büros, eine Reihe von sanften Pastelltönen, wählte Theobald gemeinsam mit den Mitarbeiter*innen aus. In den Sanitärräumen wiederum treffen olivgrüne Steinzeugfliesen von Winckelmans und lachsrosa Wände auf einen Boden aus bunt gesprenkelten Terrazzofliesen von Karo. Bei der Möblierung arbeitete Theobald vor allem mit den Stücken, die Komplizen Film aus dem alten Büro mitbrachte. Dazu zählten Regale von Horzon Möbel. Die Module des Berliner Designunternehmens stellte Theobald neu zu Sideboards und Wandregalen zusammen. Das Vorhandene ergänzte die Gestalterin mit neuen Leuchten und einigen weiteren Stühlen zu einem charmanten Gesamtbild, das tatsächlich alles andere als „corporate“ wirkt.
FOTOGRAFIE Anne Deppe Anne Deppe
Schalter | LS 990 in alpinweiß von JUNG |
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