Projekte

Zirkuläre Metamorphose

Lucas Muñoz Muñoz modernisiert eine Büroetage in Madrid für Sancal

Bei der Modernisierung einer Madrider Architekturikone hatte Lucas Muñoz Muñoz eine konsequente Mission: Alles musste erst raus, um anschließend wieder reinzukommen. Alte Bodenplatten wurden zu Lichtreflektoren, Bodenstützen zu Garderoben und Neonröhren zu einer gigantischen Skulptur.

von Tanja Pabelick, 03.03.2025

Der kollaborative Showroom, den Lucas Muñoz Muñoz im Osten Madrids an der Grenze zwischen den Stadtteilen Goya und Ibiza entworfen hat, ist in mehrfacher Hinsicht ein nachhaltiger Transfer. Denn der Designer hat in seiner Heimatstadt mit einer Kreislaufstrategie nachhaltig geplant, Grundriss und Interieur auf kommunikative Zusammenarbeit zugeschnitten – und ein historisches Architekturjuwel respektvoll modernisiert. Das achtstöckige Eckgebäude stammt aus der Feder von Antonio Lamela, einem der bedeutendsten Architekten Spaniens. 1966 entwarf er an der Adresse O'Donnell 34 eines der ersten Bürogebäude des Landes. Der offene Grundriss verbindet Brutalismus mit Mid-Century-Charme und die markante, gezackte Fassade macht das Bauwerk zu einer urbanen Landmarke.

Wahrzeichen der Avantgarde
Die Modernisierung einer architektonischen Ikone ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. Der neue Nutzer der vierten Etage, der spanische Büromöbelhersteller Sancal, beauftragte mit Muñoz Muñoz einen mutigen, avantgardistischen und experimentellen Gestalter, der sich den reinen Trendwelten entschieden verweigert. Gemeinsam mit Sancal entschied er sich für eine nachhaltige und zirkuläre Strategie. Das Ziel war, „aus dem Bestehenden zu schaffen und alles, was nicht genutzt werden konnte – also theoretisch überflüssig war – in etwas Nützliches und Schönes zu verwandeln“, wie die Geschäftsführerin Esther Castaño-López erläutert. Muñoz Muñoz wollte bei der Renovierung so viel wie möglich erhalten und alle entnommenen Ressourcen nicht entsorgen, sondern innerhalb des Projekts wiederverwerten.

Gruß aus der Geschichte
Um das Erbe Lamelas so respektvoll wie möglich zu behandeln, begann Muñoz Muñoz mit der Archivarbeit. Er kontaktierte Estudio Lamela und bat um Einsicht in die Originalzeichnungen. Die Geschichte des Gebäudes inspirierte ihn zu seinem Entwurf. Im zweiten Schritt stellte sich der Designer ein Team aus Gestalter*innen und Handwerker*innen zusammen, die für ihn eine wichtige kreative und kooperative Instanz bei der Neukomposition der Ressourcen innerhalb des Gebäudes darstellten. Eine Herausforderung war dabei die Qualität der Materialien, die kaum hochwertig und selten sortenrein waren. Bei der Entkernung des Gebäudes wurden die von vorherigen Nutzer*innen eingezogenen Deckenverkleidungen und später verlegte Bodenplatten entfernt – teilweise mit positiven Überraschungen. Unter den Kunststoff-Holzfurnierplatten kam ein Terrazzoboden zum Vorschein, der aus einem Quadratmeter großen Fliesen mit Messingfugen bestand. Es handelt sich um den Originalboden, der in keinem anderen Stockwerk des Gebäudes erhalten war.

Experimentelle Transformationen
Mit Hunderten von ausgebauten Decken- und Bodenplatten konfrontiert, suchte das Team nach neuen Verwendungsmöglichkeiten. Auf der Unterseite der Pressspanbodenplatten fand sich eine isolierende Aluminiumschicht, deren funktionale Aufgabe neu überdacht wurde. Poliert und entlang der Fenster an der Decke montiert, werden die Quadrate zu futuristisch anmutenden Lichtreflektoren. Auch für die Deckenplatten fand sich ein neues Einsatzgebiet. Versehen mit einer stark strukturierten Gipsschicht, die an die Risskanten von Steinbrüchen erinnert, verkleiden sie jetzt als monumentale Installation einige Wände. „Durch das Entfernen der Schichten von den ursprünglichen Flächen konnte das Werk von Antonio Lamela freigelegt werden und der Raum gewann an Höhe“, erzählt Muñoz Muñoz.

Funktionale Zweckentfremdung
Im nächsten Schritt folgten die Installationen und Einbauten. Die alten Einbauleuchten wurden frei hängend unter der Decke montiert. Mit einem Sperrholzkorpus verkleidet, wurden sie von den schwer zu recycelnden Leuchtstoffröhren befreit und mit LEDs bestückt. Die rund hundert noch funktionstüchtigen Röhren hingegen wurden im Besprechungsraum zu einer großen, horizontal ausgerichteten Lichtinstallation über dem Tisch umfunktioniert. Und auch für die kleinen Dinge fanden die Gestalter*innen neue Einsatzgebiete. Die verzinkten Stützen, die einst für einen Luftraum zwischen Bestands- und Einbauboden sorgten, finden sich als kleine Helfer an verschiedenen Stellen wieder. An den Betonsäulen werden die sonnenförmigen Stützenfüße in Augenhöhe zu Garderobenhaken, an Möbelschubladen zu dekorativen Griffen.

Brutalistische Schale, organischer Kern
Die Möbel und Raumfunktionen, die nach den zirkulären Interventionen noch nicht ausformuliert waren, wurden von Muñoz Muñoz mit Pappelsperrholz aus nachhaltig bewirtschafteten und zertifizierten Plantagen gebaut. Mehrere größere Strukturen wurden demontierbar in den Raum eingefügt, wie der zentrale Besprechungsraum, ein Küchenkiosk oder die großformatigen, textilbespannten Holzrahmen an den Fenstern. Sie lassen sich wahlweise vor die Scheiben klappen oder in den Raum falten, wo sie flexibel kleine private Nischen entstehen lassen. In dieses Ambiente aus brutalistischem Erbe und zeitgenössischen Interventionen ließ Sancal seine Möbel einziehen. Mit ihren organischen Formen und textilen Oberflächen, ihren kräftigen Farben und ihrem warmen Charakter stehen sie im Kontrast zu Betoncharme und Industrieästhetik. „Es ist ein Raum, der die Fantasie anregt“,  erklärt das Unternehmen. „Die Kombination aus dem Gebäude, den Neuinterpretationen von Lucas und den Möbeln von Sancal schafft ein wunderbar faszinierendes Dreieck, in dem die Gegensätze in einzigartiger Harmonie koexistieren.“

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Entwurf

Lucas Muñoz Muñoz

lucasmunoz.com

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