Projekte

Beam me up, Rem!

von Tim Berge, 04.07.2011


Die Unternehmensberatung McKinsey & Company beauftragte das Architekturbüro OMA, die Büroräume in ihrer Hong-Kong-Niederlassung zu analysieren und neu entstandenen Bedürfnissen anzupassen. Im Planungsprozess fielen Begriffe wie „Kollaboration“ und „Gemeinschaft“, aber auch „Intimität“ und „Ruhe“. Es geht also eigentlich um die Zusammenführung der Qualitäten eines Großraumbüros mit denen einer Büro-Einzelzelle. Damit lagen die Anforderungen des Bauherren genau im Trend der Zeit: Sichtbare hierarchische Grenzen sollen abgeschafft sowie Arbeits- und Kommunikationswege verkürzt werden und trotzdem erhält jeder Mitarbeiter genügend Platz zur persönlichen Entfaltung. Eine Art Demokratie am Arbeitsplatz – auch wenn es in Wahrheit natürlich um eine Optimierung der Arbeitsleistung geht.
 
 
Die Architekten unterteilten den Bürogrundriss in horizontale Bänder, die aber nicht nur einer speziellen Arbeitsgruppe zugeordnet sind, sondern in verschiedenen Konstellationen funktionieren. Die unterschiedlichen Abteilungen sollen buchstäblich zusammenrücken. Trotzdem gibt es einen übergeordneten Verlauf von eher geschlossenen zu offenen und von klar zugeordneten zu gemeinschaftlich genutzten Räumen. Doch die klassische Büroraum-Hierarchie war gestern. Um die Abschnitte akustisch, aber nicht visuell voneinander zu trennen, wurden Glaswände als Raumtrenner eingesetzt: Offenheit als oberstes Gebot. Auch die verschiedenen Panoramen des Büros wurden in die Planung einbezogen: So bietet der Kundenbesprechungsraum einen freien Blick auf den Hafen und die Innenstadt von Hong Kong mit dem direkt gegenüber liegenden Architektur-Klassiker Bank of China Tower von Ieoh Ming Pei. Die kleineren Büroeinheiten dagegen wenden sich dem ruhigeren Teil der Stadt zu und von der sogenannten „Quiet Area“ hat man freie Sicht auf die Hügel des Hong Konger Stadtparks.
 
Zum Plaudern in die Telefonzelle
 
Die Personalstruktur McKinseys lässt sich in zwei Hauptgruppen unterteilen: feste Angestellte und freie Berater, die stetig wechseln. Auf dieser Grundlage wurden die Räume organisiert – für die temporären Mitarbeiter gibt es spezielle Zonen, in denen es freie Platzwahl gibt. Diese Bereiche sind durchmischt mit fest zugewiesenen Arbeitsplätzen, so dass ein steter Austausch zwischen den unterschiedlichen Personalgruppen stattfinden kann. Zudem wurden die Tische wie Inseln in Gruppen zusammengestellt – man sitzt also nicht hintereinander, sondern sich gegenüber und arbeitet dadurch als Gemeinschaft. Will man sich doch einmal zurückziehen oder ungestört ein Telefonat oder vertrauliches Gespräch führen, kann man sich in eine von fünf „Phone Rooms“ zurückziehen, die sich auf der gesamten Etage verteilt finden. Diese Telefon- oder Duschzellen ähnelnden Räume sind komplett schalldicht und sehen aus wie die Beamstation von Raumschiff Enterprise. Ist eine Zelle besetzt, leuchtet sie rot auf – ist sie frei, wechselt das Licht auf Orange. Eine exponierte Lösung für einen Ort der Zurückgezogenheit.
 
Material total
 
Als Baumaterial kam neben Glas zum größten Teil Holz in den unterschiedlichsten Formen zur Anwendung. Im Eingangsbereich wurde ein baumartiges Ornament in die helle Holzverkleidung der Wände eingefräst, das sich über die ansonsten kühlen, aber spiegelnden Oberflächen im Raum verteilt. Die Architekten wünschten sich dadurch einen stärkeren Naturbezug im Arbeitsalltag und setzten die Holzvertäfelung auch in anderen Teilen der Büroräume fort. Leider bleibt es bei dem frommen Wunsch – zu grafisch ist das gewählte Muster und die Großstadt-Kulisse Hong Kongs lässt sich einfach nicht ausblenden.
 
Die geschlossenen Büroräume sind mit dunkel furniertem Holz verkleidet und wirken wie in die Etage eingeschobene Kisten – ein Rem-Koolhaas-Klassiker! Die Decke in den Gemeinschaftsbereichen ist unverkleidet und roh belassen, die Technik liegt offen und wurde mit Ausnahme der Sprenkleranlage geweißt. Im großen Besprechungsraum und der Kantine kommt ein weiteres bekanntes Motiv zum Einsatz: farbige Strukturoberflächen. Sie sorgen aber nicht nur für die typische Materialvielfalt eines echten Rem Koolhaas’, sondern verbessern auch die Akustik in den Räumen, die aufgrund ihrer Nutzung einen hohen Geräuschpegel haben.
 
Leise bitte!
 
Als Lücke im System soll die „Quiet Area“ dienen: ein Raum, der sich vom Rest des Büros komplett abschottet – in diesem Fall auch visuell. Hier können sich die Mitarbeiter zurückziehen, besinnen und einen Blick hinaus auf den grünen Teil der Stadt werfen. Komplett mit weichem Teppichboden und einem übergroßen Sofa ausgestattet ist dies ein fast Waldorf’scher Moment, wenn da nicht die Standard-Bürodecke mit eingelassenen Lichtbändern und Klimaanlage wäre. Eine wirklich entspannende Stimmung will da nicht aufkommen und die Angestellten werden am Ende froh sein, an ihrem angestammten Arbeitsplatz sitzen bleiben zu dürfen. Zu viel Freiheit tut auch nicht gut.
Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

Projektarchitekten

OMA

www.oma.nl

Mehr Projekte

Berlin macht Blau

Das neue Relaxound-Office von Ester Bruzkus Architekten

Das neue Relaxound-Office von Ester Bruzkus Architekten

Vergangenheit neu belebt

Umbau eines historischen Verlagshauses in Sydney von Hülle & Fülle

Umbau eines historischen Verlagshauses in Sydney von Hülle & Fülle

Unter dem Mond Spaniens

Die surreal-industrielle Welt des Reisinger-Studios

Die surreal-industrielle Welt des Reisinger-Studios

Kreativ in Kortrijk

Minimalistischer Office Space von Markland Architecten und Stay Studio

Minimalistischer Office Space von Markland Architecten und Stay Studio

Japanische Offenheit

Neugestaltung des Firmensitzes von L’Oréal Japan in Tokio von The Design Studio

Neugestaltung des Firmensitzes von L’Oréal Japan in Tokio von The Design Studio

Lernen in der Alten Post

Campus der BSBI in Berlin setzt auf flexibles Interior

Campus der BSBI in Berlin setzt auf flexibles Interior

Effizienter Holzbaukasten

Büroneubau in Oslo mit durchdachter Lichtplanung

Büroneubau in Oslo mit durchdachter Lichtplanung

Akustische Glanzleistung

Sanierung der Bestuhlung im Neumarkter Reitstadel von Girsberger

Sanierung der Bestuhlung im Neumarkter Reitstadel von Girsberger

Zweite Auflage für eine Druckerei

Büro mit Tatami-Raum von INpuls in München

Büro mit Tatami-Raum von INpuls in München

Lebendige Präsentation

Neu gestalteter Showroom von Goldbach Kirchner

Neu gestalteter Showroom von Goldbach Kirchner

Infrastruktur fürs Glück

Bibliothek in Kirkkonummi von JKMM

Bibliothek in Kirkkonummi von JKMM

Möbel nach Maß

Nachhaltig transformiertes Cartier-Headquarter von Atelier Nova

Nachhaltig transformiertes Cartier-Headquarter von Atelier Nova

Das Regenbogen-Büro

Innovationsraum Space in Hamburg von Studio Besau-Marguerre

Innovationsraum Space in Hamburg von Studio Besau-Marguerre

Haus im Haus

Studio Alexander Fehres „Herzzone” für ein Büro von Roche

Studio Alexander Fehres „Herzzone” für ein Büro von Roche

Eine Ausstellung, die Stellung bezieht

Fotografiska Berlin im einstigen Tacheles von Studio Aisslinger

Fotografiska Berlin im einstigen Tacheles von Studio Aisslinger

Vom Sehen und Gesehenwerden

Eine Naturheilpraxis auf den Azoren von Box Arquitectos

Eine Naturheilpraxis auf den Azoren von Box Arquitectos

Besondere Böden

Fünf Projekte mit ungewöhnlicher Bodengestaltung

Fünf Projekte mit ungewöhnlicher Bodengestaltung

In eigener Sache

Ein Büro-Makeover vom Office-Spezialisten CSMM in Düsseldorf

Ein Büro-Makeover vom Office-Spezialisten CSMM in Düsseldorf

Ein sportliches Haus

Das neue Headquarter von Spillmann Echsle für On Running

Das neue Headquarter von Spillmann Echsle für On Running

Geflieste Exzentrik

Das neue Büro des kanadischen Fashion-Studios M.A.D.

Das neue Büro des kanadischen Fashion-Studios M.A.D.

Arbeiten unter Palmen

Amsterdamer Büro mit begehbaren Möbeln von Studioninedots

Amsterdamer Büro mit begehbaren Möbeln von Studioninedots

Grüne Arbeitsstruktur

Co-Working-Space in Barcelona von Daniel Mòdol

Co-Working-Space in Barcelona von Daniel Mòdol

Moderner Triumphbogen

Gebäudekomplex von Nikken Sekkei in Dubai

Gebäudekomplex von Nikken Sekkei in Dubai

In altem Glanz

Restaurierung einer historischen Villa in der italienischen Provinz Modena

Restaurierung einer historischen Villa in der italienischen Provinz Modena

Inspirationen statt Emissionen

Nachhaltiger Büroneubau von Studio Daytrip in London

Nachhaltiger Büroneubau von Studio Daytrip in London

Außen Altbau, innen New Work

Berliner Juris-Dependance am Ku’damm von de Winder Architekten

Berliner Juris-Dependance am Ku’damm von de Winder Architekten

Viel Platz für Veränderung

Atelier Gardens in Berlin-Tempelhof von MVRDV

Atelier Gardens in Berlin-Tempelhof von MVRDV

Dialog mit der Stadt

Das Verwaltungszentrum Brucity in Brüssel

Das Verwaltungszentrum Brucity in Brüssel

Bunter Community-Space

kupa Kitchen & Working Lounge von Stephanie Thatenhorst in München

kupa Kitchen & Working Lounge von Stephanie Thatenhorst in München

Facettenreiche Bürolandschaft

Vielschichtiger Workspace von SCOPE Architekten in Dresden

Vielschichtiger Workspace von SCOPE Architekten in Dresden