Beam me up, Rem!
Die Unternehmensberatung McKinsey & Company beauftragte das Architekturbüro OMA, die Büroräume in ihrer Hong-Kong-Niederlassung zu analysieren und neu entstandenen Bedürfnissen anzupassen. Im Planungsprozess fielen Begriffe wie „Kollaboration“ und „Gemeinschaft“, aber auch „Intimität“ und „Ruhe“. Es geht also eigentlich um die Zusammenführung der Qualitäten eines Großraumbüros mit denen einer Büro-Einzelzelle. Damit lagen die Anforderungen des Bauherren genau im Trend der Zeit: Sichtbare hierarchische Grenzen sollen abgeschafft sowie Arbeits- und Kommunikationswege verkürzt werden und trotzdem erhält jeder Mitarbeiter genügend Platz zur persönlichen Entfaltung. Eine Art Demokratie am Arbeitsplatz – auch wenn es in Wahrheit natürlich um eine Optimierung der Arbeitsleistung geht.
Die Architekten unterteilten den Bürogrundriss in horizontale Bänder, die aber nicht nur einer speziellen Arbeitsgruppe zugeordnet sind, sondern in verschiedenen Konstellationen funktionieren. Die unterschiedlichen Abteilungen sollen buchstäblich zusammenrücken. Trotzdem gibt es einen übergeordneten Verlauf von eher geschlossenen zu offenen und von klar zugeordneten zu gemeinschaftlich genutzten Räumen. Doch die klassische Büroraum-Hierarchie war gestern. Um die Abschnitte akustisch, aber nicht visuell voneinander zu trennen, wurden Glaswände als Raumtrenner eingesetzt: Offenheit als oberstes Gebot. Auch die verschiedenen Panoramen des Büros wurden in die Planung einbezogen: So bietet der Kundenbesprechungsraum einen freien Blick auf den Hafen und die Innenstadt von Hong Kong mit dem direkt gegenüber liegenden Architektur-Klassiker Bank of China Tower von Ieoh Ming Pei. Die kleineren Büroeinheiten dagegen wenden sich dem ruhigeren Teil der Stadt zu und von der sogenannten „Quiet Area“ hat man freie Sicht auf die Hügel des Hong Konger Stadtparks.
Zum Plaudern in die Telefonzelle
Die Personalstruktur McKinseys lässt sich in zwei Hauptgruppen unterteilen: feste Angestellte und freie Berater, die stetig wechseln. Auf dieser Grundlage wurden die Räume organisiert – für die temporären Mitarbeiter gibt es spezielle Zonen, in denen es freie Platzwahl gibt. Diese Bereiche sind durchmischt mit fest zugewiesenen Arbeitsplätzen, so dass ein steter Austausch zwischen den unterschiedlichen Personalgruppen stattfinden kann. Zudem wurden die Tische wie Inseln in Gruppen zusammengestellt – man sitzt also nicht hintereinander, sondern sich gegenüber und arbeitet dadurch als Gemeinschaft. Will man sich doch einmal zurückziehen oder ungestört ein Telefonat oder vertrauliches Gespräch führen, kann man sich in eine von fünf „Phone Rooms“ zurückziehen, die sich auf der gesamten Etage verteilt finden. Diese Telefon- oder Duschzellen ähnelnden Räume sind komplett schalldicht und sehen aus wie die Beamstation von Raumschiff Enterprise. Ist eine Zelle besetzt, leuchtet sie rot auf – ist sie frei, wechselt das Licht auf Orange. Eine exponierte Lösung für einen Ort der Zurückgezogenheit.
Material total
Als Baumaterial kam neben Glas zum größten Teil Holz in den unterschiedlichsten Formen zur Anwendung. Im Eingangsbereich wurde ein baumartiges Ornament in die helle Holzverkleidung der Wände eingefräst, das sich über die ansonsten kühlen, aber spiegelnden Oberflächen im Raum verteilt. Die Architekten wünschten sich dadurch einen stärkeren Naturbezug im Arbeitsalltag und setzten die Holzvertäfelung auch in anderen Teilen der Büroräume fort. Leider bleibt es bei dem frommen Wunsch – zu grafisch ist das gewählte Muster und die Großstadt-Kulisse Hong Kongs lässt sich einfach nicht ausblenden.
Die geschlossenen Büroräume sind mit dunkel furniertem Holz verkleidet und wirken wie in die Etage eingeschobene Kisten – ein Rem-Koolhaas-Klassiker! Die Decke in den Gemeinschaftsbereichen ist unverkleidet und roh belassen, die Technik liegt offen und wurde mit Ausnahme der Sprenkleranlage geweißt. Im großen Besprechungsraum und der Kantine kommt ein weiteres bekanntes Motiv zum Einsatz: farbige Strukturoberflächen. Sie sorgen aber nicht nur für die typische Materialvielfalt eines echten Rem Koolhaas’, sondern verbessern auch die Akustik in den Räumen, die aufgrund ihrer Nutzung einen hohen Geräuschpegel haben.
Leise bitte!
Als Lücke im System soll die „Quiet Area“ dienen: ein Raum, der sich vom Rest des Büros komplett abschottet – in diesem Fall auch visuell. Hier können sich die Mitarbeiter zurückziehen, besinnen und einen Blick hinaus auf den grünen Teil der Stadt werfen. Komplett mit weichem Teppichboden und einem übergroßen Sofa ausgestattet ist dies ein fast Waldorf’scher Moment, wenn da nicht die Standard-Bürodecke mit eingelassenen Lichtbändern und Klimaanlage wäre. Eine wirklich entspannende Stimmung will da nicht aufkommen und die Angestellten werden am Ende froh sein, an ihrem angestammten Arbeitsplatz sitzen bleiben zu dürfen. Zu viel Freiheit tut auch nicht gut.
FOTOGRAFIE Philippe Ruault
Philippe Ruault