Büro für Hunde und Menschen
Integratives Office-Konzept von toi toi toi für Contentful

Klein anfangen, groß rauskommen – und dabei charmant, flexibel und gesellig bleiben. So könnte die Geschichte des Berliner Start-up-Büros von Contentful in Kurzfassung erzählt werden. Zum zweiten Mal hat das ortsansässige Designstudio toi toi toi dem Tech-Innovator ein Büro entworfen, diesmal in zehnfacher Größe.
Wenn Start-ups wachsen, dann auch mal rasant. So erlebte es das Berliner Unternehmen Contentful. 2018 bezog das Start-up mit einem überschaubaren Team ein Büro in Kreuzberg, jetzt besetzt es mit etwa 450 Mitarbeitenden fünf Etagen in einem neu errichteten Bürokomplex. Die New York Times sieht bei dem Content Management-Entwickler das Potenzial, zu einem sogenannten „Einhorn“ zu werden, einem nicht an der Börse notierten Unternehmen mit einer Marktbewertung von mehr als einer Milliarde Dollar. Die neuen Räume sollten dementsprechend auf eine weitere Expansion vorbereitet sein und den Arbeitsgruppen und Abteilungen maximale Flexibilität bieten. Entworfen hat das neue Headquarter in Gesundbrunnen dasselbe Designerinnen-Duo wie vor vier Jahren – und musste sich dieses Mal auf ein potenziertes Projektvolumen einstellen. 8.215 Quadratmeter planten Melissa Amarelo und Stephanie Lund von toi toi toi Studio.
Von Wau bis Wow
So viel Fläche ist nicht nur eine Chance, sondern auch eine Herausforderung. Um die Funktionen, Aufgaben und Dienstleistungen einzugrenzen, berief toi toi toi ein Designkomitee aus dem Mitarbeiterstab. Gemeinsam veranstalteten sie Workshops und Umfragen und formulierten „Nice to haves“. „Wir wollten von den Mitarbeitern der verschiedenen Abteilungen wissen: Wie arbeitet ihr – und wie wollt ihr arbeiten? Und was würdet ihr euch darüber hinaus von eurem Arbeitsort wünschen?“, erzählt Stephanie Lund. Weil die Contentful-Kolleg*innen ihre Arbeitsplätze aktiv mitgestalteten, ist die Identifikation mit dem Ort sichergestellt: Im selbst eingerichteten Zuhause ist der Wohlfühlfaktor schließlich größer als im Hotel. So stammt die finale ästhetische und funktionale Einrichtung von toi toi toi, die Namen der Räume und Zonen aber wählten die Mitarbeitenden. Damit ist auch zu erklären, warum alle Drucker im Büro ungewöhnliche Namen tragen: Sie sind nach den – oft anwesenden – Hunden der Teammitglieder benannt.
Ein Office für alle
Der integrative Ansatz des Büros fängt bei den Haustieren erst an. Nach den anfänglichen Wünschen von Contentful gefragt, sagt Stephanie Lund, dass für das Unternehmen vor allem die Inklusion im Fokus stand. Sie wünschten sich ein Konzept, das die bestehenden und potenziellen Bedürfnisse aller Mitarbeiter*innen berücksichtigt. Neben den genderneutralen Toiletten wurden auch rituelle Waschräume eingerichtet und Raum-im-Raum-Lösungen bieten Rückzugsorte für Gebet oder Meditation. In einem Spiel- und Stillzimmer können Kinder betreut und beaufsichtigt werden, während die Eltern parallel in Telefonboxen und an Tischen noch Anschluss an die Arbeit finden. Wer von einem Flug direkt ins Büro kommt, kann Koffer einschließen und anschließend ein Nickerchen in der Schlafkapsel halten. Pakete werden direkt in Schließfächer geliefert, Fahrräder im Keller geparkt und im hauseigenen Fitnessraum können lange Sitzstunden sportlich ausgeglichen werden.
Dass gute Ideen nicht allein am Schreibtisch entstehen, ist Teil der Philosophie des Berliner Start-ups. Davon zeugen auch die Tischtennisplatten, ein Videospiel- und Musikzimmer oder auch die Lounge. Dank vieler Pflanzen und mithilfe von Folien getönter Scheiben entsteht direkt an der Fensterfront ein atmosphärischer Hang-out-Space mit tropischen Anleihen. „Weil die Berliner Winter so grau sind. Die trübe Lichtstimmung, die hier an einem Februartag entstehen kann, wird einfach in einer positiven Lichtfarbe wie Gelb gefiltert“, erläutert Stephanie Lund.
Weiter nutzen und wieder nutzen
Wichtig ist toi toi toi auch die Nachhaltigkeit. Es sollte so viel wie möglich vom alten Mobiliar aus dem vorherigen Büro übernommen werden. Wie die Teeküchen. Anderes – wie die alten Cafeteria-Möbel – wurde aus funktionalen und ästhetischen Gründen aussortiert. „Nur Dinge, die das Potenzial hatten, noch eine Weile zu halten, konnten übernommen werden“, erzählt Stephanie Lund. Im Café steht allerdings eine Hommage an die alten Zeiten: Der stoffbezogene Metallgestell-Stuhl mit stilistischen Achtziger-Vibes, ehemals ein Konferenzstuhl, wurde als Erinnerung an die Ursprünge von Contentful auf ein gläsernes Podest gestellt. Alle neuen Materialien und Produkte wurden sorgsam ausgewählt und vor allem über lokale Handwerker*innen und Lieferant*innen bezogen. Einige Bodenbeläge bestehen aus ausrangierten Fischernetzen, das indigofarbene Akustikdeckenspray basiert auf recyceltem Denim und die Akustikpaneele waren früher einmal Plastikflaschen.
Flexibel, nachhaltig, integrativ
Die gesamte Gestaltung ist funktional, nutzerorientiert, modular, modern und klar. Dass das Büro trotzdem nicht kalt wirkt, liegt an der sensiblen Möbelauswahl, teils mutigen Farbkonzepten und den vielen liebevollen Details. Auch Wiederholungen über die Etagen hinweg wurden vermieden. Die Meetingräume beispielsweise haben unterschiedliche Layouts und sind nicht einheitlich eingerichtet, um auf die Anforderungen verschiedener Teams und ihrer Aufgaben einzugehen, mal mit Sofas, mal mit formalen Besprechungstischen. Wenn immer neue Situationen anzutreffen sind, lädt das die Mitarbeitenden auch dazu ein, das Büro dynamisch zu nutzen. Dass behagliche Momente nicht unbedingt durch viel Textil, hohen Flor und tiefe Polster entstehen, findet auch Stephanie Lund: „Gemütlichkeit braucht nicht automatisch viele Teppiche und Polstermöbel, sie lässt sich auch mit harten Oberflächen und dem richtigen Licht erzeugen.“
FOTOGRAFIE Koy + Winkel Fotografie Koy + Winkel Fotografie
Projektname | Contentful Office |
Innenarchitektur | toi toi toi creative studio |
Architektur | WAF Architekten |
Bauherr | Contentful GmbH |
Standort | Brunnenviertel, Berlin |
Fläche | 8.215 Quadratmeter |
Fertigstellung | Frühling 2022 |
Grafikdesign | Startling Brands |
Audio & Medien | Media Integreat |
Investor & Entwickler | Townscape One Development |
Tischler | Discher Tischlerei |
Maßgeschneiderte Vorhänge und Polster | Unique Factory |
Benutzerdefinierte Beleuchtung |
Rlon |
Mehr Projekte
Kalifornische Moderne
Fabrikhallenbüro nahe Hollywood von 22RE

Zwischen White Cube und Colour Blocking
Batek Architekten gestalten Prophylaxepraxis T7.2 in Berlin

Flexibles New-Work-Office
Bürogebäude für Sevdesk in Offenburg von Müller + Partner

Zirkuläre Metamorphose
Lucas Muñoz Muñoz modernisiert eine Büroetage in Madrid für Sancal

Neue Rohheit
Brutalistisch angehauchte Umbauprojekte in drei europäischen Metropolen

Mut zur Veränderung
INpuls verwandelt das Landratsamt Freising in ein Bürgerbüro mit Zukunft

Alles im Kasten
Büro der Filmproduktion Dynamic Frame in Zürich von balbek bureau

Design à la campagne
Erwan Bouroullecs Bauernhaus im Burgund

Immer der Farbe nach
Studio Carcasse gestaltet ein neues Büro für Thoughtworks in Berlin

Büro mit Herz
Studio Theobald baut eine Gewerbeetage für Komplizen Film in Berlin um

Zwischen Natur und Technik
Johan Mångsén gestaltet das Interior des Bremer Saab-Büros

Londoner Zeitreise
Neue Büroflächen im Henry Wood House von Nice Projects

Moderner Filmsalon
Büroausbau von Civilian in New York City

Viel mehr als nur Schau
Mode-Showroom Casey Casey in Paris von Atelier NEA

Büro als Begegnungsstätte
Neues Headquarter von Henning Larsen und Ramboll in München

Labor mit Blick ins Grüne
Neue Büroräume von Graft in Berlin-Mitte

Mut zur Transparenz
Architekturbüro Hawkins\Brown bezieht eine Londoner Ladenfläche

Geschmackvolle Pausenräume
Kantinen und Cafeterien mit Aufenthaltsqualität

Wohnliche Praxis
Clinique Monkland in Montreal von Atelier Échelle

Arbeiten im Wohlfühlbereich
Neugestaltung der Innenräume des Fiandre-Hauptsitzes von Iosa Ghini Associati

Neues Leben im alten Amt
Sanierung eines Dresdner Baudenkmals

Ruhe und Ratio
Ein ehrlich gemütliches Büro in Tokio von DDAA

Einschneidende Geste
Umbau des VdK-Büros in Stuttgart von Studio Alexander Fehre

Amtsstube mit Wohlfühlfaktor
Notariat in Affoltern am Albis von Hobiger Feichtner

Filmreife Kulisse
Ein Arbeitsplatz in Berlin-Kreuzberg als cineastische Hommage von RHO

Futuristisches Fachwerk
Holz-Hybrid-Gebäude in Heilbronn von Waechter + Waechter Architekten

Multifunktionaler Kulturtreffpunkt
1zu33 gestaltet ein Autohaus in Hamburg

Schutz vorm Schall
Wohnliches Büro von Kami Blusch in Berlin

Beton in Reinform
MAAS & PARTNER ziehen in alten Münsteraner Industriebau

Transparenz und Offenheit
Innenausbau eines Bürogebäudes in München von Lang Hugger Rampp Architekten
