Büro in Bewegung
Eine Arbeitslandschaft mit textilen Grenzen von Enorme Studio

Im Zentrum von Madrid haben Enorme Studio ein flexibles Büro gestaltet, das auch den post-pandemischen Veränderungen gewachsen sein soll. Hier wird eine Arena zum kommunikativen Marktplatz, ein Vorhang schafft himmelblaue Raumgrenzen und Glaswände zwischen den Funktionsbereichen lassen sich bei Bedarf einfach wegklappen.
Vor ein paar Jahrzehnten noch wurde die Büroarchitektur vom Quadrat dominiert. Da trafen sich Teams an rechteckig arrangierten Tischlandschaften, da arbeiteten die Kollegen in kleinen Kuben und zwischen strengen Demarkationslinien. Diese wurden aus orthogonal ausgerichteten Regalen, Pinnwänden und Rollcontainern gebaut. Mittlerweile bestimmt der Kreis die Raumgestaltung und sorgt funktional und sozial für konsequente Offenheit. Auf den Flächen stehen Inseln und loungige Sitzrunden, das Mobiliar wird auf Rollen oder an Schienen mobil. Und zur Präsentation trifft man sich in einem als Amphitheater angelegten Sitzkreis. Das neue Büro des Unternehmens Xeito Investments wirkt wie ein Archetyp für die neue Arbeitsordnung: Das gesamte Interieur orientiert sich an einem inneren, kommunikativen Zirkel, dessen Aktivitätsbereiche zu den Rändern hin immer mehr ins Individuelle fließen.
Neu interpretierter Arbeits-Schauplatz
Mit der Planung und Umsetzung haben die Architekten und Designer des beauftragten Enorme Studios aus Madrid schon 2018 begonnen – und damit vor der Pandemie. Zwar sind die Folgen der Coronakrise für die Arbeitskultur noch nicht endgültig absehbar, eine Tendenz ist aber offensichtlich: Das Büro wird in Zukunft noch flexibler. Sowohl in Bezug auf die inneren Strukturen, als auch in der Wahrnehmung der Arbeitnehmer, die das Homeoffice und digitale Räume zu schätzen gelernt haben. Das fertiggestellte Büro für Xeito Investments hat die jüngsten Entwicklungen quasi vorweggenommen. „Die Welt scheint sich sehr verändert zu haben“, fassen die Architekten die letzten Monate zusammen. „Alle unsere ursprünglichen Ideen wurden aber bestätigt. Wenn wir über die Flexibilität von Räumen nachdenken, können wir zu stärkeren und nachhaltigeren Projektlösungen kommen.“
Die Qualität der freien Fläche
Dazu passt auch der Name, den das auftraggebende Investitionsunternehmen sich gegeben hat: Wenn man im Galicischen etwas mit „xeito“ macht, dann setzt man es mit Können und Eleganz um. Diesen Ausdruck haben die Architekten bei dem Projekt quasi als Handlungsanweisung genommen. Das Büro liegt mitten in Madrid und in der ersten Etage eines historischen Gebäudes. Aus den Fenstern blicken die Mitarbeiter direkt auf den idyllischen Parque del Retiro. Auch sie selbst arbeiten in einem parkähnlichen Layout, dessen Herzstück von einer offenen Kreisfläche gebildet wird. Wie auf einem Marktplatz ist der Raum bis auf ein paar tragende Säulen unbespielt, sodass die Interaktion der Menschen seine primäre Aufgabe bleibt. Für eine einladende Atmosphäre sorgen natürliche Nuancen. Die Wände und Decken rund um den konsequent weiß gehaltenen Deckenkreis sind mit Holz verkleidet, üppige Zimmerpflanzen bringen Grün in den Raum und die großen Panoramafenster bilden den Horizont. Und wo sonst im Garten Hecken für Privatsphäre beim informellen Plausch sorgen, haben sich die Architekten auch für die Mitarbeiter etwas einfallen lassen: Über Deckenschienen lässt sich ein himmelblauer, semitransparenter Vorhang wie eine temporäre Nebelwand in den Raum ziehen.
Fenster zur Küche
Der Vorhang besteht aus zwei Lagen: einem opaken Schleier und einem schweren, blickdichten Stoff. „Durch das doppelt laufende System kann der Raum für bis zu zehn verschiedene Situationen konfiguriert werden“, erklären die Architekten. „Wenn der Vorhang komplett geschlossen ist, entsteht ein blauer Zylinder im Zentrum. Wird er nur zur Hälfte geschlossen, sind Konzentrationszonen von öffentlichen Bereichen getrennt.“ Letztere Variante bietet sich beispielsweise bei Präsentationen an. Die Arbeitsplätze am Fenster verschwinden dann hinter der textilen Wand – und die Sitztreppe zur Rückseite des Raumes wird zu Zuschauerrängen. Auch die tiefer im Grundriss verorteten Bereiche lassen sich einbinden. Das gesamte Büro bis hin zur Küche und den Konferenzräumen ist mit Trennwänden aus schwenk- und faltbaren Türen ausgestattet, die sich bei Bedarf öffnen und die Etage bei Feierlichkeiten oder größeren Events zu einem kontinuierlichen Raum machen. Die Idee hinter der Gestaltung der Büroetage ist maximale Anpassungsfähigkeit. Alle Bereiche, die privaten sowie die von Gästen und Kunden frequentierten, können ineinanderfließen oder je nach Anforderung und Aufgabe getrennt werden. Damit schaffen die Architekten ein Raum-Chamäleon, das sich auch auf noch nicht absehbare Szenarien einstellen kann und sich durch diese Strategie durchaus als nachhaltig beweist.
FOTOGRAFIE Javier de Paz García
Javier de Paz García
Boden | Mutina |
Tapete | Tecnografica |
Licht | I-Guzzini |
Möbel | Norman Copenhagen |
Möbel | Hay Design |
Vorhänge | Vescom |
Mehr Projekte
Inspirationen am Fleet
Neu gestalteter Showroom von Kinnarps in Hamburg

Eine Stadt aus Räumen
Kollaborativer Arbeitsort von Alberto Hueso in Spanien

Tabula Casa
Die inspirierenden Studioräume von Nerea Apraiz in Bilbao

Nachhaltig auf allen Ebenen
Intelligente Lichtlösungen für den Bürokomplex Tripolis-Park in Amsterdam

Arbeiten in neuem Licht
BOS hat das eyeo-Büro in Berlin als Stadtrundgang inszeniert

Architekturwandel an der Alster
Umbau der BAT-Hauptverwaltung in Hamburg durch Ratschko Architekten

Kreative in der Konservenfabrik
Zirkuläres Büro-Interieur im belgischen Leuven von tweestroom

Büro auf Abruf
Meeting Suites by Bene in Wien

Rohbaucharme und Ruhezone
Modernes Bürokonzept von Delta Pods im Sky Park Bratislava

Bestand und Weitblick
Nachhaltige Transformation des DUO Towers in Düsseldorf durch DJH Architekten

Massivholz und Mixed-Use
Die Team 7 Welt von Matulik Architekten mit Vestre-Outdoormöbeln

Zirkuläre Raute
Bürogebäude The Cradle in Düsseldorf von HPP Architekten

Zukunft im Industriedenkmal
PLY Atelier gestaltet Ramboll-Office in den Berliner Wilhelm Hallen

Kalifornische Moderne
Fabrikhallenbüro nahe Hollywood von 22RE

Zwischen White Cube und Colour Blocking
Batek Architekten gestalten Prophylaxepraxis T7.2 in Berlin

Flexibles New-Work-Office
Bürogebäude für Sevdesk in Offenburg von Müller + Partner

Zirkuläre Metamorphose
Lucas Muñoz Muñoz modernisiert eine Büroetage in Madrid für Sancal

Neue Rohheit
Brutalistisch angehauchte Umbauprojekte in drei europäischen Metropolen

Mut zur Veränderung
INpuls verwandelt das Landratsamt Freising in ein Bürgerbüro mit Zukunft

Alles im Kasten
Büro der Filmproduktion Dynamic Frame in Zürich von balbek bureau

Design à la campagne
Erwan Bouroullecs Bauernhaus im Burgund

Immer der Farbe nach
Studio Carcasse gestaltet ein neues Büro für Thoughtworks in Berlin

Büro mit Herz
Studio Theobald baut eine Gewerbeetage für Komplizen Film in Berlin um

Zwischen Natur und Technik
Johan Mångsén gestaltet das Interior des Bremer Saab-Büros

Londoner Zeitreise
Neue Büroflächen im Henry Wood House von Nice Projects

Moderner Filmsalon
Büroausbau von Civilian in New York City

Viel mehr als nur Schau
Mode-Showroom Casey Casey in Paris von Atelier NEA

Büro als Begegnungsstätte
Neues Headquarter von Henning Larsen und Ramboll in München

Labor mit Blick ins Grüne
Neue Büroräume von Graft in Berlin-Mitte

Mut zur Transparenz
Architekturbüro Hawkins\Brown bezieht eine Londoner Ladenfläche
