Projekte

Büro oder kein Büro

von Tim Berge, 18.04.2011


Wenn Spaziergänger abends am Büro der Firma Heldergroen im niederländischen Haarlem vorbeilaufen und durch die Glasfronten in die Räume hineinschauen, werden sie sich wahrscheinlich denken: Schon wieder eine dieser leerstehenden Büroflächen! Aber der erste Eindruck täuscht, denn wenn man am nächsten Morgen ins gleiche Gebäude hineinblickt, sieht man ein lebendiges, vollbesetztes Büro, in dem die Mitarbeiter ganz normal an Tischen sitzen und ihrer Arbeit nachgehen. Was ist passiert?

 
Die Idee entstammt einer multidisziplinären Kooperation dreier Firmen: der Kommunikationsagentur Heldergroen, dem Architekturbüro Zecc Architecten und den Möbeldesignern Vrolijk. Sie wollten einen Ort schaffen, der verschiedene Identitäten annehmen kann und so ein Vorbild sein könnte für den Umgang mit dem Leerstand bei Büroflächen. Was kann man tun, wenn das eigene Büro den Konjunkturschwankungen unterliegt und man deshalb mal mehr, mal weniger Mitarbeiter hat? Oder die Miete zu teuer ist – man den Platz aber dringend benötigt? Die Lösung ist einfach: Man lässt das Mobiliar in der Decke verschwinden und gewinnt so Freiräume für andere Nutzungsformen. Die Räume werden mittlerweile an Yoga-Klassen vermietet, es gibt Vortragsabende, Weinverkostigungen, Ausstellungen und Produktpräsentationen. Das schafft nicht nur eine finanzielle Entlastung für den Hauptmieter, sondern wirkt sich auch positiv auf dessen Image aus, indem die Anwohner aktiv eingebunden werden.
 
Arbeiten am Telefonmast
 
Das Büro befindet sich in einem früheren Hafenspeicher und bietet dank Glasfronten an drei Seiten einen wunderbaren Blick über den Fluss Spaarne auf die Innenstadt von Haarlem. Die verwendeten Materialien – Beton, Holz und Stahl – sollen Bezüge schaffen zu der alten Speichernutzung und dem Hafen, außerdem war auch bei diesem Projekt das Thema Nachhaltigkeit ein wichtiges Leitmotiv. So wurden die Balken der Tische aus alten Telefonmasten gewonnen, die Verkleidungen der Schränke sind aus platt gewalzten Autotüren vom Schrottplatz gefertigt und die Küchenoberflächen bestehen aus recycelten Plastik-Blumenpaletten. Weiß überlackiert unterscheiden sich die Oberflächen kaum voneinander – nur die Faltungen auf einigen lassen erkennen, dass es sich hier um etwas Besonderes handelt. Man muss neidlos anerkennen, dass niederländisches Design mittlerweile einen Umgang mit dem Thema Recycling gefunden hat, der wenig gekünstelt und wie so vieles aus diesem Land spielerisch und geschmackvoll wirkt. Zudem ist für Heldergroen der Aspekt der physischen Interaktion des Büros und seiner Mitarbeiter mit dem Umfeld von entscheidender Bedeutung: „Nachhaltigkeit und Innovation können und werden zu attraktiven und profitablen Projekten führen. Und die Kommunikation fängt damit an, den Menschen zu zeigen, wer wir sind und wie wir arbeiten.“
 
Alles in einer Wand
 
In der einzig geschlossenen Seite des Büros befinden sich die gesamten Funktionsräume: Toiletten, Küche, Garderobe, Server- und Stauraum. Die aufgedickte Wand wirkt nach außen aber wenig funktional, sondern vielmehr wie eine kubistische Raumskulptur: Rücksprünge, Aussparungen für die Küche, eingelassene Sitzbänke und die auskragenden Deckenboxen – in denen die Tische verschwinden – machen aus der Wand einen Transformer, der die Flexibilität der Büroräume erst ermöglicht. So ist in diesem Wand-Decken-Gebilde auch die gesamte Licht- und Schalltechnik untergebracht. Über der einheitlich weißen Oberfläche der Konstruktion liegt ein feines Fugenraster, hinter dem sich die Türen und Schubladen verbergen. Alles wird von der Wand geschluckt und bei Bedarf wieder herausgegeben.
 
Fliegende Tische
 
Das gesamte Mobiliar ist so konstruiert, dass es innerhalb weniger Minuten verschwinden kann. Die Tische haben Rollen unter den Füßen und drei der Tische lassen sich individuell an Stahlseilen über einen automatisierten Flaschenzug nach oben ziehen, wo sie in unter der Decke hängenden Kisten verschwinden – inklusive der Schrankunterbauten und der darauf stehenden Computer. Das Prinzip und die Technik sind dem Bühnenbau entliehen und von einer auf Theatertechnik spezialisierten Firma umgesetzt – hinzu kommt die Reminiszenz an die historischen Flaschenzüge, die an jedem alten Hafenhaus in Holland befestigt sind, um Waren in die oben liegenden Räume zu transportieren. So können die großen und schweren Möbel fast lautlos und ohne große Mühe verschwinden. Die Computerkabel liegen in flexiblen weißen Schläuchen – wie sie auch in der Medizintechnik verwendet werden – und wandern mit den Tischen nach oben und nach unten. Einen Teil des Raums kann man durch verschiebbare Glaswände akustisch abtrennen – nichts stört jedoch die Transparenz und Wandelbarkeit. Und neben dem Raumgewinn gibt es noch einen weiteren positiven Effekt: Das Mobiliar und die Technik sind über Nacht einbruchsicher verpackt.
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Links

Projektarchitekten

Zecc Architecten

www.zecc.nl

Möbeldesign

Vrolijk

www.vrolijkmeubels.nl

Projekt

Heldergroen

www.heldergroen.nl

Projektfotografen

Cornbread Works

www.cornbreadworks.nl

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