Das Foyer als Ausstellung
Ticket kaufen, Jacke abgeben und dann auf in die Ausstellung: Der Empfang eines Museumsgebäudes ist eigentlich nicht der Ort für längere Aufenthalte. Das Foyer erfüllt wichtige Funktionen, aber das Ziel der Besucher ist normalerweise ein anderes. Sie wollen die Exponate sehen. Im Kunstmuseum Boijmans Van Beuningen in Rotterdam ist die Eingangsebene jetzt selbst einen Besuch wert, seit das niederländische Designerkollektiv „Haunting Dogs Full of Grace“ die Räumlichkeiten komplett umgestaltet hat.
Hinter dem flamboyanten Namen verbergen sich Bertjan Pot, Simon Heijdens, Ted Noten, Frank Bruggeman, Wieki Somers und Jurgen Bey. Die sechs Niederländer taten sich für eine Ausstellung zur Mailänder Möbelmesse 2005 vorübergehend zum Kollektiv zusammen, wo auch Boijmans-Kuratorin Annemartine van Kesteren auf ihre Arbeit aufmerksam wurde. Für die Neugestaltung des Erdgeschosses des Museums bildeten die „Hunde“ noch einmal ein Team. Allerdings teilten sie sich die Aufgabe klar auf: Jeder übernahm einen in sich abgeschlossenen Bereich und es gibt kein stringentes Gestaltungskonzept. Dadurch wirkt das Foyer jetzt selbst ein wenig wie eine Ausstellung mit verschiedenen Installationen.
Mäntel auf dem Karussell
Der gelungenste Beitrag des Projekts stammt sicherlich von der Designerin Wieki Somers, die für die neue Garderobe des Hauses verantwortlich ist. In der eigentlich schwer vorstellbaren typologischen Verbindung eines Karussells mit der Kleiderkaue eines Bergwerks fand sie eine poetische Lösung: Die Mäntel und Jacken der Besucher hängen auf Kleiderbügeln platzsparend unter der Decke. Wie einst in den Zechen des Ruhrpotts können die Kleider über Seilzüge hochgezogen und wieder heruntergelassen werden. Die Seile mit den Bügeln daran sind kreisförmig angeordnet, wodurch ein karussellähnliches Gesamtbild entsteht.
Da die Seile einzeln mit einem Schloss gesichert sind, kann jeder Besucher selbst seine Klamotten verstauen und bei der praktisch endlosen Performance des Hoch- und Runterlassens der Kleider mitmachen. Je voller das Museum, desto mehr Jacken hängen unter der Decke. Für die Taschen und Schirme gibt es an den Wänden dramatisch hinterleuchtete Schließfächer aus Drahtgeflecht.
Dickes „B“
Als erstes steuern die Besucher des Museums den neuen Informations- und Kassentresen von Frank Bruggeman an. Das blaue Möbel besteht aus einem großen, liegenden B – beim Namen des Museums eine naheliegende Wahl. Buchstaben spielen auch beim Beitrag von Ted Noten eine wichtige Rolle. Der Schmuckdesigner entwarf neue Eintrittstickets für das Boijmans: Jeder Besucher erhält eine Schnur mit einem kleinen gelben Plastikbuchstaben daran. Der Buchstabe wechselt täglich und wird nach einem Zufallssystem ausgewählt. Noten stellte auch das „Periscope“ in das Foyer, ein mit Leder bezogenes und mit einem Projektor ausgestattetes Wägelchen: Das Vehikel mit den goldenen Rädern soll die Besucher mit täglich neuen Informationen zum Programm und zur Arbeit das Museums versorgen.
Regale mit Durchblick
Für jedes Museum eine wichtige Einrichtung ist der Shop, dem sich Bertjan Pot annahm. Der Laden schiebt sich als Volumen weithin sichtbar in die Eingangsebene des Museums. Ein Teil der Waren liegt nun wie Kunstwerke in vitrinenartigen Regalen und kann sowohl vom Shop als auch vom Foyer aus betrachtet werden. Dank des ausgeklügelten Regalssystems bietet das neue Geschäft auf kleinerer Grundfläche mehr Stauraum als das alte. Um die Außenwand des Ladens herum windet sich eine lange Sitzbank aus Holz: Während sich die Besucher vom Rundgang durch die Ausstellungen ausruhen, können sie verkaufsfördernd gleich das Warenangebot in Augenschein nehmen.
Auch wichtig für den Betrieb eines Museums: das obligatorische Café. In diesem Fall gestaltete es Simon Heijdens und entschied sich dabei für eine sehr reduzierte Einrichtung mit dunklen, zu wuchtig geratenen Holzmöbeln und einem wenig ansprechend gefliesten Boden. Der große Vorteil: Das Café ist direkt von der Straße zu erreichen und daher nicht abhängig von den Öffnungszeiten des Museums. Auch wer sich erst einmal nicht für eine Ausstellung interessiert, kommt so in das Haus.
Delfter Kachel an Edelstahlwaschbecken
Jurgen Bey schließlich übernahm die Gestaltung des „Education Centre“, des Arbeitsbereichs der Museumspädagogen. Seit dem Umbau ist das Centre nun auch Teil der Eingangsebene und entsprechend leicht zugänglich. Bey teilte es in drei Bereiche auf: eine Arbeitszone mit Tischen und Stühlen, eine Spielzone mit stilisiertem Haus und eine Art Ausstellungszone, in der große Glasvitrinen mit Objekten aus der Sammlung des Hauses stehen. Die Möblierung ist flexibel und kann von den Nutzern je nach Bedarf verändert werden. Besonders ins Auge fällt der Eingangsbereich zum „Kunststudio“ mit den Waschgelegenheiten, den Bey als Reminiszenz an Delfter Kacheln gestaltete. Edelstahlwaschbecken und hellblaue Wände verhindern allerdings eine allzu kunsthandwerkliche Anmutung. Dank der pointierten Entwürfe der sechs Designer hat das Museum nicht nur ein neugestaltetes Foyer bekommen, sondern auch gleich eine erweiterte Dauerausstellung dazu. Das Schauen und Staunen kann gleich an der Eingangstür losgehen.
FOTOGRAFIE Hans Wilschut
Hans Wilschut
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